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Implikationen und Handlungserfordernisse an die digitale Infrastruktur zur Unterstützung der physischen Mobilität durch virtuelle Informationsflüsse

Erstellt am: 16.06.2015 | Stand des Wissens: 05.09.2023
Synthesebericht gehört zu:

Vielfältige Anwendungen auf Basis von Informations- und Kommunikationssystemen unterstützen und steuern die physische Mobilität von Personen und Gütern mit virtuellen Informationsflüssen. Das heißt, neue Technologien dienen als Grundlage für intelligente Mobilitätsangebote. Voraussetzung ist die Erfassung, Vernetzung und das zeitkritische Bereitstellen qualitätsgesicherter Mobilitätsdaten.
Grundvoraussetzung ist der umfängliche Ausbau der Breitbandnetze im Mobilfunk und Festnetz entlang der Verkehrswege, um den wachsenden Erfordernissen der Mobilitätsanwendungen gerecht werden. Dies betrifft zum Beispiel die ständig steigenden Anforderungen der Fahrgäste während einer Reise an Echtzeitinformationen und -navigationen wie auch an Entertainmentdienste. Diese Dienste weisen nämlich sehr hohe Übertragungsraten beim Herunterladen und Einstellen von Daten auf. Zu beachten ist des Weiteren, dass Haltestellen und Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs mit Echtzeitinformationssystemen aufgerüstet werden. Dazu zählen beispielsweise dynamische Fahrgastinformationssysteme (DFI), die in Form von digitalen Anzeigetafeln an zentralen Verkehrsknotenpunkten, wie Haltestellen, Bahnhöfe und Flughäfen, aber auch in Verkehrsmitteln errichtet werden.
Mögliche Handlungsfelder zur Sicherstellung von Breitbandinfrastrukturen ergeben sich insbesondere im Hinblick auf, vergleiche [Bitk15a, Delo15, Berg13]:
  • die Nutzung der Rundfrequenzen für Mobilfunknetze ("digitale Dividende")
  • den forcierten Ausbau von Glasfasernetzen sowie den Ausbau der Digital Subscriber Line (DSL)-Technologie
  • verbesserte Modulationsverfahren in den Telekommunikationsnetzen
  • staatliche Förderungen in Regionen, deren Versorgung eine große Wirtschaftlichkeitslücke aufweist.
Die Landschaft an verfügbaren Datenformaten, Diensten und Prozessen für Mobilitätsdienstleistungen ist gegenwärtig sehr heterogen, da sie für einzelne Anwendungsszenarien, wie beispielsweise für elektronische Ticketlösungen, Navigationsdienste, Informationsdienste, kommunale Verkehrsmanagementlösungen, Carsharing- oder Bikesharing-Angebote, durch verschiedene Akteure vielfach als proprietäre Insellösungen entwickelt wurden. Eine Integration und Vernetzung dieser Anwendungen ist durch Standardisierungsprozesse für Datenaustauschverfahren und Schnittstellen voranzutreiben. Mit Blick auf die erforderliche internationale Vernetzung von Mobilitätsangeboten ist es von besonderer Bedeutung, an den europäischen Standardisierungsaktivitäten, wie der Normierung der Funktionen und Schnittstellen für Betriebssteuerungssysteme, elektronische Fahrkartensysteme (eTicket Systeme), Fahrgastinformationen und Car-to-X Kommunikation mitzuwirken. Dabei ist zu beachten, dass nicht nur entsprechende Schnittstellen für neue Systeme und Anwendungen bereitzustellen sind, sondern dass auch Bestandssysteme entsprechend ergänzt und integriert werden können.
Darüber hinaus sind zur Effizienzsteigerung in der Logistik Initiativen für einen einheitlichen Branchenstandard zur Entwicklung von Techniken zur automatischen Identifikation, sogenannte Auto-ID-Techniken, zu forcieren, um Ladungsträger automatisiert erkennen und effizient einsetzen zu können. Dies wiederum ermöglicht die Entwicklung kostengünstiger Module oder Geräte zur entsprechenden Ladungsträgerausstattung, vergleiche [NIT13].
Ein weiteres wichtiges Handlungsfeld ergibt sich aus der Forderung nach der Qualitätssicherung von Daten, da deren Aktualität beispielsweise oft sehr unterschiedlich ist und es derzeit keinen verbindlichen Rahmen gibt, welche Daten in welcher Güte angeboten werden können oder sollen. Das heißt, Qualitätskriterien sind zu bestimmen, auf deren Grundlage Daten unter Berücksichtigung von Metadaten zu beschreiben sowie bereitzustellen sind und Service Level Agreements (SLA) eingeführt werden können.
Bereits 2013 forderte der "Nationale Information Technology (IT) -Gipfel der Bundesregierung" die Schaffung und regulatorische Verankerung einer fachlich und technisch definierten deutschlandweiten Gesamtarchitektur für ein durchgängiges Mobilitätsmanagement, die als offene, modulare Dienstearchitektur eine transparente Nutzung digitaler Dienste durch Drittanwendungen ermöglicht. Hierzu gehört, dass einerseits Mindeststandards für die Datenlieferung aller Akteure festgelegt und andererseits Basisdatendienste entsprechend dieser definierten Liefer- und Leistungspflichten bereitgestellt werden, vergleiche [NIT13]. Hierzu ist zu prüfen, inwieweit die Freigabe und Bereitstellung der Daten der öffentlichen Hand, wie dies mit dem Open Data Ansatz des "Mobilitäts Daten Marktplatzes (MDM)" bereits initiiert wurde, weiter zu forcieren ist.
Gegenwärtig ist davon auszugehen, dass das Vertrauen in die Datensicherheit nur eingeschränkt vorhanden und die Nutzung und Weitergabe anonymisierter Daten wenig transparent ist. Insbesondere vor dem Hintergrund der Öffnung geschlossener Systeme für den Datenaustausch sind daher unter dem Stichwort Cybersecurity Aktivitäten zu implementieren, die sicherstellen, dass Unbefugte keinen Zugriff auf persönliche (auch mobilitätsbezogene) Daten erhalten. Hierzu sind Maßnahmen zu etablieren, die den Datenschutz kontrollierbar und dessen Nicht-Einhaltung sanktionierbar machen, indem entsprechende Protokollmechanismen eingeführt und durch unabhängige Instanzen überprüft und zertifiziert werden, vergleiche [InTN14].
Auf der technischen Ebene sind die Systeme so auszurüsten, dass Informationen unter der Beachtung von Priorisierungserfordernissen und Bandbreitenbedarf "geschützt" verarbeitet und transportiert werden können, vergleiche [UN12]. Darüber hinaus wurde 2014 vom "Nationalen IT Gipfel der Bundesregierung" gefordert, dass die in Europa entwickelten Datensicherheitstechnologien weiter zu fördern sind und der nationale und staatengemeinschaftliche Rechtsrahmen zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen ist, vergleiche [NaIT14]. Ziel ist es unter anderem, dass relevante Daten für das Verkehrsmanagement anonymisiert sind und die Übermittlung, Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten in einem rechtlich sicheren, nachvollziehbaren und prüfbaren Rahmen geschieht. Stand 2023, gibt es 18 Länder in der EU, die elektronische Identity Schema haben, die in anderen EU Ländern auch gelten, Ziel ist es, alle 27 EU Länder zu erreichen [EuCo].
Darüber hinaus sind vor dem Hintergrund der zunehmenden Automatisierung Haftungsfragen zu klären, wie sie beispielsweise bei Ausfall von Verkehrsverbindungen, falschen Informationsauskünften oder beim automatisierten Fahren auftreten können, vergleiche [NIT13].
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Verkehrssystemplanung, Prof. Dr.-Ing. Plank-Wiedenbeck
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Digitale Infrastrukturen für verkehrsspezifische Anwendungen (Stand des Wissens: 05.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?451631
Literatur
[EuCo] European Council (Hrsg.) Your life Online: How is the EU making it easier and safer for you?, 2023/08
[NaIT14] Nationaler IT Gipfel, Arbeitsgruppe 8 (Hrsg.) Anforderungen an die digitale Infrastruktur für intelligente Mobilität, 2014/10
Glossar
Bike Sharing Der Begriff Bike Sharing stammt aus dem Englischen und kann in etwa mit der Bedeutung „Fahrradverleih“ übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Fahrrädern, die in der Regel von Unternehmen, Kommunen oder Kommunalverbänden bereitgestellt werden. Die Fahrräder stehen an öffentlich zugänglichen Stellplätzen zur Verfügung. Die Fahrräder können dabei an einer Station ausgeliehen und an einer anderen zurückgegeben werden. Dieses System ist besonders für die kurzfristige Nutzung der gegen ein Entgelt zur Verfügung gestellten Räder im urbanen Raum ausgelegt. Das Ziel ist, dass die Fahrräder möglichst vielen Nutzern pro Tag zur Verfügung stehen. Daher ist meist die erste halbe Stunde des Verleihs besonders günstig. Für eine längere Leihperiode bieten reguläre Fahrradvermieter jedoch meist die besseren Angebote.
Car-to-X zusammenfassender Begriff für Technologien, die Fahrzeug-zu-Fahrzeug- (Car-to-Car) und Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation (Car-to-Infrastructure) ermöglichen.
DSL
Abkürzung für Digital Subscriber Line (digitaler Teilnehmeranschluss)
Unter DSL werden Übertragungsstandards verstanden, die über einfache Kupferleitungen hohe Übertragungsraten (bis zu 1.000 Megabit pro Sekunde) ermöglichen. In Deutschland war dies lange Zeit ein Synonym für einen Breitband-Internetzugang.
xDSL bedeutet die Zusammenfassung verschiedener DSL-Verfahren.
Von VDSL (Very High Speed Digital Subscriber Line) spricht man bei Hybridnetzen aus Glasfaser- und Kupferleitungen, wobei die Glasfaser möglichst nah an den Kunden herangeführt wird, um hohe Datenübertragungsraten zu erreichen.
Carsharing
Der Begriff CarSharing stammt aus dem Englischen (car= Auto, to share= teilen) und kann sinngemäß mit der Bedeutung "Auto teilen" übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen, die meist von Unternehmen gegen Gebühr bereitgestellt werden.
Durch einen Rahmenvertrag oder eine Vereinsmitgliedschaft erhalten Kunden flexiblen Zugriff auf alle Kfz eines Anbieters. Die Fahrzeuge können über eine Webseite oder über eine Smartphone-App gebucht werden. Geöffnet werden sie in der Regel mit Hilfe von Chipkarten oder durch einen über die Smartphone-App vermittelten Zugangscode .
Bei dem System des stationsbasierten CarSharing stehen die Fahrzeuge auf reservierten Stellplätzen und werden nach der Nutzung auch wieder dorthin zurückgebracht. Ein anderes Modell ist das free-floating CarSharing. Hier stehen die Fahrzeuge in einem definierten Operationsgebiert verteilt. Sie können per Smartphone geortet werden und nach der Nutzung auf einem beliebigen Stellplatz innerhalb des Operationsgebiets zurückgegeben werden.
Cyber-Security
Es steht die Sicherheit von Informationsnetzen im Vordergrund. Um die Risiken vor einem berechtigten Zugriff zu schützen, werden mithilfe von spezifischen Technologien und Sicherheitslösungen Anwendungen im Internet überwacht.
SLA
Service-Level-Agreements (SLA), zu Deutsch Dienstgütevereinbarung, sind , besonders in der Informationstechnik, Bestandteile von Dienstleistungsverträgen und legen fest, mit welcher Qualität ständige und wiederkehrende Services zu erbringen sind. Ein SLA umfasst unter anderem Angaben zum Leistungsspektrum, wie Zeit und Umfang, zur Verfügbarkeit sowie zur Reaktionszeit des Anbieters. Wird die Servicequalität nicht eingehalten, hat der Auftraggeber die Möglichkeit diese beim Dienstleister einzufordern beziehungsweise entschädigt zu werden.
Open Data
Unter Open Data werden zu Deutsch offene Daten, die  durch jedermann und für jegliche Zwecke genutzt, weiterverarbeitet und weiterverbreitet werden können. Im Verkehrsbereich wird das Open Data Konzept angewandt, um hochwertige aktuelle Informationen möglichst allen Verkehrsteilnehmern jederzeit zur Verfügung stellen. Beispielsweise werden Marktteilnehmern Baustelleninformationen über den Mobilitäts Daten Marktplatz zur Verfügung gestellt.
MDM Der MDM: Mobilitäts Daten Marktplatz ist ein zentrales Online-Portal, das Verkehrsdaten bereitgestellt, um damit durch den vereinfachten Datenaustausch mit Dritten sowie durch den Zugang für private Dienstleistungsanbieter neue Möglichkeiten im Bereich des Verkehrsmanagements und Serviceangebote zu ermöglichen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen ist im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums für den Betrieb dieser Austauschplattform zuständig.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?451358

Gedruckt am Freitag, 26. April 2024 12:09:35