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Häfen der kontinentalen Ostseeküste

Erstellt am: 29.08.2007 | Stand des Wissens: 18.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Die Südküste der Ostsee ist überwiegend Ausgleichküste, die meisten Häfen sind Flussmündungshäfen.
Die größten polnischen Häfen (2021) sind Gdansk mit 53,2 Millionen Tonnen Umschlag, Szczecin/Swinoujscie (Stettin-Swinemünde) mit 33,2 Millionen Tonnen Umschlag und Gdynia mit 26,6 Millionen Tonnen Umschlag [BaP21, S. 3]. Sie sind nach dem Landlord-Modell organisiert, bei dem Infrastrukturvorhaltung und Hafenumschlag getrennt sind, letzterer wird von privaten Umschlagunternehmen ausgeführt, zum Teil noch von privatrechtlich organisierten Unternehmen in Staatsbesitz, die aber auch privatisiert werden sollen.
Das Verhältnis zwischen den polnischen Häfen ist durch einen ausgeprägten Wettbewerb gekennzeichnet, einerseits auf der Ebene zwischen den Agglomerationen um Szczecin und Gdansk-Gdynia, zum anderen aber auch zwischen den Häfen Gdansk und Gdynia, für die gesonderte Hafenverwaltungen bestehen. Alle Häfen sind Universalhäfen und schlagen im Bereich der trockenen Güter die gesamte für den polnischen Seeverkehr charakteristische Güterpalette um. Auch in ihren Planungen verfolgen sie ähnliche Entwicklungsrichtungen [ISL03, S.136f.]. Der Containerumschlag der drei größten polnischen Meereshäfen hat im Jahr 2021 rund 3,19 Millionen TEU ausgemacht, ein Anteil von 11 Prozent am Gesamtumschlag der Ostsee [BaP21, S.4]. Im Hafen von Gdanks (Danzig) wurde 2016 eine zweite Kaianlage eröffnet, im Hafen von Gdynia (Gdingen) konzentriert man sich auf den Intermodalverkehr und den Ausbau von Verladekapazitäten. Im Hafen von Swzcezcin/Swinoujscie wird seit Mitte 2015 ein Terminal für Flüssiggas (LNG) installiert, der Frachtern als Tankstation dienen soll [GRaI15].
Klaipeda ist der einzige Seehafen Litauens. Daneben besteht das 30 Kilometer nördlich gelegene Off-Shore-Ölverladeterminal Butinge. In der Gutartenstruktur dominieren Rohöl im Transit aus Russland und Mineralölprodukte aus der örtlichen Raffinerie. Traditionell laufen umfangreiche Metallexporte aus russischen, kasachischen und ukrainischen Stahlwerken über Klaipeda. Die Hafeninfrastruktur ist Staatseigentum, der Betrieb erfolgt durch private Unternehmen. Im Jahr 2021 wurden in Klaipeda 45,6 Millionen Tonnen umgeschlagen, dazu zählen 666.775 TEU [IHKSH20, S.9-11].
Haupthäfen Lettlands sind Ventspils und Riga. Ventspils ist direkt mit dem russischen Pipelinenetz verbunden, schlägt aber auch andere Güter um. Riga ist ein Universalhafen mit einem traditionell hohen Stückgutumschlag. 2021 wurden dort 21,5 Millionen Tonnen und 415.644 TEU umgeschlagen [BaP21, S.4]. Die Häfen sind Landlord-Häfen mit staatlichem Eigentum der Infrastruktur. Alle drei sind Sonderwirtschaftszonen.
In Estland wickelt der staatliche Hafen Tallinn als integrierter Hafen mit seinen fünf räumlich getrennten Teilhäfen den größten Teil des Seeverkehrs ab. Hauptgutarten sind flüssige und trockene Massengüter. Tallinn hat sich zu einem wichtigen, schnell wachsenden Fährhafen im Verkehr mit Finnland und Schweden entwickelt. 2020 wurden in Tallinn 21,3 Millionen Tonnen umgeschlagen. Ebenfalls besuchen über 4,3 Millionen Passagiere von RoRo- und Fährschiffen den Hafen [IHKSH20, S.9-12].
Für die großen Häfen der baltischen Länder und Finnlands ist der russische Transit oftmals die entscheidende Ladungskomponente. Um eine schnelle Verbindung zwischen Mitteleuropa und den baltischen Ländern bis nach Finnland zu schaffen, ist das EU-Förderprojekt Rail Baltica geplant. Eine Bahntrasse soll die Hauptstädte miteinander verbinden. Derzeit befindet sich das Projekt in der Bauphase und soll voraussichtlich 2026 fertiggestellt werden [RB20].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maritimer Ostseeverkehr (Stand des Wissens: 18.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?408577
Literatur
[BaP21] Actia Forum (Hrsg.) Cargo throughput in Top 10 Baltic ports in 2021
, 2022/01/01
[GRaI15] Germany Trade and Invest (Hrsg.) Polens Meereshäfen steigern ihren Güterumschlag, 2015/01/23
[IHKSH20] IHK Schleswig-Holstein (Hrsg.) Verkehrsmarkt Ostsee: Aktuelle Zahlen und Daten für die Ostseeregion - Stukturdaten 2020, 2020
[ISL03] o.A. Die Wettbewerbsentwicklung und Kooperationsmöglichkeiten der deutschen Seehäfen im Verhältnis zu den Seehäfen der anderen Anliegerstaaten im Verkehrsraum Ostsee, Bremen, 2003/01
[RB20] RB Rail AS (Hrsg.) Things you didn't know about Rail Baltica!, 2020
Weiterführende Literatur
[CMS09] Särkijärvi, J., Stenberg, J., Tuomarmäki, H., Saurama, A. Baltic Port List , Turku, 2009, ISBN/ISSN 978-951-29-4079-0
[BöBrWe07] Böwe, Ch., Breitzmann, Karl-Heinz, Prof. Dr., Wenske, Christian, Dr. Der Seeverkehr Russlands - Struktur, Dynamik und Wachstumstriebkräfte, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage Nr.11, DVV Media Group, 2007, ISBN/ISSN 0020-9511
[Arnd08] Arndt, E.-H. Häfen des Baltikums haben ehrgeizige Wachstumspläne, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage Nr. 1+2, DVV Media Group, 2008, ISBN/ISSN 0020-9511
Glossar
Twenty-foot equivalent unit Zwanzig-Fuß-Äquivalente-Einheit (Twenty-foot Equivalent Unit). Eine statistische Hilfsgröße auf der Basis eines 20-Fuß-ISO-Containers (6,10 m Länge) zur Beschreibung von Verkehrsströmen oder -kapazitäten. Ein genormter 40'-ISO-Container der Reihe 1 entspricht 2 TEUs.
LNG
Liquified natural gas = Flüssigerdgas (CH4) wie es zum Beispiel in Fahrzeugen getankt werden kann. Durch Abkühlen auf -164 Grad Celsius schrumpft das Volumen auf ein sechshundertstel des Normvolumens. Damit erhöht sich der Energiegehalt bezogen auf das Volumen und somit zum Beispiel die Reichweite eines Fahrzeuges bei gleichem Tankvolumen. Für die aufwendige Verflüssigung werden circa 10 bis 25 Prozent der im Erdgas gespeicherten Energie aufgewendet, daher findet man im Straßenverkehr hauptsächlich compressed natural gas = komprimiertes Erdgas (CNG).
LPG = Liquified Petroleum Gas. Flüssiggas (Propan, Butan und deren Gemische) ist ein Kohlenwasserstoff, der unter relativ geringem Druck verflüssigt und dann nur etwa 1/260 seines gasförmigen Volumens einnimmt.
Universalhafen
Hafen, der nicht auf eine Umschlagsgutart spezialisiert ist. Neben z.B. dem Containerumschlag können in einem Universalhafen auch Saug-, Flüssig-, Greif- und Schüttgüter sowie Projektladung verladen werden. Ein Beispiel für einen Universalhafen ist der Hamburger Hafen.
Rollende Landstraße
Die Rollende Landstraße (RoLa) ist ein Produkt im Bereich des Schienengüterverkehrs. Sie stellt eine spezifische Form des begleiteten Kombinierten Verkehrs dar. Dabei werden Lastkraftwagen bzw. Sattelzüge mit Hilfe der Roll-On/Roll-Off-Technik auf einen Güterzug aus durchgehenden Niederflurwagen verladen und über eine bestimmte Strecke transportiert. Die Fahrer begleiten ihre Fahrzeuge i. d. R. in einem mitgeführten Reisezugwagen. In Europa wird die RoLa z. B. für alpenquerende Verkehre angeboten. Sie kann eine betriebswirtschaftliche und/oder ökologische Alternative zum Straßengütertransport sein.
Ro/Ro Abkürzung für "Roll on/Roll off" - beschreibt im Seeverkehr den rollenden Ladungsumschlag über schiffseigene und/oder landseitige Rampen; im Kombinierten Verkehr die horizontale Verladung rollender oder rollbar gemachter Ladeeinheiten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?234939

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 13:07:51