Regulatorischer Rahmen
Erstellt am: 25.04.2013 | Stand des Wissens: 18.01.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Die bis zur Liberalisierung enge Regulierung im Buslinienfernverkehr geht bis zur Entstehung des Eisenbahnnetzes zurück.
Hintergrund: Im 19. Jahrhundert wurden viele Eisenbahnnetze aufgebaut sowie private Eisenbahnen verstaatlicht. Mit zunehmender Konkurrenz der Straße wollte der Staat die staatlichen Bahnen und damit die staatlichen Investitionen vor einem Bedeutungs- und Profitabilitätsverlust schützen. In dieser Zeit wurden immer mehr administrative Regelungen im Umgang mit Kraftfahrzeugen eingeführt (zum Beispiel die Verordnung betreffend Kraftfahrzeuglinien (1919), die Durchführungsverordnung zum Kraftfahrtliniengesetz (1928) oder die Überlandverkehrsordnung (1931)). In diesem Zusammenhang trat auch 1934 das erste Personenbeförderungsgesetz (PBefG) in Kraft. Demnach mussten Personenlinienverkehre genehmigt werden. Sie durften jedoch dem öffentlichen Verkehrsinteresse nicht zuwiderlaufen und mussten einen volkswirtschaftlichen Nutzen nachweisen [Laas91, S. 136ff.]. Dahinter standen zum einen der Wunsch nach einem nicht ruinösen Wettbewerb zwischen Verkehrsanbietern und zum anderen der mögliche Erlösausfall für die Bahn. Dieser hätte nicht nur einen höheren Staatszuschuss an das Unternehmen, sondern unter bestimmten Bedingungen auch ein Netto-Wohlfahrtsverlust bedeutet.
Diese Restriktionen wurden auch nach dem Zweiten Weltkrieg im Rahmen der Neuverfassung des PBefG 1961 nicht abgebaut. Die Begründung des Ausnahmebereichs der Bahn verschob sich jedoch von dem Schutz der Bahn vor multimodaler Konkurrenz zur Verpflichtung der Daseinsvorsorge im Schienenpersonenverkehr. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1960 unterstrich zudem die "überragende Bedeutung (der Bahn) im Rahmen des Verkehrswesens" und dass deren höchstmögliche Wirtschaftlichkeit aus staatpolitischen, wirtschaftlichen und sozialpolitischen Gründen gesichert werden sollte. Daher seien die strengen Maßstäbe für die Zulassung neuer Unternehmen im Linienverkehr gerechtfertigt (Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 08. Juni 1960 BVerfGE 11, 168, 184).
Regulatorischer Rahmen bis zum 31. Dezember 2012: Die rechtliche Basis des lange Zeit eingeschränkten Marktes für Buslinienfernverkehr bildete das PBefG von 1961. Es regelt die "entgeltliche oder gemeinschaftliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Oberleitungsbussen (Obussen) und mit Kraftfahrzeugen". Personenfernverkehr sollte in der Fläche zu einheitlichen Preisen sichergestellt werden. Verkehrsunternehmer hatten daher die Einrichtung, Linienführung und den Betrieb ihres Personenlinienverkehrs von den Behörden genehmigen zu lassen [PBefG, §§ 2 und 8 Abs. 1]. Die Verkehrsunternehmer mussten für die Bedienung einer Linie sowohl subjektive Kriterien wie beispielsweise die Sicherheits- und Leistungsfähigkeitsanforderungen [PBefG, §13 Abs. 1], als auch objektive Kriterien erfüllen. Der Konkurrenzschutz war vor allem durch die objektiven Kriterien gegeben. Aufgrund dieser Kriterien wurde eine Genehmigung dann nicht ausgesprochen, wenn der Verkehr mit den vorhandenen Verkehrsmitteln befriedigend bedient werden konnte, keine wesentliche Verbesserung im Vergleich zu vorhandenen Verkehrsmitteln sichtbar war oder der vorhandene Verkehrsanbieter bereit war, die Leistung selber anzubieten [PBefG, §13 Abs. 2].
Eine Ausnahme der strengen Genehmigungspraxis stellten Buslinienfernverkehre von und nach Berlin dar. Ein Fernbuslinienverkehr sollte als unabhängige Alternative zum Eisenbahnnetz der DDR dienen und den Stadtstaat Berlin mit Westdeutschland verbinden. Nach der Wende gewährleistete der im PBefG enthaltene Besitzstandsschutz von Altunternehmern die weitere Bedienungsgenehmigung der Busfernverkehre.
Seit der Bahnreform 1994 ist die Deutsche Bahn von der Verpflichtung der Daseinsvorsorge im Personenfernverkehr befreit. Der eigenwirtschaftliche Schienenpersonenfernverkehr blieb jedoch bis zur Inkraftsetzung der Liberalisierung am 01. Januar 2013 vor der Fernbuskonkurrenz geschützt, da das PBefG von 1961 bis Ende des Jahres 2012 in den Grundzügen weiter galt. Die Politik hatte bis dahin auch die Regelungen für den Buslinienfernverkehr nicht geändert.
Regulatorischer Rahmen seit dem 01. Januar 2013: Seit der Überarbeitung des PBefG und dessen Inkrafttreten am 01.01.2013 ist der Buslinienfernverkehr von den objektiven Kriterien der Genehmigung ausgenommen [PBefG, §13 Abs. 2 und §42a (Satz 1)]. Es gelten ausschließlich die subjektiven Kriterien bezüglich der Sicherheit, der Leistungsfähigkeit und der fachlichen Eignung des Busunternehmens und dessen Personals sowie die Voraussetzung eines inländischen Unternehmenssitzes [PBefG, §13 Abs. 1]. Der Busunternehmer kann eine Linie bei der zuständigen Landesbehörde beantragen, die ihm nach Überprüfung der subjektiven Kriterien von der Landesbehörde für maximal zehn Jahre genehmigt wird [PBefG, §16 Abs. 2]. Dazu müssen die Tarife nicht mehr von der Behörde genehmigt werden (§45 PBefG Abs. 2 Satz 1) und Fahrplanänderungen müssen nicht mehr genehmigt, sondern nur der Behörde angezeigt werden [PBefG, §45 Abs. 2 (Satz 2)].
Um den Nahverkehr vor Kannibalisierung zu schützen, dürfen Buslinienfernverkehre nur dann angeboten werden, wenn zwischen zwei Haltestellen mehr als 50 Kilometer Abstand liegt und auf dieser Strecke kein Schienenpersonennahverkehr mit einer Reisezeit bis zu einer Stunde betrieben wird. Ausnahmen sind dann zu gewähren, wenn kein ausreichendes Nahverkehrsangebot vorhanden ist oder das Fahrgastpotenzial der vorhandenen Verkehrsangebote nur unerheblich beeinträchtigt wird [PBefG, §42a]. Die Änderung des PBefG umfasst darüber hinaus eine Vereinfachung der Beendigung der Betriebspflicht. Drei Monate nach Anzeige bei der Genehmigungsbehörde hat der Busunternehmer die Möglichkeit, die Linie einzustellen [PBefG, §21 Abs. 5]. Die Beförderungspflicht (§22) wurde in dem neuen PBefG nicht geändert.
Anhand der Novellierung des PBefG wurde die Barrierefreiheit im Buslinienfernverkehr verbindlich festgesetzt. Seit dem 1. Januar 2016 müssen laut § 42b PBefG neue Kraftomnibusse, welche im Personenverkehr eingesetzt werden, den Vorschriften des Anhangs VII der Richtlinie 2001/85/EG (jetzt: UN-ECE-Regelung Nr. 107) entsprechen und mindestens zwei Stellplätze für Rollstuhlfahrer aufweisen. Seit dem 1. Januar 2020 gilt diese Regelung für alle im Personenfernverkehr eingesetzten Kraftomnibusse [BAFG20, S. 21].