Definition des schienengebundenen Hochgeschwindigkeitsverkehrs
Erstellt am: 16.09.2002 | Stand des Wissens: 22.04.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Europaweit existieren verschiedene Definitionen für den Begriff Hochgeschwindigkeitsverkehr, wodurch nicht zuletzt die Erstellung einer einheitlichen Statistik erschwert wird. Nachfolgend sollen die Definitionsansätze des Union Internationale des Chemins de fer (UIC, deutsch Internationaler Eisenbahnverband) und gemäß der Richtlinie 96/48/EGb vorgestellt werden. Die UIC unterscheidet in ihrer Darstellung drei Sichtweisen, die jeweils eine der drei herausragenden Systemkomponenten Infrastruktur, Fahrzeuge und Betriebsweise in den Mittelpunkt stellen.
Ausgehend von der Infrastruktur wird jeder Verkehr auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke als Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) bezeichnet, unabhängig von den dabei auf diesen Strecken eingesetzten Fahrzeugen. Als Hochgeschwindigkeitsstrecke werden Neubaustrecken bezeichnet, die auf (fast) allen Abschnitten eine Geschwindigkeit von mindestens 250 Kilometer pro Stunde ermöglichen oder Ausbaustrecken, die mindestens 200 Kilometer pro Stunde Höchstgeschwindigkeit erlauben. In einigen Ländern werden Strecken als Hochgeschwindigkeitsstrecke bezeichnet, auch wenn diese Geschwindigkeiten unter 200 Kilometer pro Stunde zulassen, aber gleichzeitig weitere Merkmale wie eine deutliche Verringerung der bisherigen Fahrzeit, schwierige Topografie und einen Netzeffekt aufweisen.
Ausgehend von den Fahrzeugen wird jeder Verkehr als HGV bezeichnet, der mit Hochgeschwindigkeitszügen durchgeführt wird, unabhängig von der von ihnen befahrenen Strecke. Als Hochgeschwindigkeitszüge werden vornehmlich untrennbare Trieb(wagen)züge bezeichnet (zum Beispiel Siemens Valero), die mit einer Höchstgeschwindigkeit von mindestens 250 Kilometer pro Stunde betrieben werden. Allerdings werden auch mit 200 Kilometer pro Stunde operierende Züge dieser Kategorie zugeordnet, wenn sie besondere Qualitätsmerkmale wie beispielsweise Neigetechnik aufweisen. Sogar lokbespannte Züge, die eine Geschwindigkeit von 200 Kilometer pro Stunde erreichen, können unter Umständen als Hochgeschwindigkeitszüge gewertet werden.
Aus der Sicht des Betriebs ergibt sich nun das Problem, diese beiden Sichtweisen in Einklang zu bringen, da sich unterschiedliche Kombinationen aus Fahrzeugen und Infrastruktur ergeben und diese von den Eisenbahnunternehmen unterschiedlich kategorisiert werden.
Festsetzungen der Europäischen Union:
Die Europäische Union definiert "Hochgeschwindigkeitsverkehr" in ihrer Richtlinie 96/48/EGb, Anhang 1 und verweist zu folgenden Bereichen in weiteren Dokumenten (zum Beispiel TSI):
Die Infrastrukturen des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems sind die Infrastrukturen der im Rahmen der Leitlinien nach Artikel 129c des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ausgewiesenen Strecken des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V),
- die eigens für die Benutzung durch Hochgeschwindigkeitszüge gebaut worden sind oder werden;
- die eigens für die Benutzung durch Hochgeschwindigkeitszüge ausgebaut worden sind oder werden.
Strecken für Hochgeschwindigkeitszüge umfassen:
- eigens für Hochgeschwindigkeitszüge gebaute oder zu bauende Strecken, die für Geschwindigkeiten von im Allgemeinen mindestens 250 Kilometer pro Stunde ausgelegt sind;
- eigens für Hochgeschwindigkeitszüge ausgebaute oder auszubauende Strecken, die für Geschwindigkeiten von rund 200 Kilometer pro Stunde ausgelegt sind;
- eigens für Hochgeschwindigkeitszüge ausgebaute oder auszubauende Strecken, die aufgrund der sich aus der Topografie, der Oberflächengestalt oder der städtischen Umgebung ergebenden Zwänge von spezifischer Beschaffenheit sind und deren Geschwindigkeit im Einzelfall festgelegt werden muss."
[96/48/EGb, Anhang 1]
Die Fahrzeuge technisch moderner Hochgeschwindigkeitszüge müssen so ausgelegt sein, dass sie bei folgenden Geschwindigkeiten einen sicheren Fahrbetrieb ohne Unterbrechung erlauben:
- bei mindestens 250 Kilometer pro Stunde auf eigens für Hochgeschwindigkeitszüge gebauten oder zu bauenden Strecken, wobei es möglich sein muss, in geeigneten Fällen Geschwindigkeiten von mehr als 300 Kilometer pro Stunde zu erzielen;
- bei rund 200 Kilometer pro Stunde auf eigens ausgebauten oder auszubauenden bestehenden Strecken;
- bei der jeweils höchstmöglichen Geschwindigkeit auf den übrigen Strecken.
Der Hochgeschwindigkeitsverkehr setzt eine hervorragende Kohärenz zwischen Infrastruktur- und Fahrzeugmerkmalen voraus. Von dieser Kohärenz hängen das Leistungs-, Sicherheits- und Qualitätsniveau sowie die Kosten der Verkehrsdienste ab.