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Hafenentwicklungsplanung und Maßnahmen zum Ausbau deutscher Seehäfen

Erstellt am: 18.01.2023 | Stand des Wissens: 25.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Die Hafenentwicklungsplanung beschreibt auf Basis von Verkehrsprognosen sowie der Entwicklung von Schiffgrößen den erforderlichen Bedarf an Hafeneinrichtungen. Ein Hafenausbau erfordert einen langen zeitlichen Vorlauf, weshalb sich die Hafenentwicklungsplanung auf mindestens zehn bis fünfundzwanzig Jahre erstreckt. Eine wichtige Komponente der Hafenentwicklungsplanung ist eine vorausschauende Flächenvorsorge. Diese umfasst die für die Hafenentwicklung erforderliche dauernde Bereitstellung nutzbarer Flächen, den Erwerb von Grundstücken und die Ausweisung von Hafenerweiterungsflächen in Flächennutzungsplänen. Besonders für den Containerumschlag, der einen besonders hohen Flächenbedarf aufweist, spielt die Flächenvorsorge eine wichtige Rolle. Weiterhin müssen Planfeststellungsverfahren durchgeführt sowie die Errichtung der Hafeninfra- und Hafensuprastruktur geplant werden. Neben den wirtschaftlichen Interessen fließen auch ökologische Kriterien in die Hafenentwicklungsplanung ein. Erklärte Ziele der Hafenentwicklungsplanung sind der Erhalt beziehungsweise die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit [Oppe02, S. 13-14].
Der Hafenentwicklungsplan fasst die Ergebnisse der Hafenentwicklungsplanung zusammen und wird durch die Eigentümer der Hafeninfrastruktur erstellt. Für die deutschen Nord- und Ostseehäfen sind dies in der Regel die Bundesländer und/oder Kommunen. Mit dem Hafenentwicklungsplan soll allen Beteiligten, darunter auch privaten Investoren, eine fundierte Entscheidungshilfe gegeben werden. Diese können sich so auf zukünftige, von staatlichen Institutionen veranlasste Änderungen einstellen und ihr eigenes Agieren darauf abstimmen [Hans98, S. 13].
Die Zuständigkeit für die Hafenentwicklungsplanung liegt beim jeweiligen Hafeneigentümer. Der Bund hat keine eigenen Kompetenzen in der Hafenplanung, er strebt jedoch eine enge Abstimmung mit den Ländern in hafenpolitischen Belangen an. Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern ist im Nationalen Hafenkonzept festgelegt, welches 2009 erstmals verabschiedet und zuletzt 2015 aktualisiert wurde [BMVBS09, S. 20f; BReg15, S. 126]. Die Umsetzung der Hafenentwicklungsplanung wird in den Ländern unterschiedlich gehandhabt:
In Niedersachsen wurde zuletzt 2007 ein Landeshafenkonzept für die See- und Binnenhäfen verabschiedet [NMWAV07]. Zudem besteht ein eigener Hafenentwicklungsplan Wilhelmshaven, der bereits 2004 als integralen Bestandteil die Entwicklung des JadeWeserPorts als einzigen deutschen Tiefwasserhafen für Containerumschlag beinhaltete und seitdem kontinuierlich aktualisiert wird [NPort16].
Bremen und Bremerhaven haben 2022 das seit 2014 bestehende Hafenkonzept 2020/25 durch ein neues Hafenentwicklungskonzept 2035 abgelöst [BrP14; BKKL22].
Der in Hamburg aktuell geltende Hafenentwicklungsplan bis 2025 ist seit Oktober 2012 öffentlich [HPA21]. Im Jahr 2019 wurde die Entwicklung eines neuen Hafenentwicklungsplans beantragt, da sich die im Jahr 2012 getroffenen Annahmen als unzutreffend erwiesen [CDUHH20]. Um sich im internationalen Wettbewerb behaupten zu können, ist eine neue Ausrichtung unabdinglich (DVZ 2021). Hierzu wird aktuell an einem neuen Hafenentwicklungsplan 2040 gearbeitet, der bis Ende 2022 fertig sein soll. In diesem wird angestrebt, bis 2040 die Klimaneutralität des Hamburger Hafens herzustellen und ihn zu einem Zentrum für die Wasserstoffwirtschaft zu entwickeln [DPA21].
In Schleswig-Holstein wurde zuletzt 2013 ein landesweites Hafenentwicklungskonzept für die 25 schleswig-holsteinischen Häfen verabschiedet. Aufgrund eines Beschlusses der Lübecker Bürgerschaft gibt es für die Hansestadt darüber hinaus einen aktuelleren, eigenen Hafenentwicklungsplan 2030 [Hans98].
In Mecklenburg-Vorpommern wird die Hafenentwicklungsplanung von den Städten in Zusammenarbeit mit dem Land im Rahmen der Miteigentümerfunktion betrieben [Holo05]. Die Entwicklung der Häfen Rostock, Stralsund, Sassnitz, Wismar und Vierow wird dabei vom Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung innerhalb der Flächenoffensive Häfen Mecklenburg-Vorpommern 2030 geplant [MEIL12]. Zusätzlich existiert für Rostock ein eigener Hafenentwicklungsplan 2030, der über die Entwicklungsplanung des Landes hinausgeht [HRo22].
Maßnahmen zum Ausbau deutscher Seehäfen lassen sich aus den Hafenentwicklungsplänen ableiten und werden im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans hinsichtlich ihrer Priorität bewertet und eingeordnet. Der aktuell geltende Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP) [BMVI16d] benennt sechs Projekte mit Bezug zu den deutschen Seehäfen. Fünf dieser Projekte besitzen dabei die höchste Dringlichkeitsstufe (vordringlicher Bedarf), drei davon dienen zusätzlich der Beseitigung bestehender Engpässe:
  • Anpassung der seewärtigen Zufahrt zum Seehafen Rostock
  • Anpassung der seewärtigen Zufahrt zum Seehafen Wismar
  • Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe
  • Fahrrinnenanpassung der Unterweser (Süd)
  • Fahrrinnenanpassung der Unterweser (Nord)
  • Fahrrinnenanpassung der Außenweser
Die Projekte zur Fahrrinnenanpassung von Elbe und Weser bestehen bereits seit dem BVWP 2003, konnten bislang aber nicht abgeschlossen werden. Sie gelten als prioritäre Infrastrukturprojekte, um die Wettbewerbsfähigkeit der Häfen Brake (Weser), Bremen/Bremerhaven (Weser) und Hamburg (Elbe) zu sichern.
Die Anpassungen der Weser werden von Wirtschaft und Hafenverbänden als notwendig erachtet, aufgrund verschiedener Klagen von Landwirten, Werften, Gemeinden und des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) ist jedoch unklar, wann und in welchem Rahmen die Bauarbeiten beginnen können. Zuletzt wurde im Frühjahr 2021 ein neues Genehmigungsverfahren begonnen, nachdem 2011 zwischenzeitlich ein Planfeststellungsbeschluss vorlag, welcher jedoch 2016 für rechtswidrig erklärt wurde [WKB21].
Ähnlich zur Weser lag für die Elbe ebenfalls bereits im Jahr 2012 ein Planfeststellungsbeschluss vor. Auch hier verzögerte sich die Umsetzung durch Eilanträge vom BUND und vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) sowie von privaten Klägern. Nach Verhandlungen, Überarbeitungen und der Schaffung von Ausgleichsflächen konnte im Jahr 2019 mit den Bauarbeiten begonnen werden. Diese wurden im Frühjahr 2021 erfolgreich abgeschlossen [NDR21a].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Funktionen und Zukunftsperspektiven von Seehäfen im Kontext maritimer Lieferketten (Stand des Wissens: 18.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?50780
Literatur
[BKKL22] B. Bierwirth, I. Kretschmer, J. Kreß, J. Lattner HEK 2035 - Hafenentwicklungskonzept bremische Häfen, 2022
[BMVBS09] o.A. Nationales Hafenkonzept für die See- und Binnenhäfen, 2009/06/17
[BMVI16d] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) Bundesverkehrswegeplan 2030, Ausgabe/Auflage März 2016, Berlin, 2016/03
[BReg15] Die Bundesregierung (Hrsg.) Nationales Hafenkonzept für
die See- und Binnenhäfen
2015, 2015
[BrP14] Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen und bremenports GmbH & Co. KG. Bremen (Hrsg.) Bremisches Hafenkonzept 2020/25, 2014
[CDUHH20] CDU-Bürgerschaftsfraktion (Hrsg.) Hafenentwicklungsplan 2040, 2020/08/05
[DPA21] Zeit Online GmbH (Hrsg.) Bürgerdialog zum Hafenentwicklungsplan 2040 gestartet, 2021
[Hans98] o.A. Hafenentwicklungsplan der Hansestadt Lübeck, veröffentlicht in Lübeck plant und baut, Ausgabe/Auflage Heft 65 / Juli 1998, Lübeck, 1998/07, ISBN/ISSN 0933-193x
[Holo05] Holocher, Klaus Harald, Prof. Dr. Die Entwicklung der Seehafenpolitik der deutschen Küstenländer, veröffentlicht in Märkte im Wandel - mehr Mut zu Wettbewerb : Festschrift zum 65. Geburtstag von Rolf W. Stuchtey, Ausgabe/Auflage 1, Peter Lang / Frankfurt a.M., 2005, ISBN/ISSN 3-631-52943-0
[HPA21] Hamburg Port Authority (Hrsg.) Der Hafenentwicklungsplan bis 2025 - Hamburg hält Kurs, 2021
[HRo22] Hansestadt Rostock (Hrsg.) Hafenentwicklungsplan 2030, 2022
[MEIL12] Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung (Hrsg.) Flächenoffensive Häfen Mecklenburg-Vorpommern 2030, 2012
[NDR21a] Norddeutscher Rundfunk (Hrsg.) Elbvertiefung: Schiffe können erstmals mit mehr Tiefgang kommen, 2021
[NMWAV07] k.A. Hafenkonzept Niedersachsen, Hannover, 2007/02/20
[NPort16] B. Lemper, , J. Schlennstedt, Perspektivpapier Hafen Wilhelmshaven. Management Summary, 2016
[Oppe02] Oppel, Jens-Albert Strategische Hafenplanung. Analyse, Strategie und Investitionsprogramm für einen Fährhafenbetrieb am Beispiel des Lübecker Hafens, Bremen, 2002, ISBN/ISSN 0174-5727
[WKB21] S. Lakeband Neuer Schub für Weservertiefung, 2021
Glossar
Vor- und Nachlauf Unter Vor- und Nachlauf sind im Kombinierten Verkehr Transporte der Ladeeinheit vom Versender zum Umschlagpunkt oder von dort zum Empfänger zu verstehen. Am Umschlagpunkt wechselt die Ladeeinheit das Verkehrsmittel. Der Transport zwischen zwei Umschlagpunkten wird als Hauptlauf bezeichnet.
Wasserstoffwirtschaft
Eine vor allem auf dem Energieträger Wasserstoff beruhende Energiewirtschaft.
Bundesverkehrswegeplan
Als Instrument einer mittel- bis langfristigen Investitionsrahmenplanung für den Erhalt und Ersatz bundeseigener Verkehrsinfrastruktur erfasst der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) das zwecks zielgerichteter Ausgestaltung sowie Erweiterung von Bundesfernstraßen, Bundeswasserstraßen und Schienenwegen des Bundes erforderliche Finanzierungsvolumen. Auf Basis verkehrsträgerübergreifender Prognosen findet in diesem Zusammenhang eine Priorisierung vorgesehener Neu- und Ausbauprojekte gemäß ihrer gesamtwirtschaftlichen Bewertung sowie ökologischer und raumordnerischer Einschätzungen statt. Grundsätzlich wird infolgedessen zwischen "vordinglichem Bedarf" (VB) und "weiterem Bedarf" (WB) unterschieden.

Der BVWP tritt auf Beschluss des Bundeskabinetts in Kraft und umfasst jeweils einen Zeithorizont von circa zehn bis 15 Jahren. Seit 1973 sind bereits sechs konsekutive Verkehrswegepläne verabschiedet worden. Der letzten, dem Jahr 2016 entstammenden Fortschreibung liegt ein Planungszeitraum bis 2030 und ein Investitionsvolumen in Höhe von 269,6 Milliarden Euro zugrunde, siehe auch gesonderte Wissenslandkarte "Bundesverkehrswegeplanung" hier im Forschungsinformationssystem.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?564671

Gedruckt am Freitag, 26. April 2024 20:35:03