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Bepreisung von Flughäfen

Erstellt am: 27.11.2012 | Stand des Wissens: 27.06.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Die Bepreisung der Flughafeninfrastruktur erfolgt in Form eines Entgeltes, das für das Starten und Landen von Flugzeugen, Abstellen von Flugzeugen und der Benutzung von Fluggasteinrichtungen durch den Flughafenbetreiber erhoben wird. Das Entgelt wird kostenbezogen erhoben und muss für Flughäfen mit mehr als 5 Millionen Passagieren von der Luftfahrtbehörde des jeweiligen Staates ex ante genehmigt werden. Das Entgelt darf nach Lärm und Schadstoffausstoß der Flugzeuge differenziert werden. Nachdem die EU-Richtlinie 2009/12/EG [2009/12/EG] für mehr Transparenz der Entgelte auch in Deutschland umgesetzt wurde, gilt hier bezüglich der Flughafenentgelterhebung §19b des Luftverkehrsgesetzes [LuftVG].
Zur Festlegung des Entgeltes können theoretisch unterschiedliche Bepreisungsprinzipien angewandt werden, wie beispielsweise die Ramsey-, Peakload-, Grenzkosten- oder Durchschnittskostenbepreisung. Das Konzept der peak-load Bepreisung wird bisher auf Flughäfen selten durchgeführt. Unter anderem benutzen die Flughäfen Heathrow und Gatwick, die eine besonders hohe Nachfrage aufweisen, dieses Bepreisungssystem bereits seit den 70er Jahren. So werden je nach Uhrzeit unterschiedliche Entgelte für das Starten und Landen, das Parken und die Passagierabfertigung erhoben. Die Spitzenlasttarifierung geht dabei so weit, dass jede einzelne Leistung unterschiedliche Spitzenlastzeiten aufweist und damit unterschiedlich bepreist werden kann [Knie03a].
Eine Bepreisung von Flughäfen nach Ramsey ist in der Praxis schwer zu implementieren. Da es gesetzlich verboten ist, dieselbe Leistung ohne objektive Kriterien zu unterschiedlichen Preisen anzubieten [Nomos01 Art 82 Satz 2 a, c; GWB99 §19b (4) Nr. 3 und §20 (1); LuftVG §19b (1) Nr. 4] und Flughäfen kaum belastbare Daten über die Elastizitäten ihrer Fluggesellschaften bereitstellen können, ist dies auch praktisch kaum möglich. Aus theoretischer Sicht ist zudem zu erwähnen, dass es Ausweicheffekte zu anderen benachbarten Flughäfen geben könnte und dass somit die Optimalitätsbedingung dieses Bepreisungsschemas nicht erfüllt ist.
Die auf sehr vielen Flughäfen übliche Bepreisungsmethodik ist eine nach dem maximal zulässigen Startgewicht abhängige Bepreisung. Auf diese Weise wird versucht, die kurzfristigen Grenzkosten der Infrastrukturnutzung widerzuspiegeln. Die Beschädigung der Start- und Landebahn hängt unter anderem von der Belastung der Bahn ab. Je geringer das Gewicht des Flugzeugs, desto weniger Schaden wird auf der Bahn verursacht. Neben dem Gewicht spielen jedoch auch die Anzahl der Räder sowie der Luftdruck der Räder eine Rolle. Je mehr Räder, desto gleichmäßiger verteilt sich das Gewicht des Flugzeugs [KnNe09]. Hierbei ist jedoch zu erwähnen, dass die kurzfristigen Grenzkosten der Infrastrukturnutzung nur einen vergleichsweise geringen Teil der Infrastrukturkosten eines Flughafens ausmachen. Daneben existieren auch die Kosten für den Landerwerb und für die Gebäude.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Formen der Bepreisung zur Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur (Stand des Wissens: 27.06.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?335946
Literatur
[Knie03a] Knieps, G. Mehr Markt beim Zugang zu den Start- und Landerechten auf europäischen Flughäfen, veröffentlicht in Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, Ausgabe/Auflage 96, Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart, 2003/06/01
[KnNe09] Knieps, G., Neuscheler, T. Reformansätze bei der Vergabe von Start- und Landerechten auf Flughäfen, veröffentlicht in Fallstudien zur Netzökonomie, Gabler Verlag, Wiesbaden, 2009/07/28, ISBN/ISSN 978-3-8349-1239-8
Rechtsvorschriften
[2009/12/EG] Richtlinie 2009/12/EG über Flughafenentgelte
[GWB07] Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
[GWB99] Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)
[LuftVG] Luftverkehrsgesetz (LuftVG)
[Nomos01] Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der konsolidierten Fassung
Glossar
ex ante lateinisch: im Voraus
Peak-Load Pricing Der Begriff Peak-Load Pricing, zu deutsch Spitzenlasttarifierung, bezeichnet eine Variante der Preissetzung, in der als Differenzierungsmerkmal der zeitliche Anfall der Nachfrage benutzt wird.
Grenzkosten Die Grenzkosten des Faktoreinsatzes bezeichnen die zusätzlichen Kosten, die für den Einsatz jeweils einer zusätzlichen Faktoreinheit entstehen oder anders ausgedrückt: sie bezeichnen die Kosten der jeweils "letzten" Faktoreinheit. Da nur die variablen Kosten sich verändern, gehen auch nur diese in die Grenzkosten ein. Fixe Kosten werden nicht berücksichtigt. Die Grenzkosten des Faktoreinsatzes entsprechen im allgemeinen, d.h. bei proportionalen variablen Kosten, den variablen Durchschnittskosten. Weist jedoch die Funktion der variablen Kosten einen diskontinuierlichen Verlauf auf, weil bspw. ab einer bestimmten Grenze variable Abschreibungen entstehen, dann müssen die variablen Kosten der letzten Faktoreinheit zur Bestimmung der Grenzkosten herangezogen werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?402904

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 09:16:43