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Bauliche Zuverlässigkeit im Güterverkehr

Erstellt am: 17.11.2021 | Stand des Wissens: 17.01.2023
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Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig

Die bauliche Zuverlässigkeit der Güterverkehrsinfrastruktur spielt eine wichtige Rolle für ein resilientes Verkehrssystem, die sich jedoch anwachsenden Herausforderungen stellen muss. Die Zunahme des Güterverkehrs, insbesondere auf dem Verkehrsträger Straße, sowie das zunehmende Alter der Bestandsbauwerke zeigen die Kapazitätsgrenzen und die limitierte Nutzungsdauer der Bauwerke auf. Das Güterverkehrsaufkommen hat in den vergangenen Jahrzehnten stetig zugenommen und belief sich im Jahr 2022 auf knapp 4 Milliarden Tonnen. Mit 3,1 Milliarden Tonnen wurden im Jahr 2022 rund 80 Prozent davon auf dem Verkehrsträger Straße transportiert [DESTATIS22b]. Die resultierende Infrastrukturbelastung verschärft in Kombination mit der Altersstruktur der Verkehrsinfrastruktur und dem damit verbundenen Instandhaltungszustand die Gefährdung der baulichen Zuverlässigkeit.
Ein Beispiel für den sich verschlechternden Zustand der Verkehrsinfrastruktur sind die rund 40.000 Brücken an deutschen Bundesfernstraßen. Zunehmender Lkw-Verkehr, insbesondere Schwerverkehr, führt zu einer hohen Abnutzung der Infrastrukturen und erfordert umfängliche Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, um die Tragfähigkeit der alten Brücken aufrechtzuerhalten [BMVI19ba].
Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) veröffentlichte in den Jahren 1999, 2016 sowie 2020 und 2021 eine Bewertung der Brückenbauwerke, die mittels Zustandsnoten erfolgte. Den Zustandsnoten liegen regelmäßig stattfindende Bauwerksprüfungen zugrunde und sie dienen als Indikator für die weitere Erhaltungsplanung [BASt21c]. Aus dem Vergleich der Zustandsnoten wird deutlich, dass der Anteil der Brückenbauwerke mit der Note sehr gut von den Jahren 1999 bis 2020 zunächst rückläufig ist, wie die Abbildung 1 zeigt. Erst im Jahr 2021 nahm der Anteil der sehr guten Teilbauwerke wieder zu. Während der Anteil der Kategorien ausreichend, kritisch und ungenügend im Jahr 1999 zusammengenommen bei etwa 30 Prozent lag, lag dieser Anteil in den Jahren 2016 und 2020 bei 45 und rund 55 Prozent, sodass etwa die Hälfte der Brückenbauwerke Handlungsbedarfe aufwiesen. Eine Ursache hierfür ist das Baujahr bzw. der Alterungsprozess der verbauten Materialien der Brücken, das häufig in dem Zeitraum zwischen den Jahren 1965 bis 1985 liegt. Im Jahr 2021 konnte dieser Anteil wieder auf unter 30 Prozent gesenkt werden.
Zustandsnoten.pngAbb.1: Zustandsnotenverteilung für Brückenbauwerke der Bundesfernstraßen nach Anteil an Brückenfläche in den Jahren 1999, 2016 und 2020 [BASt21c; BMVI20an; ProMo20] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Im Jahr 2017 wurde im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans 2030 eine Erhaltungsbedarfsprognose für die Bundesfernstraßen aufgestellt. Laut dieser wurden im der Untersuchung vorangehenden Jahrzehnt zu wenig substanzverbessernde Erneuerungsmaßnahmen durchgeführt, die vor allem in den westlichen Bundesländern notwendig sind. Im Berichtsjahr 2017 lag das mittlere Alter der Tragschichten unter Asphaltdecken in den östlichen Bundesländern zwischen 13,4 und 19,2 Jahren, in den westlichen Bundesländern bei 15,4 bis 32,7 Jahren [MaKrHi17].
Es ist davon auszugehen, dass der für die Zukunft prognostizierte, weiter zunehmende Güterverkehr nicht ohne Ertüchtigungs- und Ersatzmaßnahmen schadlos aufgenommen werden kann, so das Expertennetzwerk des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) [BMVI15y]. Aus diesem Grund plant der Bund, seine Investitionen in die Bundesverkehrswege zukünftig zu erhöhen. Die folgende Abbildung 2 verdeutlicht, dass die Erhaltungsinvestitionen in die Straßen- und Schieneninfrastruktur bereits in der Vergangenheit zunahmen und die Ausgaben im Bereich der Erhaltung stets höher waren als jene im Bereich von Neu- und Ausbau. In den Jahren 2017 bis 2020 wurden jährlich durchschnittlich 7,53 Milliarden Euro in die Bundesfernstraßen, 7,97 Milliarden Euro in die Bundesschienenwege und 0,84 Milliarden Euro in die Bundeswasserstraßen investiert [ProMo20]. Für das Jahr 2023 ist eine Erhöhung der Investitionen auf über 12 Milliarden Euro für Bundesfernstraßen, über 9 Milliarden Euro für die Bundesschienenwege und 1,3 Milliarden Euro für Bundeswasserstraßen geplant [BdF23]. Die Quellen der Verkehrsinfrastrukturfinanzierung sind dabei Steuermittel, die Lkw-Maut sowie weitere Mittel der Europäischen Union (EU) [BMVI16ak].
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Abb. 2: Verkehrsinvestitionen in den Jahren 2011 bis 2018 [BMVI18ae]
Eine wichtige Rolle bei der Bereitstellung einer zuverlässigen Verkehrsinfrastruktur kommt der Zustandserfassung und -bewertung zu. Die gängigen zerstörenden und zerstörungsfreien Prüfverfahren vor Ort werden zunehmend durch Methoden der Fernerkundung ergänzt, die notwendige Informationen zum Zustand der Bestandsbauwerke liefern. Durch die Interpretation dieser Informationen werden der Bauwerkszustand bewertet und der weitere Erhaltungsbedarf abgeleitet. Maßgeblich ist dabei das Lebenszyklusmanagement. Das Lebenszyklusmanagement hat zum Ziel, eine bauzeitoptimierte Realisierung von Baumaßnahmen unter einem ressourcenschonenden Einsatz von Baustoff, Mensch und Maschine umzusetzen. Dafür sollen Indikatoren identifiziert werden, die den größten Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Bauwerks haben und gleichzeitig einen möglichst geringen Ressourceneinsatz erfordern [BMVI20al]. So entwickelte auch die BASt in einem Forschungsvorhaben ein Konzept zur kontinuierlichen Nachhaltigkeitsbewertung im Lebenszyklus von Straßen, Straßenbrücken und -tunneln. Das Konzept sieht eine Modularisierung der Nachhaltigkeitsbewertung aufgrund verschiedener Bewertungszeitpunkte und -objekte vor, die im Lebenszyklus eines Infrastrukturbauwerks zu beachten sind. Die Module bilden dabei abgeschlossene Bewertungseinheiten mit festgelegten Kriterien und Methoden. Es wurde bei der Entwicklung darauf geachtet, dass das Konzept eine prinzipielle Übertragbarkeit bietet, um weitere Bewertungssysteme, z.B. für Schienen oder Wasserinfrastruktur, analog einführen zu können [MiGrRo16].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Resilienz von Verkehrssystemen unter besonderer Berücksichtigung des Klimawandels (Stand des Wissens: 26.11.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?543869
Literatur
[BASt21c] Bundesanstalt für Straßenwesen Zustandsnoten der Brücken, 2021/09
[BdF23] Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.) Entdecken Sie den Bundeshaushalt interaktiv, 2023
[BMVI15y] Bundesministerium für Digitales und Verkehr, BMVI Verlässliche Infrastrukturen für ein funktionierendes Verkehrssystem. Synthesebericht, 2015
[BMVI16ak] Bundesministerium für Digitales und Verkehr, BMVI Finanzierung, 2016/08/03
[BMVI18ae] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Verkehrsinvestitionsbericht für das Berichtsjahr 2018, 2020/08
[BMVI19ba] Bundesministerium für Digitales und Verkehr, BMVI Brückenmodernisierung, 2019/06/04
[BMVI20al] Bundesministerium für Digitales und Verkehr, BMVI Expertennetzwerk Lebenszyklusmanagement, 2020
[BMVI20an] Bundesministerium für Digitales und Verkehr, BMVI Expertennetzwerk Zuverlässigkeit, Risiko und Resilienz, 2020
[DESTATIS22b] Statistisches Bundesamt Beförderungsmenge nach Hauptverkehrsrelationen und Verkehrsträgern, sowie die Veränderung zum Vorjahr in 1 000 Tonnen und die Veränderung zum Vorjahr in % für das Jahr 2021, 2022/05/24
[MaKrHi17] Maerschalk, G., Krause, G., Hinsch, K. FE-Projekt-Nr. 21.0054/2012 Erhaltungsbedarfsprognose (BVWP) 2016 - 2030 der Bundesfernstraßen, 2017/03
[MiGrRo16] Mielecke, Torsten, Graubner, Carl-Alexander, Roth, Carolin Konzeptionelle Ansätze zur Nachhaltigkeitsbewertung im Lebenszyklus von Elementen der Straßeninfrastruktur, 2016
[ProMo20] Pro Mobilität Initiative für Verkehrsinfrastruktur e.V. Verkehrsetat 2021, 2020/10
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
BASt Bundesanstalt für Straßenwesen
Bundesverkehrswegeplan
Als Instrument einer mittel- bis langfristigen Investitionsrahmenplanung für den Erhalt und Ersatz bundeseigener Verkehrsinfrastruktur erfasst der Bundesverkehrswegeplan (BVWP) das zwecks zielgerichteter Ausgestaltung sowie Erweiterung von Bundesfernstraßen, Bundeswasserstraßen und Schienenwegen des Bundes erforderliche Finanzierungsvolumen. Auf Basis verkehrsträgerübergreifender Prognosen findet in diesem Zusammenhang eine Priorisierung vorgesehener Neu- und Ausbauprojekte gemäß ihrer gesamtwirtschaftlichen Bewertung sowie ökologischer und raumordnerischer Einschätzungen statt. Grundsätzlich wird infolgedessen zwischen "vordinglichem Bedarf" (VB) und "weiterem Bedarf" (WB) unterschieden.

Der BVWP tritt auf Beschluss des Bundeskabinetts in Kraft und umfasst jeweils einen Zeithorizont von circa zehn bis 15 Jahren. Seit 1973 sind bereits sechs konsekutive Verkehrswegepläne verabschiedet worden. Der letzten, dem Jahr 2016 entstammenden Fortschreibung liegt ein Planungszeitraum bis 2030 und ein Investitionsvolumen in Höhe von 269,6 Milliarden Euro zugrunde, siehe auch gesonderte Wissenslandkarte "Bundesverkehrswegeplanung" hier im Forschungsinformationssystem.
Zustandserfassung und -bewertung
Die Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) ist ein Verfahren zur Erfassung und Bewertung des aktuellen Zustands der Verkehrsinfrastruktur anhand festgelegter Merkmale. Sie bildet die Grundlage des Erhaltungsmanagements.
Tragfähigkeit Wasserverdrängung eines voll abgeladenen Schiffes abzüglich der Schiffsmasse. Umfasst die Massen von Besatzung, Passagieren, Ladung, Brennstoffen, Wasser und aller Vorräte.
übliche Abkürzungen:  Tons deadweighttdw), Dead weight tons)
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?543020

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 15:15:48