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Abschließende Bewertung des Instruments und die Erfordernis einer integrierten Herangehensweise im Verkehrssektor

Erstellt am: 16.02.2024 | Stand des Wissens: 16.02.2024

Ein Emissionshandelssystem soll, abhängig von der Ausgestaltung, kosteneffizient und ökologisch treffsicher zur Senkung von Treibhausgasen beitragen.
Ein wesentlicher Vorteil von Emissionshandelssystemen ist, dass eine zulässige Gesamtemissionsmenge festgelegt wird, die eingehalten werden muss. Dadurch wird, unabhängig vom Wirtschaftswachstum, ein absoluter Rückgang an Emissionen sichergestellt. [Rodi22, S. 89 ff., S. 306 f.] So können auch Rebound-Effekte verhindert werden. [Feis19; Piet21] Diese Mengensteuerung hebt Emissionshandelssysteme wesentlich von anderen Instrumenten ab.
In der Praxis zeigen sich jedoch Defizite: Kommt es zu einem Überschuss an Zertifikaten, ist aufgrund kostengünstiger Zertifikatspreise mit einer geringen Lenkungswirkung zu rechnen. Anders als bei der CO2-Steuer, die langfristige Planungssicherheit ermöglicht, ist die Preisentwicklung bei Emissionshandelssystemen kaum vorhersehbar. Dies erschwert die Planungssicherheit, insbesondere für langfristige und hochpreisige Investitionen. [BoVo17] Es muss eine klare Richtung vorgegeben werden, um den Lock-in in emissionsintensive Technologien zu verhindern und emissionsarme Innovationen zu fördern. [Piet21; EuKom21d, S.8]
Die Effizienz von Emissionshandelssystemen stellt nach wie vor ein kontrovers diskutiertes Thema dar. Häufig werden sie in Konkurrenz zu anderen Instrumenten wie der CO2-Steuer gesetzt. [Kemf19] Auch über die Festlegung einer ambitionierterem Emissions-Obergrenze [Grai19] oder die Einführung konkreter Preisspannen für die Zertifikate wird im öffentlichen Diskurs nachgedacht. [Flac23]
Ebenfalls Gegenstand der öffentlichen Debatte ist der Instrumentenmix. Während teilweise konstatiert wird, dass die Kombination des Emissionshandels mit anderen Regularien ausschließlich zu volkswirtschaftlichen Mehrkosten führe, wird für den Verkehrssektor meist die Einbettung in einen wohl abgestimmten Instrumentenmix gefordert. [EuKom21d, S. 350; WaEn23] Denn ein CO2-Preis allein löst nicht alle Probleme: Es ist denkbar, dass eine sich langfristig lohnende Investition aufgrund unvollständiger Informationen kurzfristig nicht kosteneffizient scheint. Hier kann die Implementierung zusätzlicher Regularien zu den nötigen Anfangsinvestitionen anregen und so die Transformation beschleunigen, um Lock-In-Effekte zu vermeiden. Auch andere Maßnahmen, wie zum Beispiel der Ausbau von Ladeinfrastruktur oder die Adressierung weiterer negativer Effekte des Verkehrs wie Feinstaub und Staus, müssen parallel eingeleitet werden. Ferner treffen die relevanten Akteure im Personenverkehr ihre Entscheidungen oft ohne rationale Kostenkalkulation, sodass steigende Preise CO2-intensiver Produkte nicht notwendigerweise klimafreundlicherem Konsumverhalten anregen. Obwohl effizientere Fahrzeuge auch in einer Gesamtkostenrechnung oft besser zu bewerten sind, fließen diese Aspekte nicht gleichermaßen in die Kaufentscheidung ein. [UBA22s, S. 67 ff.; Piet21; Felb19]
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Literatur
[BoVo17] Moritz Bonn , Jan S. Voßwinkel CO2-Mindestpreis
Fluch oder Segen der EU-Klimapolitik?, 2017/05
[EuKom21d] Europäische Kommission (Hrsg.) Possible extension of the EU Emissions Trading System (ETS) to cover emissions from the use of fossil fuels in particular in the road transport and the buildings sector, 2021
[Feis19] Marc Feist Klimaschutz: Warum der Emissionshandel besser als eine CO2-Steuer ist, 2019/06/04
[Felb19] Gabriel Felbermayr, Sonja Peterson, Wilfried Rickels Für ein duales System der CO2-Bepreisung in Deutschland und Europa, 2019/07
[Flac23] Christian Flachsland, Michael Pahlec, Dallas Burtraw, Ottmar Edenhofer, Milan Elkerboutf, Carolyn Fischerg, Oliver Tietjenc, Lars Zetterbergh, Avoid history repeating: The case for an EU ETS price floor revisited, 2023
[Grai19] Verena Graichen, Jakob Graichen, Sean Healy The role of the EU ETS in increasing EU climate ambition, 2019/10
[Kemf19] Claudia Kemfert, Sophie Schmalz, Nicole Wägner Erweiterung des Emissionshandels löst aktuelles Klimaschutzproblem nicht, veröffentlicht in Ökologisches Wirtschaften, Ausgabe/Auflage N.4 (2019), 2019/11/28, Online-Referenz doi:10.14512/OEW340443
[Piet21] Robert Pietzcker, Janik Feuerhahn , Luke Haywood , Brigitte Knopf , Falko Leukhardt , Gunnar Luderer , Sebastian Osorio , Michael Pahle , Renato Rodrigues , Ottmar Edenhofer Hintergrund: Notwendige CO2-Preise zum Erreichen des europäischen Klimaziels 2030, 2021/10/11
[Rodi22] Martin Altrock, Johannes Antoni, Christian Buchmüller, Hannes Doderer , Elias Eickelmann, Dr. Dörte Fouquet, Claudio Franzius, Christian Held, Maximilian Hemmert-Halswick , Ekkehard Hofmann, Michael Kalis, Jan Henrik Klement, Christine Kliem, Stefan Klinski, Matthias Knauff, Fanny Knoll, Charlotte Kreuter-Kirchhof, Michael Mehling, Christoph Paul, Friederike Pfeifer, Prof. Dr. jur. Johann-Christian Pielow;, Jan Reshöft, Thomas Roller, Johannes Saurer,, Michael Sauthoff, Judith Schäfer, Simon Schäfer-Stradowsky, Claudio Seis, Carsten Telschow, Miriam Vollmer, Jens Vollprecht, Roman Weidinger, Hartmut Weyer, Martin Wickel, Anja Widmann, Susan Wilms, Cathrin Zengerling, Ines Zenke Handbuch Klimaschutzrecht, C.H.BECK., 2022, ISBN/ISSN 978-3-406-76789-0
[UBA22s] Wiebke Zimmer, Ruth Blanck, Konstantin Kreye, Jakob Graichen, Peter Kasten Die Rolle der CO2-Bepreisung im Instrumentenmix für die Transformation im Verkehrssektor
, veröffentlicht in CLIMATE CHANGE, Ausgabe/Auflage 27/2022, 2022
[WaEn23] Carolin Wahnbaeck, Alexandra Endres Kann der Markt das Klima schützen?, 2023/02/14
Glossar
EU-Emissionshandelssystem Das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) ist ein 2003 vom Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament beschlossenes marktwirtschaftliches Instrument, die im Kyoto-Protokoll gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen. Anlagenbetreiber (zur Zeit sind etwa 11.000 Fabriken und Kraftwerke erfasst) müssen bei Überschreiten der ihnen fest vorgegebenen Emissionsberechtigungen Strafen bezahlen (100 Euro pro Tonne CO2), sofern keine Zertifikate zur Tilgung vorgelegt werden können. Diese Zertifikate vergeben solche Betreiber, die die o.g. Grenzwerte unterschritten haben. Die Nachweispflicht liegt in jedem Fall bei dem Anlagenbetreiber.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?579971

Gedruckt am Montag, 29. April 2024 11:24:42