Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Potenzialabschätzungen und bisherige Erfahrungen zur gewerblichen Nutzung von Lastenrädern im Realbetrieb

Erstellt am: 30.06.2023 | Stand des Wissens: 05.07.2023
Synthesebericht gehört zu:

Im Jahr 2021 wurde abgeschätzt, dass der internationale Markt für Lastenräder mit einer jährlichen Rate von 11,4 Prozent bis zum Jahr 2031 anwachsen wird. Dies zeigt sich auch in den zunehmenden Vorhaben von Unternehmen zum Einsatz von Lastenrädern. Das Unternehmen Amazon hat im Jahr 2021 beispielsweise angekündigt, auch Lastenräder für die Zustellung ihrer Waren auf der letzten Meile anzubieten und die ersten Einsätze in der Stadt Freiburg bereits durchgeführt. Auch DHL und UPS testen in Innenstädten weiterhin neue Bauformen von Lastenrädern, wie das Cubicycle, um weiter ihre Emissionen zu reduzieren [PMR21, Schind21].
Lastenräder stellen eine flexible und umweltfreundliche Alternative zu konventionellen Transportmitteln mit fossilen Brennstoffen dar. Sie bieten die Vorteile einer Reduktion lokaler Schadstoffemissionen und der Straßeninfrastrukturauslastung sowie einer Verringerung von Nutzungskonflikten [LNC20].
Lastenräder, die nicht über eine Motorisierung verfügen, verursachen zwar bei ihrer Produktion CO2-Emissionen, beim Transport von Gütern oder Personen stellen diese jedoch ein emissionsfreies Transportmittel dar. Verfügen die Fahrräder über eine elektronische Tretunterstützung, ist der Emissionsausstoß abhängig von den verwendeten Stromquellen [Wacho14]. Im Rahmen des KoMoDo-Projekts - Kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die KEP-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern in Berlin im Jahr 2019 konnte gezeigt werden, dass durch die Verlagerung der Paketzustellung für ein Gebiet mit einem Radius von drei Kilometern vom konventionell motorisierten Lieferfahrzeugen auf elektrisch unterstützte Lastenräder circa 28.000 Fahrzeugkilometer konventioneller Fahrzeuge eingespart werden können. Daraus wurde eine CO2-Einsparung von 11 Tonnen sowie eine Stickoxid- und Feinstaubeinsparung von 144,86 Kilogramm und 0,827 Kilogramm berechnet. Für diese Substitution waren 38.000 Fahrzeugkilometer der elektrisch unterstützten Lastenräder nötig. Diese wurden als CO2-neutral angenommen und ohne Emissionen berechnet [LNC19].
Eine Studie aus London, die mithilfe von GPS-Daten des Unternehmens Pedal Me die Routen des Lastenrad-Kuriers auswertet, zeigt auf, dass die Lastenräder zum einen 1,61 Mal schneller als herkömmliche Lieferwagen sind und zum anderen CO2-Emissionen einsparen. Die Studie schätzt ein, dass eine Ausweitung des Lastenradverkehrs um 10 Prozent eine Einsparung von 133.300 Tonnen CO2 und 190,4 Tausend Kilogramm NOx pro Jahr in London erzielt. Zusätzlich würde sich das Stauaufkommen und die Nutzung des Straßenraum verringern [Verl21].
In der Regel werden Lastenräder in Mobilitätskonzepte, bestehend aus Mikro-Depots oder urbanen Hubs, integriert. Eine Londoner Fallstudie stellt fest, dass ein Zustellsystem aus städtischen Konsolidierungszentren, kleinen Elektrofahrzeugen sowie Lastendreirädern die insgesamt zurückgelegte Strecke um 20 Prozent und die CO2-Emissionen pro zugestelltem Paket um 55 Prozent im Vergleich zum konventionellen Zustellsystem reduziert [TR12, Schliw15].
In verschiedenen nationalen und internationalen Projekten werden Lastenfahrräder zum einen hinsichtlich der baulichen und infrastrukturellen Ausgestaltung untersucht, zum anderen spielen Wirkungseffekte bei der Erprobung der Lastenräder eine wichtige Rolle. Insbesondere kombinierte Konzepte von Lastenrädern und Mikro-Depots im innerstädtischen Raum werden dabei häufig thematisiert oder erprobt, wie Beispiele in Hamburg, München oder Nürnberg zeigen [DIFU22, NiHö17, Bogd18].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Der gewerbliche Einsatz des Lastenrads zur verkehrlichen Entlastung im urbanen Raum (Stand des Wissens: 05.07.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?573000
Literatur
[Bogd18] Ralf Bogdanski , Marius Bayer, Markus Seidenkranz Nürnberger Mikro-Depot-Konzept in der KEP-Branche: Übertragbarkeit auf andere Städte und Integration von innovativen Same-Day-Delivery-Konzepten, 2018
[DIFU22] Deutsches Institut für Urbanistik (Hrsg.) City2Share - sozial - urban - mobil, 2022/03/23
[LNC19] LNC LogisticNetwork Consultants GmbH (Hrsg.) KoMoDo - Kooperative Nutzung von Mikro-Öffentlicher Abschlussbericht: Depots durch die KEP-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern in Berlin, 2019/09
[LNC20] LNC LogisticNetwork Consultants GmbH (Hrsg.) Die Veränderungen des gewerblichen Lieferverkehrs und dessen Auswirkungen auf die städtische Logistik, 2020/12/03
[NiHö17] Prof. Dr. Jan Ninnemann , Prof. Dr. Ann-Kristin Hölter, Wolfgang Beecken , Robert Thyssen , Torsten Tesch, MBA Last-Mile-Logistics Hamburg - Innerstädtische Zustelllogistik , 2020/05/30
[PMR21] Persistance Market Research (Hrsg.) Cheaper Operating Cost and Shorter Delivery Times with No Negative Impact on the Environment to Boost Sales of Electric Cargo Bikes, 2021/08/27
[Schind21] Schindler, Holger Amazon setzt in Freiburg verstärkt auf Elektro-Lastenräder , 2021/10/04
[Schliw15] Schliwa, Gabriele, Armitage, Richard, Aziz, Sara, Evans, James, Rhoades, Jasmine Sustainable city logistics - Making cargo cycles viable for urban freight transport, 2015/03
[TR12] Julian Allen, Michael Browne, Jaques Leonardi, Allan Woodburn The Role of Urban Consolidation Centres in Sustainable Freight Transport, 2012/03
[Verl21] Verlinghieri, Ersilia, Itova, Irena, Collignon, Nicolas, Aldred, Rachel The Promise of Low-Carbon Freight, 2021/08
[Wacho14] Wachotsch, Ulrike, Kolodziej, Andrea, Specht, Bernhard, Kohlmeyer, Regina, Petrikowski, Falk E-Rad macht mobil - Potenziale von Pedelecs und deren Umweltwirkung, 2014/08/01
Glossar
Letzte Meile
Im Bereich der Telekommunikation bezeichnet die "letzte Meile", auch Teilnehmeranschlussleitung genannt, die Netzstrecke zwischen dem lokalen Verteilerkasten des entsprechenden Kommunikations-Unternehmens und dem Hausanschluss des Endkunden.
In der Logistik steht der Begriff für die Belieferung des Endkunden im Liefer- und Abholverkehr, also dem letzten notwendigen Transportvorgang.
KEP Kurier, Express, Paket - Bereich in der Transportwirtschaft, der als ein Teilmarkt in der Logistik angesehen wird. Anbieter von Kurier-, Express- und Paketdiensten (KEP) transportieren vornehmlich Sendungen mit relativ geringem Gewicht (von ca. 2 kg bis ca. 31 kg) und Volumen, wie z.B. Dokumente, Päckchen und Kleinstückgüter. Große KEP Anbieter wenden sich auch vermehrt den Märkten der Kontraktlogistik und Fulfillment Dienstleistungen zu.
NOx
= Stickoxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des Stickstoffs. Die wichtigsten Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Es sind gasförmige Verbindungen, die sich nur wenig in Wasser lösen.
Die wichtigsten Stickoxid-Quellen sind natürliche Vorgänge, wie zum Beispiel mikrobiologische Umsetzungen im Boden, sowie Verbrennungsvorgänge bei Kraftwerken, Kraftfahrzeugen und industrielle Hochtemperaturprozesse, bei denen aus dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft Stickoxide entstehen. Stickstoffdioxid ist ein Reizstoff, der die Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und des Atmungstraktes beeinträchtigt.
Hub Der Begriff Hub kommt vom englischen Begriff "Hub and Spoke", was im Deutschen "Nabe und Speiche" entspricht. Der Hub dient als Sammel- und Knotenpunkt für Hauptverkehrswegen für den Umschlag und die Zusammenfassung von Warenströmen in alle Richtungen, d.h. zur Warenübergabe an regionale Verteiler. Im Postwesen handelt es sich bei Hubs häufig um Paketzentren. Die Transportmittel zur weiteren Beförderung der Sendungen variieren (Schiffe, Flugzeuge, Lkw).
Global Positioning System Global Positioning System (GPS), offiziell NAVSTAR GPS, ist ein globales Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung und Zeitmessung. GPS basiert auf Satelliten, die mit kodierten Radiosignalen ständig ihre aktuelle Position und die genaue Uhrzeit ausstrahlen. Aus den Signallaufzeiten können GPS-Empfänger dann ihre eigene Position und Geschwindigkeit berechnen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?572849

Gedruckt am Sonntag, 28. April 2024 04:59:31