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Maßnahmen zu Förderung multi- und intermodaler Verkehre

Erstellt am: 21.06.2011 | Stand des Wissens: 01.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

[Beck06, S. 138] definiert die Förderung multi- und intermodaler Verkehre als Stärkung der Eigenschaften des Systems durch verkehrspolitische Strategien. Hierzu zählen Maßnahmen, die günstige Bedingungen für die Kombination mehrerer Verkehrsmittel schaffen, sowie Angebote, die dem Verkehrsteilnehmer einen Zugewinn an Autonomie, Flexibilität und Zugänglichkeit erhöhen [Fran04, S. 105].
Die Empfehlungen zur Förderung multi- und intermodaler Verkehre stellen unter anderem [BMP03, S. 127] und [Interde10, S. 62] vor.
Die folgende Liste zeigt ausgewählte Beispiele:
  • Erhalt und Bereitstellung eines attraktiven und bedarfsgerechten Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) Angebots  [BMP03, S. 127],
  • Förderung differenzierter Angebotsformen des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) [BMP03, S. 127; Fran04, S. 30],
  • Maßnahmen zur Sicherung der Möglichkeiten einer Teilnahme und Teilhabe an (nicht automotorisierter) Mobilität [BMP03, S. 127],
  • Schaffung von Anreizen zum häufigen Wechsel vom Pkw auf den ÖPNV, unter anderem Vermarktung von ÖPNV-Angeboten [BMP03, S. 127],
  • Verkehrsmanagement und Mobilitätsmanagement (MM) [BMP03, S. 127; IV08],
  • Optimierung der intermodalen Verknüpfung im Berufsverkehr [ChlKuh09, S. 29 ff.],
  • Aufbau von Mobilitätsstationen (Carsharing, Bike-Sharing, Elektro-Roller-Sharing, etc.) [VCD20],
  • Beratung zu multimodalen Angeboten und nachhaltiger Mobilität (Wandel von Kundenzentren zu Mobilitätszentralen) [VCD20b],
  • Förderung integrierter Standortentscheidungen sowie
  • Aufklärung über die wahren Kosten der Verkehrsmittel.
Im Zusammenhang der Förderung des Umweltverbundes gibt es auch Maßnahmen, die Nutzer eines Verkehrsmittels des Umweltverbundes auf ein anderes ziehen. Diese Konkurrenz der Verkehrsmittel des Umweltverbundes, die zu sogenannten "Kannibalisierungseffekten" führen können, untersucht [ChlKuh09, S. 30] und kommt zu folgendem Ergebnis: In kleineren Städten besteht meist "keine Konkurrenz zwischen Öffentlichen Verkehr (ÖV) und Rad, da genau in den Bereichen, in denen das Fahrrad seine spezifischen Stärken hat, der ÖV eher schlecht ist ... und umgekehrt".
Grundsätzlich leuchtet unmittelbar ein, dass in der Vergangenheit, wo der MIV von Jahr zu Jahr anstieg, einseitige Förderung eines Partners im Umweltverbund zwangsläufig auch zu Lasten der anderen Partner ging. Erst mit rückläufiger Entwicklung der MIV-Fahrleistungen steigen wieder die Anteile aller Partner im Umweltverbund [Ahrens10].
Als strategischer Rahmen der genannten Einzelmaßnahmen zur Förderung des multi- und intermodalen Personenverkehrs sind insbesondere integriertes Denken und integrierte Planungs- und MM-Ansätze von besonderer Bedeutung. Eine kontinuierliche integrierte Verkehrsentwicklungsplanung ist die geeignete Strategieebene, aus der die Einzelstrategien und -maßnahmen kompatibel abzuleiten sind [Interde10, S. 197].
Neben kommunalen und regionalen Förderprogrammen fördert auch der Staat multimodalen und intermodalen Verkehr. Gemeinden, Verkehrsbetriebe und weitere Förderberechtigte konnten bisher (beziehungsweise können) die Förderinstrumente des Bundes (City2Share, Schaufenster Elektromobilität) und der Europäischen Union (zum Beispiel EFRE, INTERREG) nutzen. INTERREG fördert unter anderem eine effizientere Verknüpfung regionaler Verkehrssysteme mit den europäischen Verkehrsnetzen und eine bessere Anbindung von dünn besiedelten sowie abgelegenen Regionen. Im Norden Deutschlands wurde zum Beispiel das Programm SHARE NORTH mit circa 1,7 Millionen Euro gefördert, aus dem wiederum finanzielle Mittel für die Bremer Mobilitätsstationen "mobil.punkt" flossen [VCD20a].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Förderung des multi- und intermodalen Personenverkehrs (Stand des Wissens: 01.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?354205
Literatur
[Ahrens10] Ahrens, G.-A., Ließke, F., Wittwer, R. Chancen des Umweltverbundes in nachfrageschwachen städtischen Räumen, veröffentlicht in Informationen zur Raumentwicklung, Ausgabe/Auflage Heft 7, 2010
[Beck06] Beckmann, Klaus, Chlond, Bastian, Kuhnimhof, Tobias, et al. Multimodale Verkehrsmittelnutzer im Alltagsverkehr - Zukunftsperspektive für den ÖV?, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage 4, 2006
[BMP03] Von der Ruhren, S., Rindsfüser, G., Beckmann, K.J., Kuhimhof, T., Chlond, B., Zumkeller, D. Bestimmung multimodaler Personengruppen, Aachen/Karlsruhe, 2003
[ChlKuh09] Chlond, B., Kuhnimhof, T. Fahrrad und ÖPNV versus MIV? Analysen zur Konkurrenz und Synergie von Verkehrsmitteln auf Grundlagen der Daten des Mobilitätspanels, Ausgabe/Auflage Tagungsband "Integrierte Nahmobilität", 12. SRL ÖPNV-Tagung 2009/2. MeetBike Konferenz, 12.-13. März 2009 in Dresden, 2009
[Fran04] Franke, S. Die "neuen Multimodalen" - Bedingungen eines multimodalen Verkehrsverhaltens, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage Heft-Nr. 3, 2004/03
[Interde10] TU Dresden, Lehrstuhl Verkehrs- und Infrastrukturplanung, Prof. Dr.-Ing. G.-A. Ahrens, Ahrens, Gerd-Axel, Aurich, Tanja, Böhmer, Thomas, Klotzsch, Jeannette, Pitrone, Anne Interdependenzen zwischen Fahrrad- und ÖPNV-Nutzung. Analysen, Strategien und Maßnahmen einer integrierten Förderung in Städten, 2010
[IV08] Bamberg, S., Heller, J., Heipp, G., Nallinger, S. Multimodales Marketing für Münchner Neubürger, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage Heft 03/2008, Deutscher Verkehrs-Verlag GmbH/ Hamburg, 2008
[VCD20] Verkehrsclub Deutschland (VCD) e. V. (Hrsg.) Erfolgsfaktor Mobilitätsstationen, 2020
[VCD20a] Verkehrsclub Deutschland (VCD) e. V. (Hrsg.) Fördermittel für multimodale Verkehrssysteme, 2020
[VCD20b] Verkehrsclub Deutschland (VCD) e. V. (Hrsg.) Von der Kunden- zur Mobilitätsberatung, 2020
Glossar
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Umweltverbund
Unter dem Begriff Umweltverbund wird die Kooperation der umweltfreundlichen Verkehrsmittel verstanden. Hierzu zählen die öffentlichen Verkehrsmittel (Bahn, Bus und Taxis), nicht motorisierte Verkehrsträger (Fußgänger und private oder öffentliche Fahrräder), sowie Carsharing und Mitfahrzentralen. Ziel ist es, Verkehrsteilnehmern zu ermöglichen, ihre Wege innerhalb des Umweltverbunds, anstatt mit dem eigenen Pkw, zurückzulegen. Zunehmend wird der Begriff Mobilitätsverbund genutzt.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Carsharing
Der Begriff CarSharing stammt aus dem Englischen (car= Auto, to share= teilen) und kann sinngemäß mit der Bedeutung "Auto teilen" übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen, die meist von Unternehmen gegen Gebühr bereitgestellt werden.
Durch einen Rahmenvertrag oder eine Vereinsmitgliedschaft erhalten Kunden flexiblen Zugriff auf alle Kfz eines Anbieters. Die Fahrzeuge können über eine Webseite oder über eine Smartphone-App gebucht werden. Geöffnet werden sie in der Regel mit Hilfe von Chipkarten oder durch einen über die Smartphone-App vermittelten Zugangscode .
Bei dem System des stationsbasierten CarSharing stehen die Fahrzeuge auf reservierten Stellplätzen und werden nach der Nutzung auch wieder dorthin zurückgebracht. Ein anderes Modell ist das free-floating CarSharing. Hier stehen die Fahrzeuge in einem definierten Operationsgebiert verteilt. Sie können per Smartphone geortet werden und nach der Nutzung auf einem beliebigen Stellplatz innerhalb des Operationsgebiets zurückgegeben werden.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Elektromobilität
Die Elektrifizierung der Antriebe durch Batterie- und Brennstoffzellentechnologien. Im Kontext des "Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität" wird der Begriff auf den Straßenverkehr begrenzt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Personenkraftwagen (Pkw) und leichte Nutzfahrzeuge, ebenso werden aber auch Zweiräder (Elektroroller, Elektrofahrräder) und Leichtfahrzeuge einbezogen.
Kannibalisierungseffekte Kannibalisierungseffekte in der Wirtschaft bezeichnen allgemein den Gewinn von Marktanteilen eines Produktes zulasten anderer Produkte. Die für den Nutzer relevanten Produkteigenschaften ähneln sich in diesem Fall sehr, was zur Verschiebung der jeweiligen Anteile am Gesamtumsatzanteil führt. Betrachteter Fall: Wiederaufbereitete Produkte, die auch als solche vermarktet werden, erzielen geringere Verkaufspreise als die technisch identischen neuen Alternativen und nehmen ihnen dadurch Marktanteile ab.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?354179

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 09:29:00