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Direkte und indirekte Umweltwirkungen des Hafenbetriebs

Erstellt am: 18.01.2023 | Stand des Wissens: 25.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Jede Art von wirtschaftlicher und industrieller Aktivität, und somit auch der Betrieb von Häfen, hat einen Einfluss auf die Umwelt. Es sollte daher das Ziel sein, die nachteiligen Wirkungen auf die Umwelt zu minimieren. Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn neue Aktivitäten geplant oder bestehende Prozesse überarbeitet werden. Der Betrieb von Häfen verursacht mit seinen vielfältigen Aufgaben eine Vielzahl an direkten und indirekten Umweltwirkungen.
Die European Sea Ports Organisation (ESPO) erstellt jährlich eine TOP-10-Liste der Umweltprioritäten von Häfen. Für das Jahr 2021 sind dies [ESPO21]:

  1. Luftqualität
  2. Klimawandel
  3. Energieeffizienz
  4. Lärm
  5. Beziehung zur lokalen Gemeinschaft
  6. Wasserqualität
  7. Schiffsabfälle
  8. Ausbaggerungsarbeiten
  9. Landbezogene Hafenentwicklungen
  10. Müll / Hafenabfälle
Diese Prioritäten haben sich im Vergleich zum Jahr 2020 [ESPO20] ausschließlich in der Reihenfolge verändert und sind nicht überschneidungsfrei. Aus wissenschaftlicher Sicht haben [Siro2021 ; Darb05Troz00] die direkten und indirekten Umweltwirkungen von Häfen zusammengestellt. Ein wesentlicher Punkt sind Emissionen in die Luft wie Kohlenstoffdioxid, Stickoxide, Partikel, Schwefeldioxid, Kohlenwasserstoffe, Kohlenstoffmonoxid und Methan. Auch Lärm, Licht und Gerüche sind relevante Emissionen eines Hafens, die negative Auswirkungen auf Bevölkerung und Fauna haben können. Ebenfalls beträchtliche Umweltwirkungen haben die Abfälle, die beim Betrieb von Häfen oder Schiffen  entstehen und die im Hafen entsorgt werden müssen. Dazu gehören Plastik, Essensreste, Speiseöle, Hausmüll, feste Siedlungsabfälle, Müll aus Verbrennungsanlagen, Betriebsabfälle, passiv gefischte Abfälle , Tierkadaver, Fischereiausrüstung, Elektroschrott, Inertabfälle , Sondermüll und Baggergut. Auch flüssige Abfälle entstehen im Hafen und vor allem auf Schiffen, wie Bilgenwasser , Abwasser durch Tankreinigung, verschmutztes Ballastwasser, Öle, schädliche flüssige Stoffe, sanitäres Abwasser und auch Niederschlagswasser, die sachgerecht entsorgt werden müssen, um die Wasserqualität nicht negativ zu beeinflussen. Weiterhin beeinflusst auch die Hafenentwicklung die Umwelt auf Land- und auf Seeseite, was Ressourcen verbraucht, marine Ökosysteme verändern kann und Lebensräume an Land reduzieren oder verschlechtern kann.
Verursacht werden die Umweltwirkungen durch Aktivitäten im Hafen, die je nach Managementmodell des Hafens verschiedenen Verursachern zugeschrieben werden können. Darbra et al. [Darb05] strukturieren die Tätigkeiten unter Annahme des Landlordmodells nach Hafenbehörde, Pächtern im Hafengebiet und anderen Stakeholdern im Hafengebiet. Für die Hafenbehörde sind dies der unter anderem Küstenbau, Baggerarbeiten (unter anderem zur Wassertiefenerhaltung), schiffstechnische Aktivitäten, Administration und Planung, Schifffahrt und Navigation und Notfallsituationen und weitere. Bei den Pächtern im Hafen sind unter den umweltrelevanten Tätigkeiten Umschlagtätigkeiten, Lagerung, Industrieunternehmen im Hafen, Fischerei und Aquakultur, Schiffbau und -reparatur. Aktivitäten anderer Stakeholder, die die Umwelt negativ beeinflussen können, sind zum Beispiel Abfallwirtschaft, Instandhaltung von Hafenanlagen, landseitiger Verkehr, Tourismus und Bebunkerung.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Funktionen und Zukunftsperspektiven von Seehäfen im Kontext maritimer Lieferketten (Stand des Wissens: 18.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?50780
Literatur
[Darb05] R. M. Darbra, A. Ronza, T. A. Stojanovic, C. Wooldridge, J. Casal A procedure for identifying significant environmental aspects in sea ports., 2005
[ESPO20] ESPO (Hrsg.) ESPO Environmental Report 2020, 2020
[ESPO21] ESPO (Hrsg.) Our Good Green Practices, 2021
[Siro2021] Matija Siroka , Stjepan Pilicic, Teodora Milosevic , Ignacio Lacalle , Luka Traven A novel approach for assessing the ports´environmental impacts in real time - The IoT based port environmental index, 2021
[Troz00] C. Trozzi, R. Vaccaro (Hrsg.) Environmental Impact of Port Activities. , 2000
Glossar
CH4
= Methan. Es ist ein farbloses, geruchloses und leicht brennbares Gas, das zu Kohlendioxid und Wasser verbrennt. Methan ist Hauptbestandteil von Erdgas, Biogas, Deponiegas und Klärgas. Als Erdgas dient es hauptsächlich der Beheizung von Wohn- und Gewerberäumen, als industrielle Prozesswärmeenergie, zur elektrischen Stromerzeugung und in kleinem Umfang als Treibstoff für Kraftfahrzeuge.
Methan gehört zu den klimarelevanten Treibhausgasen. Methan entsteht bei allen organischen Gär- und Zersetzungsprozessen, wie z.B. in Sümpfen, Nassreisfeldern und Massenviehhaltung. (Der Verdauungstrakt von Wiederkäuern produziert Methan.)
Nach Kohlendioxid ist Methan mit einem Anteil von knapp 20 Prozent wichtigster Verursacher des Treibhauseffekts, wobei es ein 20- bis 30-mal wirksameres Treibhausgas als CO2 ist. Die weltweiten Methanemissionen werden auf 500 Mio. Tonnen/Jahr geschätzt, davon gehen rund 70 Prozent auf menschliche Aktivitäten zurück.
Inertabfälle
Inertabfälle sind Abfälle, die keinen wesentlichen physikalischen, chemischen oder biologischen Veränderungen unterliegen. Inertabfälle lösen sich nicht auf, sind nicht brennbar und bauen sich nicht biologisch ab.
Stakeholder Stakeholders sind alle internen und externen Personengruppen, die von den unternehmerischen Tätigkeiten gegenwärtig oder in Zukunft direkt oder indirekt betroffen sind. Gemäß Stakeholder-Ansatz wird ihnen - zusätzlich zu den Eigentümern (Shareholders) - das Recht zugesprochen, ihre Interessen gegenüber der Unternehmung geltend zu machen. Eine erfolgreiche Unternehmungsführung muss die Interessen aller Anspruchsgruppen bei ihren Entscheidungen berücksichtigen.
HC
= hydrocarbons, zu Deutsch: Kohlenwasserstoffe. Als Kohlenwasserstoffe werden in der Chemie Verbindungen bezeichnet, die ausschließlich Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H) im Molekül enthalten.
NOx
= Stickoxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des Stickstoffs. Die wichtigsten Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Es sind gasförmige Verbindungen, die sich nur wenig in Wasser lösen.
Die wichtigsten Stickoxid-Quellen sind natürliche Vorgänge, wie zum Beispiel mikrobiologische Umsetzungen im Boden, sowie Verbrennungsvorgänge bei Kraftwerken, Kraftfahrzeugen und industrielle Hochtemperaturprozesse, bei denen aus dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft Stickoxide entstehen. Stickstoffdioxid ist ein Reizstoff, der die Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und des Atmungstraktes beeinträchtigt.
Instandhaltung
Im Kontext des Erhaltungsmanagements bezeichnen die Begriffe "Instandhaltung" und "bauliche Unterhaltung" bauliche Maßnahmen kleineren Umfangs zur Substanzerhaltung von Verkehrsflächen, die mit geringem Aufwand in der Regel sofort nach Auftreten eines örtlich begrenzten Schadens ausgeführt werden.
Bilgenwasser
Als Bilge wird der unterste Raum auf einem Schiff bezeichnet, der direkt oberhalb der Schiffsplanken oder oberhalb des Kiels liegt. Das sich dort ansammelnde Leckwasser sowie bei moderneren Schiffen auch Kondenswasser insbesondere das der Klimaanlage, wird als Bilgenwasser bezeichnet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?564739

Gedruckt am Montag, 29. April 2024 17:57:21