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Rechtliche Rahmenbedingungen

Erstellt am: 21.06.2023 | Stand des Wissens: 21.06.2023
Synthesebericht gehört zu:

Die Europäische Union (EU) hat sich zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen. Diese Ziele sind im Europäischen Klimagesetz verankert und für die EU-Mitgliedsstaaten rechtlich verpflichtend. Die EU kommt damit ihren Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris nach [EUR22]. Mit dem Fit-for-55-Paket hat die Europäische Kommission im Juli 2021 14 Rechtsvorschläge für die Erreichung des Klimaschutzziels bis 2030 vorgelegt, die weiterhin verhandelt werden. Die Vorschläge haben auch Auswirkungen auf den Verkehrssektor. Unter anderem wird die Überarbeitung der Richtlinie 2018/2001/EU zur Förderung Erneuerbarer Energien (Renewable Energy Directive RED II) und der Richtlinie 2014/94/EU über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (Alternative Fuels Infrastructure Directive AFID) adressiert [AgVe21a]. Auf europäischer Ebene sind dies zwei zentrale Richtlinien für die Energiewende im Verkehr, die von jedem EU-Mitgliedsstaat in nationales Recht umgesetzt werden müssen. Gleiches gilt für die Richtlinie 2019/1161/EU über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge (Clean Vehicles Directive CVD).

Die RED II hat zum Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch in der Europäischen Union bis zum Jahr 2030 auf mindestens 32 Prozent zu erhöhen. Das sektorale Ziel für den Verkehr liegt bei einem mindestens 14-prozentigen Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Kraftstoffanbieter verstärkt klimaneutrale Antriebsenergien wie regenerativen Strom, grünen Wasserstoff, synthetische Kraftstoffe und Biokraftstoffe der zweiten Generation (aus Pflanzenreststoffen) auf den Markt bringen. Die Mitgliedsstaaten können selbstständig festlegen, in welchen Schritten dieses Ziel bis 2030 erreicht werden soll. In Deutschland werden die Ziele und Vorgaben der RED II in Form einer Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) umgesetzt [Oek21]. Daraus resultieren konkrete Maßnahmen wie das Förderkonzept für erneuerbare Kraftstoffe oder die Power-to-Liquid-Roadmap für den Luftverkehr, mit denen der Hochlauf erneuerbarer Energien im Verkehrssektor realisiert werden soll [BMDV21f]. Im Zuge der Fit-for-55-Verhandlungen befindet sich die RED II in einem erneuten Revisionsprozess, da die Europäische Kommission zur Erreichung der Klimaschutzziele 2030 von einem notwendigen Anteil der erneuerbaren Energien von mindestens 45 Prozent ausgeht [EUK23].

Auf europäischer Ebene bildet die AFID den Rechtsrahmen für den Aufbau von öffentlicher Lade- und Tankinfrastruktur für alternative Kraftstoffe wie Strom, Wasserstoff, Flüssigerdgas (Liquified Natural Gas LNG) oder komprimiertes Erdgas (Compressed Natural Gas CNG). Das übergeordnete Ziel der Richtlinie ist die Bereitstellung einer interoperablen Kraftstoffinfrastruktur auf dem europäischen Markt. Dazu werden Mindestanforderungen für die Errichtung der Infrastruktur festgelegt, die von den jeweiligen Mitgliedstaaten in einem nationalen Strategierahmen umgesetzt werden müssen [Richtlinie 2014/94/EU]. In Deutschland wurde der Nationale Strategierahmen im November 2016 beschlossen. Darin werden der aktuelle Ausbaustand beschrieben sowie zentrale Zielsetzungen und Maßnahmen zum bedarfsgerechten Ausbau der Infrastruktur genannt [BMVI18r]. Zur Förderung des Aufbaus von Infrastruktur für alternative Kraftstoffe hat die Bundesregierung bis zum Jahr 2022 diverse Verordnungen, Strategien und Förderprogramme entwickelt. Hierzu zählen beispielsweise die Ladesäulenverordnung (LSV) und das Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP I & II), in dessen Rahmen bislang 95 Wasserstofftankstellen errichtet wurden [BMVI19bf]. Auch die Erneuerung der AFID wird im Rahmen des Fit-for-55-Paktes verhandelt [AgVe21a].

Die CVD legt verbindliche Mindestquoten für die Beschaffung emissionsarmer oder emissionsfreier Fahrzeuge bei der öffentlichen Auftragsvergabe fest. Die Vorgaben der Richtlinie gelten seit August 2021. So müssen zum Beispiel im Zeitraum bis Ende 2025 mindestens 45 Prozent der beschafften Busse im öffentlichen Personennahverkehr klimaneutrale Antriebsenergien verwenden. Die CVD wurde auf nationaler Ebene am 15. Juni 2021 mit Inkrafttreten des Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetzes (SaubFahrzeugBeschG) umgesetzt. Insgesamt sollen damit auf europäischer und nationaler Ebene der Markteintritt und -hochlauf alternativer Antriebstechnologien und -energien unterstützt werden [BMDV22k].
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Energiewende im Verkehr durch klimaneutrale Antriebsenergie (Stand des Wissens: 21.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?572442
Literatur
[AgVe21a] Agora Verkehrswende (Hrsg.) Fit for 55 für Verkehrs-Profis: Was die klimapolitischen Vorschläge der EU-Kommission für den Verkehrssektor bedeuten und wofür die neue Bundesregierung sich einsetzen sollte , 2021/10
[BMDV21f] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Klimaschutz im Verkehr - Alternative Kraftstoffe, 2021/10/27
[BMDV22k] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Gesetz über die Beschaffung sauberer Straßenfahrzeuge, 2022/10/31
[BMVI18r] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (Hrsg.) Die Mobilitäts- und Kraftstoffstrategie der Bundesregierung (MKS), 2018/08/07
[BMVI19bf] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (Hrsg.) Erster Bericht über die Umsetzung des nationalen Strategierahmens in Deutschland (AFID-Bericht), 2019/11/15
[EUK23] Europäische Kommission (Hrsg.) Renewable energy directive, 2023
[EUR22] Europäischer Rat (Hrsg.) Ein europäischer Grüner Deal, 2022/12/06
[Oek21] Oekom Verlag (Hrsg.) Umsetzung der RED II-Richtlinie in Deutschland, 2021/05
Rechtsvorschriften
[Richtlinie 2014/94/EU] Richtlinie 2014/94/EU
Glossar
CNG Compressed natural gas = komprimiertes Erdgas (CH4) wie es zum Beispiel in Fahrzeugen getankt werden kann. Durch die Kompression auf ca. 200 bar erhöht sich der Energiegehalt bezogen auf das Volumen und somit z.B. die Reichweite eines Fahrzeuges bei gleichem Tankvolumen.
LNG
Liquified natural gas = Flüssigerdgas (CH4) wie es zum Beispiel in Fahrzeugen getankt werden kann. Durch Abkühlen auf -164 Grad Celsius schrumpft das Volumen auf ein sechshundertstel des Normvolumens. Damit erhöht sich der Energiegehalt bezogen auf das Volumen und somit zum Beispiel die Reichweite eines Fahrzeuges bei gleichem Tankvolumen. Für die aufwendige Verflüssigung werden circa 10 bis 25 Prozent der im Erdgas gespeicherten Energie aufgewendet, daher findet man im Straßenverkehr hauptsächlich compressed natural gas = komprimiertes Erdgas (CNG).
Erneuerung Im Kontext der Straßenerhaltung bezeichnet der Begriff "Erneuerung" die vollständige Wiederherstellung einer Verkehrsflächenbefestigung oder von Teilen davon, sofern mehr als die Deckschicht betroffen ist. Bei der Bauwerkserhaltung beschreibt der Begriff den Ersatz von Bauteilen oder Bauteilgruppen.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
H2 Wasserstoff ("H2" = grch.-lat. für hydrogenium "Wassererzeuger") ist das chemische Element mit der Ordnungszahl 1. Wasserstoff stellt sowohl bezogen auf die Masse (75%) als auch bezogen auf die Zahl der Teilchen (91%) das häufigste aller im All vorkommenden Elemente dar. Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas welches in der Natur aufgrund der hohen Reaktivität nicht in seiner elementaren Form vorkommt. Wasserstoff liegt gebunden in Form von Erdöl und Erdgas, in Mineralien, in Biomasse, aber vorwiegend in Form von Wasser vor. Wasserstoff ist somit ein Sekundärenergieträger (Energiespeicher)und muss erst aus den oben genannten fossilen oder nicht fossilen Primärenergieträgern unter Einsatz von zusätzlicher Energie hergestellt werden.
Energiewende im Verkehr
Mit der Energiewende im Verkehr (auch Antriebswende genannt), soll der Endenergiebedarf des Verkehrssektors mit klimaneutraler Antriebsenergie gedeckt und die verwendeten Energien sparsam genutzt werden. Dementsprechend ist die Energiewende im Verkehr insbesondere eine technische Herausforderung, bei der die Verbrennung fossiler Energieträger im Straßen-, Schienen-, Luft- und Schiffsverkehr durch die Nutzung von erneuerbarem Strom, grünem Wasserstoff, Biokraftstoffen und strombasierten synthetischen Kraftstoffen ersetzt wird.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?572438

Gedruckt am Montag, 29. April 2024 16:11:15