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Ansätze zur Lösung der Interessenkonflikte in der Gefahrgutlogistik

Erstellt am: 10.06.2015 | Stand des Wissens: 23.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Die Vielzahl und die Verschiedenartigkeit der Interessensgruppen und die vorhandenen Interessenskonflikte zwischen diesen Interessensgruppen führen dazu, dass Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit von Gefahrguttransporten kaum in einem breiten Konsens herbeigeführt werden können und schwierig umzusetzen sind. Trotzdem herrscht in der Branche, aufgrund der einzuhaltenden Schutzziele und dem Bestreben, ein Mindestmaß an Wirtschaftlichkeit zu erreichen, ein hoher Druck die Abläufe und Rahmenbedingungen des Gefahrguttransports und -umschlags zu optimieren.
Bei der Entwicklung von Maßnahmen zur Optimierung der Gefahrgutlogistik müssen verschiedene Rahmenbedingungen berücksichtigt werden. Aufgrund der Mengenverteilung hat hierbei der Transport per Lkw eine besondere Relevanz. So wurden im Jahr 2018 beinahe 149 Millionen Tonnen an Gefahrgut auf der Straße transportiert. Dies entspricht etwa 47,7 Prozent der Gesamttransportmenge an Gefahrgütern [StBuA21b, S. 6]. Bei rund 99 Prozent der Unternehmen, die im Bereich Verkehr und Lagerei tätig sind, handelt es sich um kleine oder mittelständische Unternehmen (KMU). Diese beschäftigen 45,5 Prozent der Arbeitnehmer in diesem Bereich [StBuA22]. Diese Unternehmen verfügen häufig nicht über die finanziellen oder personellen Mittel für umfangreiche Anpassungen. Aus diesem Grund besteht zwar ein großer Bedarf an technischem und organisatorischem Fortschritt, der aber nicht bei allen Unternehmen erfüllt werden kann. Die Vorschriften für die Gefahrgutlogistik werden wiederum von jeder Nation in Bezug auf die Richtlinien im europäischen Recht festgelegt. Aufgrund dieser Integration des nationalen in das europäische Recht und aufgrund der sich häufig ändernden Gesetzesgrundlage ist das Gefahrgutrecht sehr komplex [ArIs08, S. 558; FuBoGa09, S. 4]. Weiterhin gelten im Gefahrgutrecht viele Sonderfälle und Ausnahmeregelungen. So hängen die zu befolgenden Vorschriften von der Art des Gefahrgutes, der zu transportierenden Menge, den gewählten Verkehrsträgern, der Transportroute und dem Versand- und Empfangsort ab. Zusätzlich können für einzelne Gefahrgüter abweichende Vorschriften für ihren Transport oder ihre Lagerung gelten [Mue13].
Weiterhin werden Maßnahmen und Verbesserungen im Bereich der Gefahrgutlogistik häufig durch Einzelereignisse, wie folgenschwere Leckagen oder Unfälle, angestoßen. So haben der Brand und die anschließende Explosion auf der MSC Flaminia intensive Diskussionen über die Sicherheitsmaßnahmen und das Verhalten der Beteiligten im Unglücksfall ausgelöst. Im Untersuchungsbericht wurden Empfehlungen an das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), an den Betreiber und Schiffsführer der MSC Flaminia und an den Verband Deutscher Reeder dargelegt, wie auf einen solchen Unfall in Zukunft besser reagiert werden kann. Zu den Empfehlungen gehörten unter anderem die Fortentwicklung der gefahrgutrechtlichen Vorschriften bei der Internationalen Schifffahrtsorganisation (IMO) und die Verbesserung der Brandabwehr [BSU14].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Gefahrgutlogistik im Spannungsfeld gegensätzlicher Anforderungen (Stand des Wissens: 23.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?450386
Literatur
[ArIs08] Arnold, D., Isermann, H., Kuhn, A., Furmans, K., Tempelmeier, H. Handbuch Logistik, Ausgabe/Auflage 3., neu bearbeitete Auflage, Springer-Verlag / Berlin Heidelberg, 2008, ISBN/ISSN 3540729283
[BSU14] Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (Hrsg.) Untersuchungsbericht 255/12, 2014/02/28
[FuBoGa09] Uta Fuchs, Joachim Boenisch, Ralf Gaßner (Hrsg.) Ohne Regeln geht es nicht, veröffentlicht in der gefahrgutbeauftragte, Ausgabe/Auflage Sonderheft, Storck Verlag Hamburg, 2009/08
[Mue13] Dr. Norbert Müller Der Strom reißt nicht ab, veröffentlicht in gefährliche ladung, Ausgabe/Auflage 6, Storck Verlag Hamburg, 2013/06
[StBuA21b] Statistisches Bundesamt Gefahrguttransporte - Fachserie 8 Reihe 1.4 - 2018, 2021
[StBuA22] Statistisches Bundesamt Anteile kleiner und mittlerer Unternehmen an ausgewählten Merkmalen - Verkehr und Lagerei, 2022
Glossar
KMU Kleine und Mittelere Unternehmen Eine einheitliche Definition existiert für diesen Wirtschaftsbereich nicht. Zur wissenschaftlichen und politischen Auseinandersetzung mit dem Mittelstand (KMU) gehört in jedem Fall die Strukturierung des Unternehmensbestandes nach Größenklassen. In Ermangelung weiterer typisierender Daten beschränkt sich die Beschreibung von Unternehmensgrößenstrukturen in der Regel auf die Merkmale "Umsatz" und "Zahl der Beschäftigten". Gegebenenfalls sind zusätzlich qualitative Erklärungs- und Beschreibungsmerkmale einzubeziehen. Siehe dazu Institut für Mittelstandsforschung Bonn. Kleine und mittlere Unternehmen (definiert durch die Europäische Kommission): Definition von KMU durch die EU bis Ende 2004 (Empfehlung des Rates 96/280/EG): Mittlere Unternehmen: Weniger als 250 Mitarbeiter und Umsatz bis 40 Mio. Euro oder Bilanzsumme bis 27 Mio. EUR Kleine Unternehmen: Weniger als 50 Mitarbeiter und Umsatz bis 7 Mio. Euro oder Bilanzsumme bis 5 Mio. EUR Kleinstunternehmen: Weniger als 10 Mitarbeiter, keine Grenzen bezüglich Umsatz oder Bilanzsumme Definition von KMU durch die EU ab 1. Januar 2005 (Empfehlung des Rates 2003/361/EG): Mittlere Unternehmen: Mitarbeiter bis 249 und Umsatz bis 50 Mio. EUR oder Bilanzsumme bis 43 Mio. EUR. Kleine Unternehmen: bis 49 Beschäftigte, Umsatz bis 10 Mio. EUR oder Bilanzsumme bis 10 Mio. EUR Kleinstunternehmen: bis 9 Mitarbeiter, Umsatz oder Bilanzsumme bis 2 Mio. EUR (beide finanziellen Schwellenwerte waren hier bisher nicht definiert). Die Ein-Personen-Gesellschaft wird auch in der Neudefinition weiterhin als eigene Kategorie geführt.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?450355

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 07:50:14