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Infrastrukturgestaltung

Erstellt am: 06.09.2023 | Stand des Wissens: 06.09.2023
Synthesebericht gehört zu:

Zum Erreichen der Klima- und Umweltschutzziele ist auch im Freizeitbereich die Verlagerung der Verkehrsströme auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel entscheidend. Dazu muss die zugehörige Infrastruktur besser auf Freizeitziele zugeschnitten werden [DNV21b].
Bei der Planung neuer Freizeitaktivitäten sollte zuallererst auf einen zweckmäßigen Standort im Netz des öffentlichen Verkehrs geachtet werden. Danach ist der Zugang zur Freizeiteinrichtung so zu platzieren, dass Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel einen kürzeren Zugangsweg als Anreisende mit motorisierten individuellen Verkehrsmitteln (MIV) haben. Erforderlichenfalls kann das auch durch einen zusätzlichen Halt der öffentlichen Verkehrsmittel ermöglicht werden. Im Interesse durchfahrender Fahrgäste sollte aber auf größere Umwege verzichtet werden.
Führt an der geplanten Attraktion eine Eisenbahnstrecke entlang, ist die Einrichtung eines neuen Haltepunktes sinnvoll, um Besucherströme besser bewältigen zu können. [SZHo23] Bei Veränderungen von Eisenbahnangeboten ist aber ein großer Planungs- und Investitionsvorlauf und eine vorausschauende Bestellung zusätzlicher Leistungen erforderlich. Grundsätzlich gibt es auch die Möglichkeit, Sonderzüge zusätzlich zum bestehenden Angebot oder auf Strecken ohne planmäßigen Reiseverkehr einzusetzen [FGSV21].
Zur Attraktivitätssteigerung und barrierefreien Gestaltung setzt das Bundesverkehrsministerium mit der DB Station&Service AG bis 2030 das 1000-Bahnhöfe-Programm und das BahnhofskonzeptPlus um. Damit sollen insgesamt deutlich mehr als 1000 Personenbahnhöfe im gesamten Bundesgebiet auch für Reisende und Urlaubsgäste attraktiver gemacht werden [BMWK22h].
Bahnhöfe und Haltestellen sollten nicht nur in der Nähe touristischer Ziele liegen, sondern auch einen Namen besitzen, der Ortsunkundigen die Orientierung erleichtert. Bei Haltestellen an Busbahnhöfen mit mehreren Halteplätzen oder großen Umsteigepunkten mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln ist ein unkomplizierter und schneller Ein- und Umstieg durch eine zielführende Wegbeschreibung und eine eindeutige Kennzeichnung der einzelnen Einstiegsstellen zu gewährleisten. Dabei ist die Verwendung von Piktogrammen sinnvoll, möglicherweise auch eine stilisierte Darstellung markanter Reiseziele. Hinweise zu entsprechenden Umsteigeverbindungen können schon im Zubringerverkehrsmittel durch Anzeigen oder Ansagen gegeben werden.
Alle Zugangsstellen sollten möglichst ohne Umwege erreichbar, gut ausgeschildert, sicher und barrierefrei sein. Eine angenehme Aufenthaltsatmosphäre auf Bahnhöfen und an Haltestellen mit Sitz- und Unterstellmöglichkeiten in den Wartebereichen fördert die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs. Je besser touristische Ziele oder Freizeiteinrichtungen an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden sind, desto mehr Personen werden öffentliche Verkehrsmittel nutzen [mobX18].
Bei der Einrichtung von Haltestellen an touristischen Zielen ist darauf zu achten, dass die An- und Abfahrt der öffentlichen Verkehrsmittel nicht durch den übrigen individuellen Verkehr behindert wird. Das gilt vor allem für die auf einen kurzen Zeitraum konzentrierte An- und Abreise von Personen, beispielsweise vor und nach Großveranstaltungen. Ist es nicht möglich, eine ungehinderte An- und Abfahrt baulich zu gewährleisten, sollte der Verkehrsfluss des MIV durch eine Lichtsignalanlage kurz unterbrochen werden, nachdem die Türen des öffentlichen Verkehrsmittels geschlossen wurden. Damit werden ÖV-An- und Abreisende nicht schlechter gestellt als Pkw-Nutzende.
Für eine nachhaltige Entwicklung des Tourismus sind neben der weiteren infrastrukturellen Verbesserung der Angebote im öffentlichen Verkehr auch Maßnahmen zur Nutzungseinschränkung von Pkw als Push-Faktoren möglich. Diese reichen von der Schaffung autofreier Zonen in Stadtzentren über die Nutzung von Straßen ausschließlich für Busse beispielsweise an Zufahrten in Nationalparks bis hin zu Veränderungen in der Parkraumbewirtschaftung in Form von Parkplatzverknappung oder Preisanhebungen. So kann in sensiblen Naturräumen oder Stadtzentren die Pkw-Nutzung als weniger attraktiv empfunden werden, wenn stattdessen als Alternative attraktive ÖPNV-Angebote geschaffen werden. Deshalb ist eine funktionierende Infrastruktur entscheidend für die Attraktivität einer Region [KePi20].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Verbesserte Integration des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des öffentlichen Verkehrs in Deutschland (Stand des Wissens: 07.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?575311
Literatur
[BMWK22h] Nachhaltigen Tourismus wettbewerbsfähig gestalten, veröffentlicht in Nationale Tourismusstrategie - Arbeitsprogramm der Bundesregierung, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Berlin, 2022/09
[DNV21b] Klimaziele: Der öffentliche Verkehr ist Teil der Lösung!, veröffentlicht in DER NAHVERKEHR, Ausgabe/Auflage 4/2021, DVV Media, Hamburg, 2021/04
[FGSV21] Hinweise zur Berücksichtigung des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des ÖPNV, FGSV, Köln, 2021/03
[KePi20] Kersten, Isabel, Pinnow, Diana Touristische Mobilität im ländlichen Raum, veröffentlicht in Thesenpapier 78/2020, dwif-Consulting GmbH, Berlin, 2020
[mobX18] Themendossier 6: Freizeitmobilität, veröffentlicht in Mobilität in der Schweiz, mobXpert, Schweiz, 2018/02
[SZHo23] Hojer, Jens Ein eigener Bahnhof für Karl Erlebnis-Dorf?, veröffentlicht in Sächsische Zeitung, Ausgabe/Auflage 21.02.2023, DDV Mediengruppe GmbH & Co. KG, Dresden, 2023/02/21
Glossar
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Verkehrsfluss
Unter Verkehrsfluss versteht man die Anzahl der Fahrzeuge, die eine vordefinierte Verkehrs(quer)fläche pro Zeiteinheit durchfährt.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?575198

Gedruckt am Samstag, 27. April 2024 21:35:23