Nationale Zugbeeinflussungssysteme der DB Netz AG
Erstellt am: 03.03.2003 | Stand des Wissens: 23.02.2017
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugsicherungssysteme dienen der sicheren und störungsfreien Abwicklung des Eisenbahnbetriebs. Da beim System Eisenbahn das Fahren auf Sicht aufgrund des langen Bremsweges nicht möglich ist, wird im festen Raumabstand gefahren; d. h. zwischen einem Zug und dem folgenden bedarf es bei Geschwindigkeiten bis 160 km/h eines freien Streckenabschnitts von mindestens 1.000 m Länge. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Zugfahrt von außen über Signalanlagen sowie fahrzeugseitige Systeme gesichert und ggf. beeinflusst werden. Bis 2001 existierten im bundeseigenen Schienennetz zwei Arten von Zugbeeinflussungssystemen, deren Aufgabe darin bestand, eine sicherheitsrelevante Nichtbefolgung von Signalbegriffen durch den Triebfahrzeugführer mit Hilfe technischer Vorkehrungen zu korrigieren: die punktförmige sowie die linienförmige oder auch kontinuierliche Zugbeeinflussung. Die Inbetriebnahme der Teststrecke des europäischen Zugbeeinflussungssystems (European Train Control System, ETCS) 2001 stellte den ersten Schritt zur Implementierung eines dritten Systems dar. Das ETCS soll in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere auf den Korridoren der Transeuropäischen Verkehrsnetze und auf Hochgeschwindigkeitsneubaustrecken vorangetrieben werden. [Pach08, S. 76 ff.; DBAG09q, S. 12 ff.; HoFr06, S. 157 ff.; DBAG12t, S. 32 ff.]
Bei dieser Methode passiert ein Zug, wenn er sich einem Halt zeigenden Signal nähert, drei Elektromagnete unterschiedlicher Frequenz, die im Gleis liegen. Nach dem Überfahren des ersten Magnets (1.000 Hz) muss der Triebfahrzeugführer innerhalb von 4 Sekunden eine Wachsamkeitstaste betätigen, andernfalls wird das Fahrzeug sofort bis zum Stillstand abgebremst. Dieser Magnet befindet sich auf Höhe des Vorsignals in 1.000 m Entfernung zum Hauptsignal. 250 Meter vor dem Halt zeigenden Signal befindet sich der zweite Magnet (500 Hz). An diesem Punkt muss das Fahrzeug schon eine bestimmte Geschwindigkeit erreicht haben, sonst erfolgt ebenfalls eine Zwangsbremsung. Modernere Fahrzeuge besitzen eine kontinuierliche Geschwindigkeitsüberwachung, die den Geschwindigkeitsverlauf zwischen dem 1000-Hz- und dem 500-Hz-Magnet kontrolliert. Am Halt zeigenden Hauptsignal ist der dritte Magnet (2.000 Hz) im Gleisbett angebracht, der wiederum eine Zwangsbremsung auslöst. Eine modifizierte Version der PZB ist das bei der DB AG verwendete System "PZB90" mit einer restriktiveren Geschwindigkeitsüberwachung und einigen Modifikationen zum vorzeitigen Beenden der Geschwindigkeitsüberwachung, wenn zwischenzeitlich der Haltbegriff aufgelöst wird. [Pach08, S. 76 ff.] Mit der Änderung der Eisenbahn-Bau und Betriebsordnung (EBO) Ende 2012 wurde die Ausrüstung aller Hauptstrecken mit einem Zugbeeinflussungssystem vorgeschrieben, das mindestens PZB90-Standards entspricht [Conr12, S. 71].
Linienförmige Zugbeeinflussung (LZB)
Ab Geschwindigkeiten über 160 km/h im Personenverkehr bzw. 120 km/h bei den im Vergleich zum Personenverkehr schwereren Güterzügen reichen die Vorsignalabstände des ortsfesten Signalsystems nicht mehr aus, um die vorgegebenen Bremswege bis zum Hauptsignal einzuhalten. Außerdem können Triebfahrzeugführer ab einer Geschwindigkeit von über 160 km/h die Signale nicht mehr sicher erkennen und schnell genug umsetzen [Krüg03, S. 27]. Anstelle von Signalen bzw. in Ergänzung dazu werden deshalb kontinuierliche Zugbeeinflussungssysteme zur Übertragung von Informationen vom Fahrweg zum Fahrzeug eingesetzt.
Die LZB ermöglicht eine kontinuierliche Erfassung der Zuggeschwindigkeit sowie eine Ortung der Fahrzeuge. Sie realisiert damit eine kontinuierliche Zugsteuerung und -überwachung. Die LZB besteht in Deutschland streckenseitig aus zwei Kupferkabeln (Kabel-Linienleiter), die in der Gleismitte und am Schienenfuß verlegt sind (Abbildung 1). Sie wechseln alle 100 Meter und kreuzen sich beim sog. 100-m-Punkt. [DBAG09q, S. 15]

Von einer Steuerstelle aus (meistens in einem Stellwerk) wird ein 10 bis 12 km langer Gleisabschnitt eingespeist [HoFr06, S. 167]. Auf französischen Hochgeschwindigkeitsstrecken werden die Schienen zur Informationsübertragung genutzt, was deutliche Unterschiede im Überwachungsprinzip zur Folge hat (Schienen-Linienleiter) [Pach00, S. 728]. Die Signalisierung erfolgt direkt auf dem Führerstand des Fahrzeugs (Führerstandssignalisierung). Dem Triebfahrzeugführer werden die augenblickliche Soll-, Ist- und Zielgeschwindigkeit sowie Zielentfernungen angezeigt. Bei Überschreitung der Sollgeschwindigkeit wird nach vorheriger Warnung eine Zwangsbremsung eingeleitet (Näheres zur LZB-Fahrzeugeinrichtung siehe [HoFr06, S. 167 ff.]).
Alternativ zur Handsteuerung kann über die Automatische Fahr- und Bremssteuerung (AFB) ein vollautomatischer Fahrbetrieb nach den Geschwindigkeitsvorgaben der LZB geleistet werden [Pach00, S. 728; FeNa03, S. 432 ff.]. Die Signale am Fahrweg oder die Geschwindigkeitsangaben im Buchfahrplan sind sekundär und dienen als Rückfallebene bei Störungen im System. Um der Gefahr von unbemerkten Zugtrennungen entgegenzuwirken, wird auf Blockteilung und Gleisfreimeldeeinrichtungen nicht verzichtet. Die linienförmige Zugbeeinflussung ermöglicht jedoch eine feinere Aufteilung der Strecke in Blockabschnitte. Diese neuen LZB-Blockabschnitte sind durch LZB-Blockkennzeichen markiert. Nur Gefahrenpunkte wie Weichen werden in Deutschland noch durch konventionelle Signalisierungen gesichert. Sie fungieren als Rückfallebene bei Ausfall der LZB und für nicht LZB-geführte Züge auf dieser Strecke. [Pach00, S. 728; FeNa03, S. 432 ff.; ReRi08 , S. 173 ff.] Auf den "artreinen" Personenhochgeschwindigkeitsstrecken in Frankreich wird hingegen auf feste Signale gänzlich verzichtet [BMBF03, S. 55 f.; Pach00, S. 726].
Die LZB-Blockabschnitte auf Neubaustrecken für den Hochgeschwindigkeits-Personenverkehr haben in der Regel eine Länge von 3 km. Dies entspricht dem Bremsweg bei einer Geschwindigkeit von 250 km/h. Für Strecken mit Mischverkehrsbelegung durch Personen- und Güterzüge werden kürzere Blockabschnitte von in der Regel einem Kilometer genutzt. Bei Ausbaustrecken mit vorhandener, dichterer Blockteilung werden meist die kürzeren Blockabschnitte eingesetzt [BMBF03, S. 56].