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Auswirkungen einer Staugebühr

Erstellt am: 16.04.2012 | Stand des Wissens: 12.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Die Einführung einer Staugebühr wirkt sich vor allem auf den Verkehrsfluss, aber auch auf die Umwelt des gebührenpflichtigen Gebiets aus. Durch die Gebühr sind beispielsweise Änderungen der Ziel- und Verkehrsmittelwahl, der Routen- und Zeitwahl zu beobachten. Darüber hinaus kann sich die Luftqualität und Lärmumgebung im gebührenpflichtigen Gebiet verbessern.
Die Erhebung einer Gebühr führte in vielen Städten zu einer Reduktion des Verkehrsaufkommens und zu einer Verbesserung des Verkehrsflusses innerhalb des gebührenpflichtigen Gebiets, wodurch Staus reduziert werden konnten. Beispielsweise reduzierte sich das Verkehrsaufkommen der Pkw in London um 33 Prozent innerhalb eines Jahres. Infolgedessen stieg die durchschnittliche Geschwindigkeit von 14,4 km/h im Jahr 2002 auf 17 km/h im Jahr 2006 [TfL07, TfL08a, DIW07].

Auf die Erhebung einer Staugebühr können die Verkehrsteilnehmer unterschiedlich reagieren:

Besonders der Freizeit- und Einkaufsverkehr kann flexibel infolge einer Bepreisung das Ziel der Fahrt ändern. Andere Ziele werden im Vergleich zum Ziel innerhalb der Gebührenzone attraktiver. Langfristig kann eine Zielverlagerung zu städtebaulichen Veränderungen von Betrieben und Geschäften führen.

Durch die Verteuerung des Pkw werden andere Modi wie der öffentliche Verkehr oder der städtische Fahrradverkehr relativ attraktiver. Daher ist mit der Einführung einer Gebühr eine Verlagerung zu erwarten. Damit diese erreicht werden kann, müssen genügend Alternativen vorhanden sein. In London wurde ein Großteil der Einnahmen beispielsweise für die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs eingesetzt. Daraufhin stieg die Anzahl der Passagiere in Bussen um 6 Prozent [TfL07].

Eine Staugebühr, die zeitlich und räumlich variabel erhoben wird, liefert Anreize, die vorhandene Infrastruktur entweder zu Nicht-Spitzenlastzeiten oder nicht gebührenpflichtige Routen zu nutzen. Damit wird die optimale Nutzung der vorhandenen Infrastruktur durch eine gleichmäßige Verteilung des Verkehrs gefördert [Miets07, UBA10n].
Die aus der Gebühr resultierende Verkehrsvermeidung und -verlagerung führt zum einen zu weniger Verkehr und zum anderen zu einer Beschleunigung der durchschnittlichen Geschwindigkeit des Verkehrs. Infolgedessen ergeben sich für das gebührenpflichtige Gebiet positive Auswirkungen auf die Umwelt. Die verringerte Verkehrsdichte lässt eine effizientere und schadstoffärmere Fahrweise der Fahrzeuge zu und reduziert die Schadstoffbelastung innerhalb des Mautgebietes. Gleichzeitig führt eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit des Carsharing und des ÖPNV zu einer erhöhten Auslastung des Fahrzeugbestands, wodurch wiederum positive Effekte für die Umwelt entstehen [SRU05b].

Besonders zeitlich und räumlich variable Gebührensysteme weisen ein hohes Potenzial zur Stauvermeidung und damit zu höheren Umweltentlastungen auf. Somit ist die individuelle Entlastungswirkung maßgeblich vom jeweiligen Systemdesign abhängig [SRU05b].

Zusätzliche Anreize zur Umweltreduzierung kann eine Differenzierung der Maut nach Umweltaspekten setzen. Die Einführung einer Maut kann einerseits zu einer Schadstoffreduzierung und einer Emissionsminderung beitragen und andererseits leisere und klimafreundlichere Fahrzeuge fördern. Um Trends wie alternative Antriebe zu fördern, ist eine Befreiung der Maut für diese Fahrzeugtypen denkbar.
Negative Auswirkungen auf die Umwelt können durch Ausweichreaktionen in die mautfreien Zonen verursacht werden. Um die Umweltziele nicht zu gefährden, müssen daher ständige Anpassungen der Systemgestaltung vorgenommen werden. Attraktive Angebote im öffentlichen Nahverkehr sind eine weitere Voraussetzung für positive Umweltwirkungen.
Darüber hinaus wäre denkbar, nicht nur die Zeitkosten, sondern zusätzlich die externen Umweltkosten mit der Straßenbenutzungsgebühr zu bepreisen.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Erhebung von Staugebühren zum Management knapper Kapazitäten (Stand des Wissens: 17.04.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?388207
Literatur
[DIW07] Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin, Kloas, J.; Voigt, U. Erfolgsfaktoren von City-Maut-Systemen, Ausgabe/Auflage Wochenbericht Nr. 9/2007, 2. Bericht, DIW, Berlin, 2007/09
[Miets07] Mietsch, F. City-Maut - Internationale Erfahrungen, Perspektiven für Deutschland, 2007
[SRU05b] Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) Umwelt und Straßenverkehr: Hohe Mobilität - Umweltverträglicher Verkehr, 2005
[TfL07] Transport for London (TfL) Central London Congestion Charging - Impacts monitoring
Fifth Annual Report, 2007
[TfL08a] Transport for London (TfL) Central London Congestion Charging - Impacts monitoring
Sixth Annual Report, 2008
[UBA10n] o.A. PKW-Maut in Deutschland? Eine umwelt- und verkehrspolitische Bewertung, 2010/04
Glossar
Verkehrsfluss
Unter Verkehrsfluss versteht man die Anzahl der Fahrzeuge, die eine vordefinierte Verkehrs(quer)fläche pro Zeiteinheit durchfährt.
Carsharing
Der Begriff CarSharing stammt aus dem Englischen (car= Auto, to share= teilen) und kann sinngemäß mit der Bedeutung "Auto teilen" übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen, die meist von Unternehmen gegen Gebühr bereitgestellt werden.
Durch einen Rahmenvertrag oder eine Vereinsmitgliedschaft erhalten Kunden flexiblen Zugriff auf alle Kfz eines Anbieters. Die Fahrzeuge können über eine Webseite oder über eine Smartphone-App gebucht werden. Geöffnet werden sie in der Regel mit Hilfe von Chipkarten oder durch einen über die Smartphone-App vermittelten Zugangscode .
Bei dem System des stationsbasierten CarSharing stehen die Fahrzeuge auf reservierten Stellplätzen und werden nach der Nutzung auch wieder dorthin zurückgebracht. Ein anderes Modell ist das free-floating CarSharing. Hier stehen die Fahrzeuge in einem definierten Operationsgebiert verteilt. Sie können per Smartphone geortet werden und nach der Nutzung auf einem beliebigen Stellplatz innerhalb des Operationsgebiets zurückgegeben werden.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?387487

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 13:15:57