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Maßnahmen zur Verkehrssteuerung bei Events

Erstellt am: 18.08.2005 | Stand des Wissens: 29.06.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Räumliche Bestimmung von Mobilitäts- und Sicherheitszonen
Die räumliche Aufteilung des Veranstaltungsortes ist für die Planung von Eventmobilität unverzichtbar. So können Veranstaltungsort in Kernzone, Mantelzone und Fernverkehrszone unterteilt werden. Durch diese räumliche Trennung in Zonen lassen sich Prioritäten des Mobilitätsaufkommens festsetzen.
Die Kernzone erfasst das engere Veranstaltungsgelände, wo zu Fuß gegangen wird. Fußgänger und Fußgängerinnen haben Vorrang. Autos, interne Buslinien und Räder sind in dieser Zone nicht gestattet. Schwierig gestaltet sich die Abgrenzung bei frei zugänglichen Events.
Die Mantelzone umkreist die Kernzone und ist von Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, Parkplätzen für PKWs, Taxis und Busse begrenzt. Bereiche zum Ein- und Aussteigen der Besucher und Besucherinnen sollen am Rande des Veranstaltungsgeländes, also an der Grenze von Kern- und Mantelzone, eingerichtet sein. Pufferzonen helfen, die Besuchsgruppen auszutauschen, abzuleiten, zu entzerren und Fluchtwege zu schaffen. Die Distanzen innerhalb der Mantelzone können zumeist zu Fuß, zumindest aber mit dem Fahrrad oder durch die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel überwunden werden 
Die Fernverkehrszone umfasst alle Fernbahnhöfe, Flughäfen, Außenringe der Auto- und Eisenbahn, Parkplätze und Shuttledienste zum Eventgelände. Um Innenstädte vom Verkehrsaufkommen freizuhalten und Verspätungen zu vermeiden, kann die Eingrenzung bis zu einem Radius zu den Vorortbahnhöfen begrenzt werden [Anzi08].
Verkehrslenkungsplan
Grundlage der Verkehrskonzepte von Events sollte ein Verkehrslenkungsplan sein. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf einem Verkehrszeichenplan der Polizei, in dem Sperrungen und Wegweisungen im Umfeld des Veranstaltungsortes festgelegt werden. Besonderes Gewicht sollte dabei auf die Notfallversorgung gelegt werden. Bei der Planung sollte die Einrichtung einer Leitstelle geprüft werden, in der die Entscheidungsträger aller Verkehrsträger integriert werden, um schnell über eventuelle Sondermaßnahmen beim Auftreten kritischer Situationen entscheiden zu können [Hein04a, S. 61 f.].
Bei allen Ansätzen der Verkehrssteuerung sollte der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) besondere Beachtung finden, da durch ihn die Beförderung großer Besucherzahlen am effizientesten abgewickelt werden kann. Eine ungehinderte Abwicklung des ÖPNV sollte daher oberste Priorität haben.
Für den Individualverkehr können folgende verkehrssteuernde Maßnahmen unterschieden werden:
  • statische Verkehrslenkung über ortsfeste Schilder,
  • manuelle Steuerung durch die Polizei vor Ort und
  • dynamische Steuerungen beziehungsweise Lichtsignalsteuerungen.
Bei kleineren Events, bei denen keine Überlastung der Verkehrssysteme zu erwarten ist, ist in der Regel eine Ausschilderung von Anfahrrouten und Parkplätzen ausreichend.
Manuelle Steuerungen sind dann sinnvoll, wenn:
  • die zu regelnden Verkehrsströme punktuell sehr stark sind,
  • nur selten auftreten oder
  • wenn besonders flexibel auf auftretende Störungen reagiert werden muss.
Bei häufigerem Auftreten sehr großer Verkehrsströme (wie zum Beispiel Messen, Stadionverkehren, Freizeitparks) können zur Einsparung von Personalkosten (elektronische) Maßnahmen realisiert werden, die jedoch zum Teil sehr hohe Investitionskosten erfordern. Folgende elektronische Maßnahmen können in Erwägung gezogen werden:
Dynamische Straßenraumfreigabe
Wenn die zu- und ablaufenden Ströme zu einem Event klar voneinander getrennt sind und wesentlich stärker sind als die sonstigen Verkehrsströme im jeweiligen Straßennetz, so kann die Einrichtung einer dynamischen Straßenraumfreigabe sinnvoll sein.
Ein Beispiel für eine derartige Umsetzung ist der Messeschnellweg zur Messe in Hannover [vgl. ScHn00]. Hierbei kann aus zwei regulären Fahrstreifen je Richtung während der Zeitfenster von Zu- und Abfahrt ein Einrichtungsverkehr mit bis zu sechs Streifen (einschließlich Standstreifen) je Richtung geschaltet werden. Hierzu sind neben der erforderlichen Beschilderung auch Sicherungen zur Sperrung der Zufahrten erforderlich. Bei Verkehrsführungen, bei denen die Straßen in beiden Richtungen mit wechselnder Spurzuweisung befahren werden können, stellen die Signalisierungen und Markierungen besondere Anforderungen an die Verkehrssicherheit. Dies regelt die kooperative Verkehrsleitzentrale "move". Hierbei sitzen (bei hohem Verkehrsaufkommen) Polizei, Straßenverkehrsbehörden und Mitarbeitende von Verkehrsunternehmen gemeinsam in einer Zentrale, um den Verkehr zu beobachten und gegebenenfalls verkehrslenkende Maßnahmen zu beschließen. Diese kooperative Verkehrsleitzentrale gilt auch als Vorbild für zahlreiche andere Zentralen in Deutschland [Schi04d, S. 204].
Verkehrsabhängige Signalsteuerung
Bei älteren Lichtsignalanlagen können in den Steuergeräten feste Programme hinterlegt werden, die zu festgelegten Zeitpunkten starten und enden.
Flexibler sind neuere Systeme, bei denen in Abhängigkeit des Verkehrsaufkommens die Signalprogramme wechseln können. Zusätzlich können zum Beispiel über Verkehrsleitzentralen bestimmte Programme direkt angewählt oder modifiziert werden. Dabei sollten die Belange des ÖPNV in besonderer Weise berücksichtigt werden.
Dynamische Wegweisung/Wechselwegweisung
Mit Hilfe von Schildern, Anzeigetafeln und gegebenenfalls über Radio, und Internet etc. können Verkehrsströme gezielt über Alternativrouten gelenkt oder auf mehrere Strecken verteilt werden. Hierbei ist zu beachten, dass ortskundige Nutzende solchen Angaben nur zum Teil folgen und bewusst Nebenstrecken wählen.
Parkleitsysteme
Parkleitsysteme sind bei sehr großen und verteilten Parkplätzen (zum Beispiel Messen) sinnvoll. Dabei sollten die Parkplätze nach grober Herkunft der Parkenden unterteilt werden. Durch eine gezielte Entflechtung der Parksuchverkehre kann die An- und Abreise beschleunigt erfolgen [vgl. ScHn00].


Ein Beispiel für eine sehr ausgefeilte Verkehrssteuerung ist das Verkehrsleitsystem von Messe und Stadion in Nürnberg. Eine Nähe von zum Beispiel Stadion und Messe, wie in Nürnberg, ist dabei hilfreich für die Finanzierung derartiger Verkehrssteuerungskonzepte und steigert deren Nutzen.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Eventverkehr (Stand des Wissens: 15.09.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?287768
Literatur
[Anzi08] Anzinger, Kathrin, Lechner, David, Philipp, Thomas, Thanner, Lydia Eventmobilität. Kulturhauptstadt Linz09 , 2008
[Hein04a] Heinze, G.Wolfgang, Prof. Dr. rer. pol. Grundlagen der Verkehrsplanung von Events, veröffentlicht in Handbuch Eventverkehr, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co, Berlin, 2004, ISBN/ISSN 3-503-07830-4
[Schi04d] diverse Erfolgreiche Eventverkehre, MetaGIS Infosysteme, Mannheim, 2004, ISBN/ISSN 3 936438 07 2
[ScHn00] Hoffmann, Stephan, Schnüll, R., Prof. Dr.-Ing. Innovative Beiträge zum Verkehrsplanungs- und Verkehrsmanagementkonzept für die Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover, veröffentlicht in Veröffentlichungen des Instituts für Verkehrswirtschaft, Straßenwesen und Städtebau, Hannover, 2000, ISBN/ISSN 3-922344-27-5
Weiterführende Literatur
[BMVBW00r] Beckmann, Bernhard, Dipl.-Ing., Wehmeier, Thomas, Dipl.-Ing., Springsfeld, Christoph, Dipl.-Ing., Düsterwald, Michael, Beckmann, Klaus, Univ.-Prof. Dr.-Ing., Serwill, Dirk, Dr.-Ing. Leitstrategien individueller und kollektiver Zielführung in verkehrstechnischen Steuerungsverfahren, 2000
[Hama04] Hamann, Rainer, Dr.-Ing. Verkehrliche Behandlung von Events/Veranstaltungen, veröffentlicht in Verkehr und Technik, 2004/05
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?160874

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 09:54:33