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Verbesserung der Kooperation zwischen den Akteuren

Erstellt am: 06.09.2023 | Stand des Wissens: 06.09.2023
Synthesebericht gehört zu:

Touristische Mobilität ist eine Aufgabe, die nicht von einzelnen Akteuren allein bewerkstelligt werden kann. Es bedarf der Mitwirkung einer Vielzahl an Beteiligten aus unterschiedlichen Bereichen und Ebenen über administrative Grenzen hinweg. Aufgabe aller relevanten Akteure aus Politik, Tourismus und Verkehr ist es, die unterschiedlichen Motivationen offen auszutauschen, die jeweiligen Bedarfe und Rahmenbedingungen wahrzunehmen und im Sinne einer gemeinsamen Zielrichtung abzugleichen [DWIF20].
Das Miteinander von Verantwortlichen der Bereiche Tourismus und Verkehr würde erleichtert, wenn die jeweiligen Strukturen auch für die jeweils Außenstehenden transparenter werden. Dazu könnte ein Leitfaden oder eine Webseite dienen, die alle für den öffentlichen Verkehr (ÖV) relevanten Institutionen in ihren Zuständigkeitsbereichen verortet und auch die Abteilungen der Ministerien in Bund und Ländern, ihre Aufgabenbereiche und Kontaktpersonen mit abbildet. So finden touristische Akteure einfacher die richtigen Ansprechpersonen. Die für Fragen des Tourismus zuständigen Ministerien in den Bundesländern, die Landestourismusverbände oder die Industrie- und Handelskammer (IHK) könnten auf ihren Webseiten über die Strukturen der Tourismusdestinationen in ihrem jeweiligen Bundesland informieren. [UBA19)
Bundesweit einheitliche Standards für die Erreichbarkeit von Zielen mit dem ÖV fehlen, insbesondere für touristische Regionen im ländlichen Raum. Jede Kommune entscheidet eigenständig, welches ÖPNV-Angebot sie finanzieren möchte. Dies hängt immer von den zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln und Fördermöglichkeiten ab. Mit verlässlichen übergeordneten Standards lässt sich eine selbstverständliche Nutzung von ÖV-Angeboten fördern. Zusammen mit dem notwendigen gestalterischen Freiraum zur Berücksichtigung regionaler Spezifika könnte ein qualitativ hochwertiges und für die Region passendes Angebot geschaffen werden [UBA19v]. Dazu ist eine detaillierte Analyse der Angebote und der touristischen Nachfrage vor Ort notwendig. Das sollte selbstverständlich in Zusammenarbeit von Verkehrsunternehmen oder Aufgabenträgern, Tourismusverbänden und anbietern touristischer Leistungen geschehen. Die je nach Region vorherrschenden Freizeit- und Ausflugsgestaltungen und die daraus abzuleitenden Verkehrsnachfragen sind in die Angebotsplanung einzubeziehen und zeitliche Zwänge von Touristen durch Beherbergungsbetriebe und gastronomische Einrichtungen sind zu beachten. [FGSV21].
Durch eine enge Zusammenarbeit mit touristischen Einrichtungen und gemeinsames Marketing können Fahrgastpotenziale im Freizeitverkehr ausgeschöpft werden. So verstärkte das Verkehrsunternehmen Wartburgmobil (VUW) seine Zusammenarbeit mit der Eisenach-Wartburgregion Touristik GmbH. Die gemeinsame und intensive Bewerbung eines Ausflugsziels auch in den sozialen Medien brachte im Sommer 2020 einen außergewöhnlich großen Erfolg im Hinblick auf die Steigerung der Fahrgastzahlen [DNV21a].
Die steigende Nachfrage nach Fahrten- und Tarifangeboten im Freizeitverkehr ist nicht immer nur seitens der Fahrgäste, sondern in hohem Maße auch bei Gebietskörperschaften, Fremdenverkehrsträgern und der Gastronomie vorhanden. 2016 beabsichtigte der Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN), für geeignete Freizeitziele Angebote auf den Schienenstrecken gemeinsam mit Freizeitaktivitäten im Einzugsbereich der Bahnlinien zu vermarkten und mit Bus-Zu- und Abbringerfahrten zu ergänzen. Bestehende Fahrtenangebote wurden angepasst und wo nötig um zusätzliche Fahrten erweitert. Schließlich wurde das Liniennetz durch spezielle Freizeitlinien erweitert. Zur Vermarktung wurden die Fahrpläne der 23 Freizeitlinien in zehn Prospekten zusammengefasst und mit Informationen zu Wandertouren, gastronomischen Tipps und Hinweisen auf Sehenswertes vervollständigt. Die jährliche Auflage von einer halben Million Exemplaren sowie zusätzliche Flyer und ihre Verteilung in Kundenbüros oder lokalen Tourismusbüros, auf Messen und bei Großveranstaltungen sowie als kostenloser Versand über die VGN-Homepage stößt bei den Fahrgästen auf großes Interesse und führte zu steigenden Fahrgastzahlen [Bur2016]. Das Angebot wird weiterhin kontinuierlich ausgebaut und besaß im Jahr 2021 mittlerweile 29 Freizeitlinien [VGN21].
Gemeinsame Marketing- und Kommunikationsstrategien zwischen dem Verkehrs- und Tourismusbereich tragen dazu bei, den öffentlichen Verkehr als attraktive Option für Touristen zu positionieren und dessen Nutzung zu erhöhen [LoMe13]. Dazu gehört, bei der Buchung von Unterkünften die An- und Abreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln schnell auffindbar zu bewerben [VCD15a].
Für Großveranstaltungen wie Konzerte, Sportereignisse, Jahrmärkte, Stadtfeste, Weihnachtsmärkte und Feste in Dörfern ist eine Kooperation zwischen Veranstaltern und Verkehrsbetrieben erforderlich. Eine Verdichtung des Taktes bei absehbaren Fahrgastzuwächsen, die Planung von Sonderlinien und die Bevorrechtigung öffentlicher Verkehrsmittel ermöglicht ein attraktives Verkehrsangebot. Ist zusätzlich dazu in Eintrittskarten für kulturelle oder sportliche Veranstaltungen die Hin- und Rückfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln inkludiert, motiviert das viele Freizeitsuchende, auf die Nutzung des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) zu verzichten. Für ländliche Regionen könnte ein Shuttle zwischen dem nächsten Bahnhof oder der nächsten Haltestelle einer hochwertigen Busverbindung und der Veranstaltung die Versorgungslücke schließen.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Verbesserte Integration des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des öffentlichen Verkehrs in Deutschland (Stand des Wissens: 07.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?575311
Literatur
[DNV21a] Schauerte, Horst Gutes Angebot gegen den Fahrgastrückgang, veröffentlicht in DER NAHVERKEHR, Ausgabe/Auflage 9/2021, DVV Media, Hamburg, 2021/09
[DWIF20] Kersten, Isabel, Pinnow, Diana Touristische Mobilität im ländlichen Raum, Ausgabe/Auflage Themenpapier 78/2020, dwif-Consulting GmbH, Berlin, 2020
[FGSV21] Hinweise zur Berücksichtigung des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des ÖPNV, FGSV, Köln, 2021/03
[LoMe13] Lorenz, Andreas, Melzer, Hagen Kurzreport Mobilität, veröffentlicht in Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen, Ausgabe/Auflage Band 2, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Berlin, 2013
[UBA19v] Nachhaltige Reisemobilität, Ausgabe/Auflage Dokumentationen 05/2019, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 2019/05
[VCD15a] Fehmel, Anna, Hauck, Rainer Angebote für eine klimaverträgliche Urlaubsmobilität 60+ (Empfehlungen für Beherbergungsbetriebe)
, Verkehrsclub Deutschland (VCD) e. V., Berlin, 2015/08
[VGN21] VGN Zahlen. Daten. Fakten. 2021, Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN), Nürnberg, 2021
Glossar
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Industrie- und Handelskammer (IHK) Die Industrie- und Handelskammern sind Körperschaften öffentlichen Rechts. Mit Ausnahme des Handwerks (Handwerkskammern), sind sie als regionale Selbstverwaltungsorganisationen mit Pflichtmitgliedschaften aller gewerblicher Unternehmen des jeweiligen Kammerbezirks organisiert. Die IHK haben die Aufgabe das Gesamtinteresse ihrer Mitglieder wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen (Gesetz zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern vom 18.12.1956). Die 83 deutschen IHK sind bundesweit im Deutschen Industrie- und Handelstag (DIHT) zusammengeschlossen. Sie können Anlagen und Einrichtungen, die der Förderung der gewerblichen Wirtschaft dienen, begründen und unterhalten; außerdem können sie Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen und gewerblichen Berufsausbildung treffen (sie führen die Lehrlingsrolle für kaufmännische und gewerbliche Lehrlinge und nehmen in diesem Bereich die Lehrabschlussprüfungen ab). Ihnen obliegt die Ausstellung von Ursprungszeugnissen und anderen dem Wirtschaftsverkehr dienenden Bescheinigungen.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?575241

Gedruckt am Montag, 29. April 2024 11:05:58