Lösungsansätze für die letzte Meile des Kombinierten Verkehrs in Ballungsgebieten
Erstellt am: 15.11.2010 | Stand des Wissens: 12.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Im Zusammenhang mit den negativen Umweltauswirkungen des Verkehrs und den infrastrukturellen Engpässen bei der Versorgung von Ballungsräumen entstehen erhebliche betriebs- und volkswirtschaftliche Schäden [VCD06a]. In den Transportketten des kombinierten Verkehrs, deren Ziele im Nahbereich liegen, kann diese letzte Meile aber aufgrund der Verkehrsanbindung oft nur über ein straßengebundenes Fahrzeug realisiert werden. Im Rahmen der Stadtlogistik wurden daher verschiedene Konzepte entwickelt, um die negativen Auswirkungen innerstädtischer Verkehre zu reduzieren. Im Folgenden soll eine kurze Übersicht über ausgewählte Lösungsansätze gegeben werden.
Ein Ansatz liegt in der Organisation der Verkehre und der Abstimmung der einzelnen Akteure untereinander. Durch Kooperationen von in Güterverkehrszentren (GVZ) angesiedelten Speditionen bei der Warenauslieferung in Ballungsräumen sollen die Transportströme möglichst effizient gestaltet werden und zudem durch eine Optimierung des Lieferverkehrs eine Verkehrsentlastung bewirkt werden [LUB10]. Das GVZ dient dabei als Terminal für den Kombinierten Verkehr, in dem die Ladeeinheiten gesammelt und entsprechend verteilt werden. Dieser organisatorische Ansatz kann durch Konzepte zur Änderung der im Güternahverkehr verwendeten Betriebsmittel, vor allem der Transport- und Ladeeinheiten, erweitert werden. Diese Konzepte zielen darauf ab, die bestehende Infrastruktur durch eine bessere Anpassung an die Transportaufgabe effizienter zu nutzen und den Transportprozess wirtschaftlicher und umweltfreundlicher zu gestalten. Im Rahmen des EU-Projektes "Innovative Distribution with Intermodal Freight Operation in Metropolitian Areas" (IDIOMA) wurde beispielsweise mit der Combibox ein System entwickelt, in dem ein kleiner Container, der vier Europaletten fassen kann, durch ein speziell dafür dimensioniertes Fahrzeug im Nahbereich ausgeliefert wird [OSMO05].
Zur Entlastung der bestehenden Infrastruktur kann die Schaffung einer neuen, an die Anforderungen des innerstädtischen Gütertransports angepassten Transportalternative dienen. Vor allem unterirdische Tunnelsysteme werden als dafür geeignet betrachtet. Wesentliche Vorteile solcher Transportsysteme liegen in der Unabhängigkeit vom sonstigen Verkehr und der damit verbundenen Reduzierung von Staus sowie Vermeidung von Unfällen. Darüber hinaus würden im Fall eines elektrischen Betriebs solcher Systeme keine direkten Emissionen freigesetzt werden. Ein Beispiel ist der Entwurf des Projektes "CargoCap" in Bergisch Gladbach. Allerdings steht die Stadt dem Projekt eher ablehnend gegenüber, da der Bau und Unterhalt für die nächsten 60 Jahre rund 135 Millionen Euro kosten würden [KNUE09; 551371]. Dem gegenüber steht eine Verlagerung von sieben Prozent des Schwerverkehrs aus der Stadt unter die Erde und die Einsparung aller damit verbundenen Emissionen und anderen externen Kosten.
Zudem ist ein weiteres neues Konzept die Zustellung mit sogenannten Lastfahrrädern über das Mikro-Depot-Konzept. Dieses wird bereits in einigen großen Städten und dicht besiedelten Räumen (Ballungsräumen), wie zum Beispiel von UPS in Hamburg, der TH Nürnberg, Hermes, DPD und GLS, angewandt und erprobt. Weitere solcher Projekte sind in Berlin oder München in Planung. "Der Mikro-Depot-Ansatz ist so konzipiert, dass die Pakete vor der Zustellung in einem direkt im Zustellgebiet befindlichen Zwischenlager deponiert werden, sodass sie mit Lastenfahrrädern in einem kleineren Umkreis vom Mikro-Depot ausgeliefert werden können. Auf der allerletzten Meile werden diese am Mikro-Depot auf Lastenfahrräder verladen und durch diese lokal emissionsfrei zugestellt." Aufgrund des begrenzten Ladevolumens der Lastenfahrräder ist es notwendig, dass teilweise konventionelle Zustellfahrzeuge bestehen bleiben müssen. Dies trifft vor allem auf große Modehäuser oder Elektro- und Technikfachgeschäfte zu, deren Bestellungen in größerem Umfang zu erwarten sind [BVPE17]. Eine weitere Möglichkeit zur Bewältigung der letzten Meile stellt der Einsatz von autonomen Robotern dar. So setzt beispielsweise das Start-up Starship Technologies bereits autonome Transportroboter in über 100 Städten weltweit ein bzw. werden erprobt. Die Roboter wurden unter anderem in Hamburg von dem KEP-Dienstleister Hermes in einem Pilotprojekt für die Zustellung von Paketen getestet. Die Roboter boten dabei die Option, Pakete bis zur Haustür des Kunden zu bringen oder Retouren anzunehmen. Somit sollten Abholfahrten mit dem Auto vonseiten des Kunden reduziert werden [Hein18, S. 26]. Hermes führte den Einsatz der Roboter in der Zustellung nach der Testphase von 2016/17 vorerst nicht fort, da der Mehrwert für den Kunden noch zu gering ist [Ebel18, S. 46]. Abgesehen davon steht diese Technologie vor großen rechtlichen Herausforderungen sowie technologischen in Bezug auf Reichweite und Ladekapazität [Voß20, S. 131]. Die gern diskutierte Warenauslieferung per Drohne hat diametral zu der Aufmerksamkeit, die sie bekommt, nur einen marginalen Anteil an allen Lieferungen auf der letzten Meile. In Österreich kämen gerade mal 0,02 % aller Lieferungen dafür in Frage [Voß20, S. 156].