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Möglichkeiten zur Triebwerkslärmminderung

Erstellt am: 10.11.2002 | Stand des Wissens: 23.02.2024
Synthesebericht gehört zu:
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IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

Die hauptsächliche Lärmemission heutiger Turbofantriebwerke resultiert aus der hohen aerodynamischen Belastung des Fans aufgrund hoher Leistung bei niedrigen Gewichten. Eine Reduzierung verlangt die Senkung der Blattspitzengeschwindigkeit und des Druckverhältnisses. Von der Verbrauchs- und Leistungsseite erweist sich aufgrund guten Wirkungsgrades die Kombination von hohem By-Pass-Verhältnis mit niedrigem Druckverhältnis und niedriger Umfangsgeschwindigkeit als günstig.

Lärmseitig wird ein um rund 15 Perceived Noise Decibel niedrigerer Pegel erreicht, wobei die Lärmreduzierung aufgrund der von einem hohen By-Pass-Verhältnis verursachten Verminderung der Strahlgeschwindigkeit immer stärker ist als die Lärmerhöhung aufgrund der mit großen Durchsätzen verbundenen Leistungserhöhung des Fans. Gewichts- und kostenseitig sind jedoch erhebliche Kompromisse zu schließen. Ein langsam drehender Fan bedeutet eine ebenso langsam drehende Turbine, was bei gleicher Leistung zu einer Erhöhung der Anzahl der Turbinenstufen beziehungsweise zur Konzeption eines Getriebes zwischen Fan und Turbine führt. Die Kombination hoher Durchsätze mit niedrigen Druckverhältnissen verlangt große Abmessungen mit hohen Widerständen im Reiseflug. Gleichzeitig steigt der Gewichtsaufwand pro Tonne erzeugten Schubes. Die hohen und breiten Schaufeln führen zu Spannungs- und Festigkeitsproblemen.

Zur Vermeidung von Interferenzen zwischen rotierenden und stehenden Schaufeln wird auf Einlass-Leitstufen und deren leistungserhöhende Wirkung verzichtet. Weiterhin werden größere Abstände zwischen Rotor und Stator konzipiert. Die diskreten Tonfrequenzen des Fanlärms lassen sich durch eine günstige Wahl der Anzahl und des Anzahlverhältnisses der Schaufeln von Rotor und Stator in den Hintergrund des Fanbreitbandlärmes reduzieren.

Bei dem hochfrequenten Lärmspektrum des Fans, aber auch beim Turbinen- und Schubrohrlärm (kein Strahllärm), gelten Dämpfungsmaßnahmen als wirkungsvoll, außer bei niederfrequentem Strahllärm. Die Wirkung von schallabsorbierendem Material (SAM) beruht auf der Vernichtung von Bewegungsenergie durch Reibung und Umwandlung in Wärme und der Auslöschung von Schallwellen durch lnterferenz. Das Ausmaß der Lärmreduktion ist abhängig von der Beschaffenheit des Absorbermaterials, dem Verhältnis von Kanalhöhe zu Schallwellenlängen und dem Verhältnis der absorbierenden Fläche zur schallemittierenden Fläche.

Zur Beeinflussung der geometrischen Verhältnisse werden im Fanaustritt radiale oder konzentrische Teilungsflächen (sogenannte Splitter) angebracht, die mit schallabsorbierendem Material ausgekleidet sind. Auskleidungen aus  schallabsorbierendem Material bestehen aus wabenförmigen Kammern mit einer der Strömung zugewandten Deckplatte aus porösem Material. In einer kalten Luftführung (Fan) werden Glasfasern für die Deckplatte und Leichtmetall für die Kammern verwendet. Bei einem heißen Gas (Turbine) wird eine Kombination aus Metallfasern und Stahl verwandt. Maßnahmen zur Schalldämpfung sind mit starken Druck- und Schubverlusten und gleichzeitiger Gewichtserhöhung verbunden.

Im Rahmen des Quiet Engine-Programmes der National Aeronautics and Space Administration wurde mit intensiven Dämpfungsmaßnahmen im besten Falle eine Lärmreduzierung um 16 Perceived Noise Decibel erreicht. Das Gewicht des schallabsorbierenden Materials betrug dabei 670 Kilogramm. Außerdem musste ein Schubverlust im Reiseflug von 6,6 Prozent und eine Erhöhung des spezifischen Kraftstoffverbrauches von 5,5 Prozent in Kauf genommen werden. Da die wesentlichen Ursachen des Strahllärms von den Relativgeschwindigkeiten von Strahl und Umgebung abhängen, muß die Geschwindigkeit des Schubstrahles reduziert werden. Eine Erhöhung des By-Pass-Verhältnisses erzielt diesen Effekt wirksam, sowohl im Primär- als auch im Sekundärkreis. Die damit verbundenen negativen Auswirkungen auf Gewichte und Kosten wurden im Zusammenhang mit dem Fanlärm beschrieben. Heutzutage werden By-Pass-Verhältnisse von bis zu sechs realisiert. Oberhalb von acht wird ein Getriebe erforderlich, über zehn hinaus erscheint eine weitere Erhöhung nicht sinnvoll. Bis zu dieser Größenordnung lassen sich durch eine Reduzierung der Strahlgeschwindigkeit Lärmminderungen von 20 bis 25 Perceived Noise Decibel erreichen. Ist eine variable Schubdüsenfläche vorhanden, zum Beispiel bei der Concorde, so kann die Herabsetzung der Geschwindigkeit des Schubstrahles auch durch die Einstellung einer zu großen Schubdüsenfläche beim Start erreicht werden, aber unter Inkaufnahme der damit verbundenen Schubverluste.

Ein sehr effektives Mittel zur Minderung des Lärms von Hochgeschwindigkeitsstrahlen ist die Unterdrückung der Mischungsturbulenzen mit Hilfe spezieller Düsenformen (Suppressor). Dabei wird der Strahl in Einzelstrahlen zergliedert und nach dem Ejektorprinzip Außenluft angesaugt, womit sich die Relativgeschwindigkeit zwischen Teilstrahl und Umgebungsluft verringert. Mit der Lärmreduktion ist auch eine Verschiebung zu höheren Frequenzen verbunden, die in der Atmosphäre stärker gedämpft werden und damit schneller abklingen. Die Wirksamkeit dieser Maßnahme hängt von der Anzahl der Einzelelemente und der Form des Düsenrandes ab. Unter günstigen Verhältnissen lassen sich sechs bis zehn Perceived Noise Decibel Lärmreduzierung erreichen.

Die konsequente Durchführung aller technisch denkbaren Maßnahmen würde letztlich aber zu einem Flugzeug führen, das zwar einen Lärmpegel unterhalb des Umgebungslärms erzeugt, aber von keiner Fluggesellschaft ohne wirtschaftliche Verluste betrieben werden kann.
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maßnahmen zum Schutz vor Fluglärm und Lärmminderung (Stand des Wissens: 13.12.2016)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?97653
Weiterführende Literatur
[ONERA03] Batard, H. Aircraft noise reduction: AIRBUS industrial needs in terms of new materials for nacelle liners, 2003/01/16
[BCAG02a] Rushwald, I. Continuing Work on Aircraft Noise Reduction, 2002/02/26
[AECMA99] k.A. European Aerospace Idustry Team to Reduce Aircraft Noise, 1999/11/23
Glossar
Umgebungslärm
Der Begriff Umgebungslärm bezeichnet unerwünschte oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien, die durch Aktivitäten von Menschen verursacht werden, einschließlich des Lärms, der von Verkehrsmitteln, Straßenverkehr, Eisenbahnverkehr, Flugverkehr sowie Geländen für industrielle Tätigkeiten ausgeht.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?19026

Gedruckt am Sonntag, 28. April 2024 18:47:45