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Lösungsansätze zur Sicherstellung der öffentlichen ländlichen Mobilität differenziert nach Akteuren

Erstellt am: 11.03.2019 | Stand des Wissens: 03.08.2023
Synthesebericht gehört zu:

Folgender Bericht soll einen Eindruck darüber vermitteln, wie Gestaltungsspielräume und Aufgabenbereiche der einzelnen Akteurinnen und Akteure für eine zukunftsfähige Mobilität verteilt sein können. Zu betonen ist hierbei jedoch, dass für einen zukunftsfähigen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) das Zusammenspielen aller Akteure bedarf.
Bürgerschaft und Bevölkerung
Das Konzept des Gemeinschaftsverkehrs bezieht verstärkt Bürgerinnen und Bürger und ihr Engagement bezogen auf die Mobilität als soziale Aufgabe ein [Schi14a, S. 3]. Aufbau und Betrieb eines zukunftsfähigen Angebots sind nicht gänzlich durch die Verkehrsplanung bestimmt, denn mindestens genauso wichtig sind spezifische Ortskenntnis, soziale Netzwerke, Dialogbereitschaft und Flexibilität, welche nur die Bürgerinnen und Bürger vor Ort bestmöglich vorweisen können. Das Konzept des Gemeinschaftsverkehrs setzt nicht, wie gewohnt, an der Gestaltung des Verkehrssystems hierarchisch von oben an, sondern sucht auch niederschwellig und vor Ort nach Möglichkeiten für eine Angebotsentwicklung - insbesondere auf lokaler Ebene gibt es oft örtliche Lösungen für Mobilitätsbedürfnisse, an die es sich lohnt, anzuknüpfen.[Schi14a, S. 3] Eine Möglichkeit bestünde beispielsweise darin, private Pkw im Rahmen von Mitfahrinitiativen oder Fahrgemeinschaften zu nutzen, um Mobilität in Regionen ohne Zugang zu ÖPVN zu ermöglichen. Ebenso ist aber auch gezieltes Engagement beispielsweise in Form von Bürgerbussen möglich. [App12]
Zudem werden Anlaufstellen, sogenannte Mobilitätszentralen, für die Bevölkerung bei der zukünftigen Organisation des ÖPNV eine zentrale Rolle einnehmen. Diese anbieterneutralen Mobilitätszentralen sammeln Angebote und vernetzen sie miteinander. Dazu sind nicht zwingenderweise aufwändige elektronische Informationsverarbeitungssysteme notwendig, sondern praktische und praxisorientierte Lösungen von und für Bürgerinnen und Bürgern gefragt. Darüber hinaus könnten diese Zentralen auch Anlaufstelle für die Belange der nicht-technikaffinen Bevölkerungsschichten sein und ebenso zu Treffpunkten des öffentlichen Lebens werden. [App12]
Öffentliche Hand
Die Aufgaben der öffentlichen Hand in Form der Landkreise und Kommunen beziehen sich auf die Koordination und das Zusammenfügen der Ressourcen zu einem effizienten Gesamtangebot. [Schi14a, S. 3] Zudem sollten derzeitige günstige Veränderungen im Bewusstsein der Gesellschaft durch den Landkreis hin zu einem nachhaltigen, umwelt- und kostenbewussten Handeln, getrieben durch Klimaprobleme, endliche Erdölvorkommen, steigende Mobilitätskosten und sinkende Kaufkraft auf dem Land, dafür genutzt werden, die Mobilitätsnachfrage verstärkt auf den ÖPNV zu lenken. Zukünftig sollte zudem eine stärkere Bedeutung der kommunalen Ebene zufallen, da nur örtlich angepasste Lösungen erfolgreich sein können. Als ein zentrales Steuerungsinstrument sind hierbei die Nahverkehrspläne des Landkreises anzusehen. [App12]
Wirtschaft, Verkehrsunternehmen und Mobilitätsanbieter
Um die geschilderten Mobilitätsprobleme auf dem Land zu lösen und flächendeckende Versorgung sicherzustellen, müssen ÖPNV und Mobilitätsanbietende sich an aktuellen Entwicklungen orientieren, flexibler werden und größtmögliche Individualität gewähren, um zukünftig als konkurrenzfähige Alternative zum MIV wahrgenommen zu werden [VeHa06, S. 3]
Besonders traditionelle Verkehrsunternehmen stehen vor der Aufgabe, sich von öffentlichen Anbietenden lediglich einzelner Fahrten zu umfassenden Mobilitätsdienstleistenden weiterzuentwickeln. Diese sollten unterschiedliche Formen öffentlicher Mobilität (Bahn, Linienbus, Anrufsammeltaxi, Mitfahrgelegenheiten und andere) anbieten und zu einem Angebot aus einer Hand bündeln. Auf den Hauptachsen sind zügige Verbindungen mit Bus und Bahn ohne Stichfahrten (für Pendlerinnen und Pendler) anzustreben. Ebenso sind flexible Zubringer aus der Fläche notwendig. Neben der Steigerung der allgemeinen Zufriedenheit der Nutzenden kann es bedeutsam sein bei der Kommunikation auf unterschiedliche zielgruppengerechte Infokanäle (für Jugendliche, Seniorinnen und Senioren) zu setzen. [App12]
Zur Verbesserung des Angebots wurden bereits zahlreiche Formen flexibler sowie alternativer Bedienformen eingeführt. Im folgenden Verlauf der Wissenslandkarte wird hinsichtlich flexibler (bedarfsgerechter) Bedienformen und weiterer alternativer Bedienformen unterschieden. Ersichtlich wird jedoch, dass die Konzepte nicht nur Stärken aufweisen, sondern auch mit Kritikpunkten behaftet sind und somit kein Universalmittel für Probleme ländlicher Mobilität darstellen. Die Notwendigkeit der Suche nach geeigneten Mobilitätsangeboten wird demnach auch in Zukunft bestehen.
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Lösungsansätze zur Sicherstellung der öffentlichen ländlichen Mobilität (Stand des Wissens: 27.07.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?507682
Literatur
[App12] Katrin Appel, Margit Blanck, Hermann Brinkmann, Wieland Brohm, Torsten Grahn, Tino Hahn, Christoph v. Kaufmann, Doris Koß, Jörg Lettau, Gerhard Löcker, Prof. Udo Onnen-Weber, Christoph Schaaffkamp, Elke Annette Schmidt, Prof. Dr. Carsten Sommer, André Tonne, Dr. Reinhard Wulfhorst, Dirk Zabel Integrierter Landesverkehrsplan Mecklenburg-Vorpommern - 1. Werkstattgespräch am 19. Oktober 2012 in Neubrandenburg: (Öffentliche) Mobilität im ländlichen Raum, 2012/10/19
[Schi14a] Martin Schiefelbusch OEPNV von unten: Laendliche Mobilitaet als ein Gemeinschaftswerk - Engagement und Flexibilitaet als Erfolgsfaktoren / Public transport from the base: rural mobility as common work, veröffentlicht in DER NAHVERKEHR, Ausgabe/Auflage 7-8/2014, 32. Jahrgang, ALBA-FACHVERLAG, 2014, ISBN/ISSN 0722-8287
[VeHa06] Thomas Vetter, Knut Haase, Alternative Bedienformen im ÖPNV: Akzeptanzstudie im Landkreis Saalkreis, veröffentlicht in Diskussionsbeiträge aus dem Institut für Wirtschaft und Verkehr, Ausgabe/Auflage No. 1/2008, 2006, ISBN/ISSN 1433-626X
Weiterführende Literatur
[DeSe12] Daniela Dennig, Niklas Sieber, Alternative Bedienungsformen im ÖPNV
Typisierung und rechtlicher Rahmen, 2012
[BMVI18] Bernd Rittmeier, Melanie Herget , Johann Kaether , Jonas Koch , Katrin Müller Sicherung von Versorgung und Mobilität. Strategien und Praxisbeispiele für gleichwertige Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen , 2018/08
Glossar
Anrufsammeltaxi Das Anrufsammeltaxi verkehrt nur nach rechtzeitiger Anmeldung des Fahrgastes nach einem im Voraus veröffentlichten Fahrplan an einer besonders gekennzeichneten Haltestelle. Im Gegensatz zum Anruflinientaxi endet die Fahrt an einem vom Fahrgast selbst gewählten Ort, beispielsweise seinem Zuhause.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?495892

Gedruckt am Freitag, 26. April 2024 12:24:51