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Aufgabenträger, Verkehrsunternehmen und Verbünde

Erstellt am: 06.09.2023 | Stand des Wissens: 06.09.2023
Synthesebericht gehört zu:

Für die Akteure des öffentlichen Personenverkehrs ist die wachsende Bedeutung des Freizeitverkehrs von hoher Relevanz. Allerdings sind ihre Zuständigkeiten unterschiedlich verteilt.
Aufgabenträgern obliegt vor allem die Entwicklung von Nahverkehrsplänen, deren Gewährleistung mit Hilfe von Vergabeverfahren und Verträgen oder Dienstleistungsaufträgen an Verkehrsunternehmen und die Sicherstellung der Finanzierung öffentlicher Linienverkehre. Für den straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr sind in dieser Funktion Landkreise und kreisfreie Städte zuständig. Beim Schienenpersonennahverkehr (SPNV) liegt die Verantwortung bei den Landesebenen, die sie jedoch meist an Landesgesellschaften, Verbünde und Zweckverbände delegieren [FGSV21]. Leistungen im Personenfernverkehr werden in Deutschland demgegenüber eigenwirtschaftlich erbracht.
Verkehrsunternehmen gestalten die Planungen der Verkehrsträger aus und setzen sie in konkrete Fahrpläne, Tarife und Servicestrukturen um. Je nachdem, ob es sich um Unternehmen handelt, die ihre Genehmigungen und Aufträge über einen Wettbewerb per Direktvergabe oder nach Abgabe eines eigenwirtschaftlichen Angebots erhalten haben, können die Arbeitsstrukturen und Zuständigkeiten variieren. Eine gesonderte Rolle nehmen Verkehrsverbünde und Verkehrsgemeinschaften ein. Es gibt solche, die eher Aufgabenträgerfunktionen bündeln, aber auch jene, die überwiegend als Zusammenschluss von Verkehrsunternehmen agieren [FGSV21].
Die folgende Grafik fasst das Aufgabenspektrum von und die Wechselwirkungen zwischen Aufgabenträgern, Verbünden und Verkehrsunternehmen zusammen:
Abb. 1: Organisationsstrukturen im ÖPNV, nach [FGSV21]
Ziel der Aufgabenträger ist, den öffentlichen Verkehr für alle Nutzer und Nutzerinnen bezahlbar und so attraktiv wie möglich zu gestalten. Defizite bestehent vor allem im Verwaltungsgrenzen überschreitenden Verkehr. Landkreis- und Bundeslandgrenzen markieren meist auch die Grenzen öffentlicher Verkehrsträger. Damit sind die Netze und Fahrtakte der einzelnen Verkehrsverbünde oft nicht aufeinander abgestimmt und ermöglichen keine Anschlussbeziehungen. Das schränkt nicht nur die touristische Bewegungsfreiheit ein [LoMe13].
Verkehrsverbünde arbeiten mit Verkehrsunternehmen und Aufgabenträgern zusammen, um attraktive Angebote zu schaffen und den Verkehr zu optimieren. In diesem Rahmen haben sie eine koordinierte und effiziente Verkehrsplanung auch für den Freizeitverkehr sicherzustellen.
Aufgabe der Verkehrsunternehmen ist es, die Bedarfe ihrer Fahrgäste zu decken, um die Auslastung der Verkehrsmittel und damit die Effizienz des Betriebs zu erhöhen [FGSV21]. Eine Erhöhung der Verkehrsleistungen im ländlichen Raum außerhalb des Schüler- und Berufsverkehrs sowie an Wochenenden würde es Reisenden ermöglichen, touristische Ziele mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Häufig fehlt jedoch für eine Ausweitung der Angebote im öffentlichen Nahverkehr (ÖV) die Argumentationsgrundlage. Solange Tourismusorganisationen auf regionaler Ebene ungedeckte Bedarfe für höhere Verkehrsleistungen nicht nachweisen oder zumindest abschätzen und damit nicht quantifizieren können, sind ÖPNV-Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen schwer von der Schaffung eines besseren Angebots zu überzeugen. [UBA19v]. Beide sollten nach Abwägung ihrer Belange und Ziele noch stärker konkrete Angebote oder zusätzliche Beförderungskapazitäten für die touristische Mobilität vor Ort initiieren, planen und konzipieren, auch wenn die Chancen auf die Erzielung nennenswerter Deckungsbeiträge oder gar Gewinne nicht allzu groß sind [DWIF17].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Verbesserte Integration des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des öffentlichen Verkehrs in Deutschland (Stand des Wissens: 07.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?575311
Literatur
[DWIF17] Nachhaltige Mobilitätskonzepte für Touristen im öffentlichen Verkehr mit Fokus auf Regionen im Bereich von Großschutzgebieten
, dwif, München, 2017
[FGSV21] Hinweise zur Berücksichtigung des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des ÖPNV, FGSV, Köln, 2021/03
[LoMe13] Lorenz, Andreas, Melzer, Hagen Kurzreport Mobilität, veröffentlicht in Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen, Ausgabe/Auflage Band 2, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi), Berlin, 2013
[UBA19v] Nachhaltige Reisemobilität, Ausgabe/Auflage Dokumentationen 05/2019, Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 2019/05
Glossar
Aufgabenträger
Aufgabenträger bestellen bei den Verkehrsunternehmen die im Rahmen der Daseinsvorsorge gewünschten Nahverkehrsleistungen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und dem straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Im SPNV sind seit Bahnreform und ÖPNV-Regionalisierung im Jahr 1995/96 anstelle des Bundes die Länder für die Planung, Organisierung und Finanzierung verantwortlich. In einigen Ländern sind die Aufgabenträger für das gesamte Land zuständig, wie in Bayern, in anderen betreuen sie regional abgegrenzte Gebiete, wie in Nordrhein-Westfalen. Teilweise wird die Aufgabenträgerschaft den Verkehrsverbünden zugewiesen, wie in Hessen.
Die Aufgabenträgerfunktion für den straßengebundenen ÖPNV ist den Landkreisen oder kreisfreien Städten zugeordnet.
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?575118

Gedruckt am Montag, 29. April 2024 01:06:10