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Kapazitätsausbau und neuartige Konzeptionen für Containerterminals

Erstellt am: 14.04.2003 | Stand des Wissens: 20.10.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Das Schiffsgrößenwachstum birgt land- wie seeseitig Herausforderungen für Containerterminals. Um diese Herausforderungen zu meistern, müssen Terminalanlagen und Containerbrücken in ihrer Größe angepasst und neue Verladestrukturen entwickelt und eingerichtet werden.
Die größten Containerschiffe der Welt haben aktuelle eine Stellplatzkapazität von 24.000 TEU, womit sie rund 18.000 TEU mehr transportieren können als die Regina Maersk, dem größten Containerschiff um die Jahrtausendwende. Heutige Schiffe haben eine Länge von bis zu 400 Metern, eine Breite von bis zu 61,5  Metern und einen maximalen Tiefgang von bis zu 16,5 Metern [Pro21].
Um große Containerschiffe wirtschaftlich betreiben zu können, müssen die Skaleneffekte aus der Schiffsgröße die Kosten längerer Hafenliegezeiten kompensieren. Um diese möglichst gering zu halten, fordern die Reeder von den Containerterminals eine Steigerung der Produktivität und deren Ausbau an Kapazitäten. Weiterhin ist es nur so möglich, die Rundreisezeiten der Schiffe möglichst konstant zu halten [HaTs00].
Generell ist die Produktivität großer Containerterminals höher als bei kleineren Anlagen. Ob bestehende Terminals die Kapazität ihrer Umschlaganlagen steigern können, hängt vor allem von der zur Verfügung stehenden Kailänge ab, da diese im Normalfall am wenigsten flexibel ist [Pete01].
Ferner müssen Liegeplätze mit ausreichend Tiefgang bereitgestellt werden, um das Löschen der Ladung von großen Containerschiffen zu ermöglichen. Ein regelmäßiges Ausbaggern des Gewässers ist notwendig, um die Soll-Tiefen zu gewährleisten [HPA19].
Bei der Abfertigung zukünftiger Containerschiffe stellt die Schiffsbreite eine weitere Herausforderung dar. Die HMM Algeciras stellt bereits 24 Containerreihen, während die in 2012 größten Containerbrücken der Welt im JadeWeserPort auf 25 Containerreihen ausgelegt sind. Containerterminals rüsten demnach auf, um sich auf die Abfertigung noch breiterer Containerschiffe vorzubereiten. So hat auch die HHLA den Container Terminal Burchardkai im Hamburger Hafen 2019 und 2020 mit fünf neuen Containerbrücken mit einer Spannweite von 26 Reihen ausgestattet [HHM19]. Neben dieser konventionellen Art des Containerumschlags existieren auch Anlagen, die ein beidseitiges Umschlagen ermöglichen, siehe Ceres Paragon Terminal in Amsterdam [Woer10].
Produktivität und Umschlagkapazität steigen ebenfalls durch kürzere horizontale Kranspielzeiten. Durchschnittsleistungen heutiger Containerbrücken liegen bei etwa 30 Moves pro Stunde. Beim Einsatz von 5 Brücken an einem 300 m langen Schiff ergibt dies 150 Moves pro Stunde. Bei einer umzuschlagenden Menge von 2000 Containern resultiert daraus eine Liegezeit von 13 Stunden netto. Da auch bei 10.000-TEU-Schiffen nicht mehr als 6 Containerbrücken eingesetzt werden können - das Kapazitätswachstum resultiert stärker aus Breiten- als aus Längenwachstum der Schiffe - müssen die Umschlagleistungen auf 300 Moves pro Liegeplatz verdoppelt werden [Poeh02; Brei93, S. 57 ff]. Mehrfachspreader ermöglichen einen Umschlag von bis zu 6 Containern gleichzeitig, wodurch Zeit und Kosten im Umschlagvorgang eingespart werden können. Derartige Containerbrücken wurden beispielsweise am Ma Wan Container Terminal in Shenzhen (China) getestet und implementiert [MATEC19].
Die landseitige Abfertigung muss im selben Maß wie die seeseitige steigen, damit hohe Umschlagleistungen realisierbar sind. Momentan reicht die landseitige Abfertigung nicht an die seeseitige heran, weshalb genügend Stauraum und Lagerplätze für die Container zur Verfügung stehen müssen. Denn eine Folge des Schiffsgrößenwachstums und den daraus resultierenden Peak-Situationen ist ein starkes Lkw-Aufkommen für den Import und Export, was jedoch zu Rückstau auf öffentlichen Straßen führt. 
Größere Terminalflächen haben längere und häufigere Güterbewegungen innerhalb des Terminals zur Folge. Um den Terminalbetrieb möglichst reibungslos zu gestalten und die Komplexität der Güterbewegungen im Terminal beherrschen zu können, ist die Weiterentwicklung eingesetzter komplexer Terminal Operating Systems (TOS) notwendig. Hierfür bietet sich eine dezentrale und autonome Steuerung der Prozesse innerhalb des Terminals an, um beispielsweise Engpässe beim Einsatz von Terminalequipment zu umgehen [WisB19, S. 6].
Ein neues System des Containertransports auf dem Terminalgelände Maasvlakte II im Hafen von Rotterdam ist der Einsatz von Batterie betriebenen, elektronischen Fahrzeugen (Battery Lift Automated Guided Vehicle (AGV)). Gegenüber konventionellen AGVs sind die Lift AGVs um zwei aktive Hubplattformen ergänzt. Dadurch sind sie in der Lage, Container in der Übergabezone zu den Stapelkranen selbsttätig in Übergaberacks abzusetzen oder aufzunehmen. Der Batteriebetrieb ist außerdem umweltverträglicher, da durch ihn Abgase vermieden werden.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Notwendiger Hafenausbau in Folge des Schiffsgrößenwachstums (Stand des Wissens: 20.10.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?286705
Literatur
[Brei93] Schönknecht, Rolf, Prof. Dr., Peters, Dirk, Biebig, Peter, Prof. Dr., Böhm, Christine, Hübner, Herbert, Jenssen, Bruno, Prof. Dr., Kuhlmann, Günther, Prof. Dr., Laue, Uwe, Prof. Dr., Linde, Horst, Prof. Dr., Lüsch, Jürgen, Prof. Dr.-Ing., Mencl, Ralph-Christian, Dr., Sinnig, Elvira, Dr., Wagener, Norbert, Dr., , Breitzmann, Karl-Heinz, Prof. Dr. Containerlinienschiffahrt, veröffentlicht in Rostocker Beiträge zur Verkehrswirtschaft und Logistik, Ausgabe/Auflage Heft 2, Rostock, 1993, ISBN/ISSN 0944-5919
[HaTs00] Haralambides, H., Tsolakis, S., Cheung Tam He, The global outlook of liner shipping and port networks in the information society of the 21st century, Alexandria, Egypt, 2000
[HHM19] Hafen Hamburg Marketing e.V. (Hrsg.) Neue Containerbrücken erreichen den Hamburger Hafen, 2019/11/05
[HPA19] Hamburg Port Authority (Hrsg.) Wassertiefeninstandhaltung, 2019
[MATEC19] Jaromír Siroký Portal cranes with Tandem spreaders and their economic benefits, veröffentlicht in MATEC Web of Conferences, Ausgabe/Auflage 263, 2019
[Pete01] Peters, H. Developments in global seatrade and container shipping markets: Their effects on the port industry and private sector involvement , veröffentlicht in International Journal of Maritime Economics, Ausgabe/Auflage H. 3, 2001, ISBN/ISSN 1388-1973
[Poeh02] Poehls, Harald, Prof. Dr. Technische Perspektiven der Schiffsgrößenentwicklung, veröffentlicht in Perspektiven der Schiffsgrößenentwicklung in der Containerschiffahrt ? Herausforderung für die deutschen Nordseehäfen, Schriftenreihe der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft B 231, Ausgabe/Auflage B 231, Bergisch Gladbach, 2002, ISBN/ISSN 3-933392-31-4
[Pro21] Anja Ringel Ever Ace: Das ist das größte Containerschiff der Welt, 2021/09/09
[WisB19] Wissenschaftlicher Beirat Internationales Verkehrswesen (Hrsg.) Chancen der Digitalisierung für die deutschen Seehäfen nutzen und Investitionen in die Infrastruktur optimieren
, Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Baiersbronn, 2019/01
[Woer10] Wörnlein, Peter So soll der Hafen schneller werden, veröffentlicht in Deutsche Verkehrszeitung DVZ - Deutsche Logistik Zeitung, Ausgabe/Auflage 99, 2010/08/19
Weiterführende Literatur
[WaCu06] Wang, T-F , Cullinane, K. The Efficiency of European Container Terminals and Implications for Supply Chain Management, veröffentlicht in Maritime Economics & Logistics, Ausgabe/Auflage 8, Palgrave Macmillan / Basingstoke, 2006, ISBN/ISSN 1479-2931
[Nott06] Notteboom, Theo The Time Factor in Liner Shipping Services, veröffentlicht in Maritime Economics & Logistics, Ausgabe/Auflage 8, Palgrave Macmillan / Basingstoke, 2006, ISBN/ISSN 1479-2931
Glossar
Twenty-foot equivalent unit Zwanzig-Fuß-Äquivalente-Einheit (Twenty-foot Equivalent Unit). Eine statistische Hilfsgröße auf der Basis eines 20-Fuß-ISO-Containers (6,10 m Länge) zur Beschreibung von Verkehrsströmen oder -kapazitäten. Ein genormter 40'-ISO-Container der Reihe 1 entspricht 2 TEUs.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Economies of Scale Economies of Scale treten auf, wenn die Produktionskosten pro hergestellter Einheit mit zunehmender Produktionsmenge abnehmen.
Seehafenterminal
In einem Containerterminal erfolgt der Umschlag von Containern, Wechselbehältern, Wechselbrücken oder Sattelaufliegern und ähnlichen Ladeeinheiten im Hafen. Weiterhin kann auch Projektgeschäft, z.B. übergroße Ladungen, umgeschlagen werden.
Zusätzlich zu den Containerterminals umfasst der Begriff des Seehafenterminals auch andere Ladungs- und Terminalarten, wie z.B. Massengutterminals oder Flüssiggutterminals.
Charakteristisch für Seehafenterminals ist die Anbindung an das Wasser und mindestens einen weiteren Verkehrsträger.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?41275

Gedruckt am Freitag, 26. April 2024 09:20:04