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Lärmminderung im innerstädtischen Schienenverkehr durch Vegetationssysteme im Gleis

Erstellt am: 16.12.2003 | Stand des Wissens: 31.05.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Eine Möglichkeit, den Schienenverkehrslärm in Stadtgebieten zu reduzieren, ist der Einbau von Vegetationssystemen in das Gleisbett (umgangssprachlich Rasengleis oder Grünes Gleis). Dieses schafft neben seiner schalldämmenden Eigenschaft zudem neue Grünflächen in teilweise hochversiegelten Innenstadtbereichen und kann damit zu einer Aufwertung des Arbeits- und Wohnumfeldes beitragen [HeSi03a, S. 7]. In Berlin gab es bereits 1917 37,5 Kilometer Rasengleise - diese waren bis in die 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts verbreitet, wurden aber vor allem durch Anforderungen an den Korrosionsschutz stark zurückgedrängt [GlSc11, S. 26]. Ferner haben Rasengleise insbesondere durch die Kühlwirkung und die Wasserspeicherfähigkeit des Grüns positive Auswirkungen auf das Mikroklima in einer Stadt, wobei sich die Mehrkosten für die Installation eines Rasengleises volkswirtschaftlich durch die genannten Effekte schnell monetarisieren [BöKi10]. 2009 waren deutschlandweit mehr als 375 Gleiskilometer in dieser Oberbauform gehalten [GlSc11, S. 27].
20091120_Gotha_MGr_32.jpgAbb. 1: Rasengleis der Straßenbahn Gotha (Foto: TU Berlin, Fachgebiet Schienenfahrwege und Bahnbetrieb, Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)

Die dominierende Funktion der Gleisbett-Naturierung stellt jedoch das Lärmminderungspotenzial dar. Nach Henze und Siemsen ist in vielen Fällen ausschließlich dieses Potenzial ausschlaggebend für die Installation von Vegetationssystemen [HeSi03a, S. 8]. So wird bei der Berechnung des Schallpegels gemäß der Richtlinie "Schall 03" Rasengleisen - unabhängig von hoch- oder tiefliegender Bauart - pauschal ein Bonus in Form eines Schallpegelabschlags von 2 Dezibel(A) gewährt [16. BImSchV, Anlage 2; Schall 03 (in Überarbeitung)]. Dieser Bonus ist in der Wissenschaft bereits seit einiger Zeit umstritten (siehe zum Beispiel [Gies00, S. 14]).
Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiierten Verbundforschungsprojekts "LERM: Low Emission Railway System" wurde das Schallminderungspotenzial von Vegetationssystemen im Gleis als ein Teilthema untersucht [BMBF03l, S. 16]. Die Untersuchungen zeigten, dass Vegetationssysteme im Gleis einen beachtlichen Schallabsorptionsgrad aufweisen, der in Abhängigkeit von der Gesamtsystembauweise und der Ausgestaltung einzelner Elemente des Naturierungssystems in unterschiedlichem Maße ausgeschöpft wird. In Bezug auf die Bauweise zeigten die schalltechnischen Untersuchungen, dass hochliegende Naturierungssysteme bessere Schallabsorptionsgrade aufweisen und bestätigten damit die Zweifel an einer pauschalen Bewertung der beiden unterschiedlichen Bauformen. "Die Einhausung der Schallquelle 'Schiene' und der erhöhte Anteil schallabsorbierender 'grüner Oberflächen' am Trassenquerschnitt im Vergleich zu den schallharten 'technischen Oberflächen' verbessert das Schallminderungspotenzial am wirksamsten" [BMBF03l, S. 26]. In den Versuchen gelang es, den Schallabsorptionsgrad des Schottergleises in wesentlichen Frequenzbereichen zu übertreffen. Durch den Einbau von Vegetationssystemen bei der Oberbauform Feste Fahrbahn könnten somit deren schalltechnische Nachteile behoben werden [BMBF03l, S. 25 f.].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Schallschutz im Bereich des Schienenverkehrs (Stand des Wissens: 31.05.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?312926
Literatur
[BMBF03l] IASP an der Humboldt Universität zu Berlin,, LEONHARD WEISS GmbH & Co INFUNDO,, Stadtwerke München GmbH Unternehmensbereich Verkehr,, Universität Karlsruhe - Abteilung Eisenbahnwesen "Low Emission Railway SysteM (LERM)" - Grundlagenforschung und Weiterentwicklung von Schienenfahrwegen für den regionalen Personenverkehr, 2003/12
[BöKi10] Böhme, Danilo, Kirchner, Lars, Siegl, Ankea Auswirkungen des Rasengleises auf das Klima in der Stadt, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 06/2010, Alba Fachverlag, Düsseldorf, 2010/06, ISBN/ISSN 0722-8287
[Gies00] Giesler, Dipl.-Ing. Heinz-Joachim Geräuschemissionen von Straßenbahnen, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 04, Alba Fachverlag, 2000, ISBN/ISSN 0722-8287
[GlSc11] Glaser, Oliver, Schreiter, Hendrikje Ein Netzwerk für Rasengleise, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 11/2011, Alba Fachverlag, Düsseldorf, 2011/11, ISBN/ISSN 0722-8287
[HeSi03a] Henze, Joachim, Dr.agr., Siemsen, Michael, Dipl.-Biol. Die stadtökologische Bedeutung des Grünen Gleises, veröffentlicht in Das Grüne Gleis - Technik und Systeme, Media-Network, Pfungstadt, 2003
Weiterführende Literatur
[Gall06] Gall, Heinrich Die Feste Fahrbahn mit grüner Eindeckung als attraktiver Verkehrsweg, veröffentlicht in Nahverkehrs-praxis, Ausgabe/Auflage 9, 2006, ISBN/ISSN 0342-9849
[16. BImSchV] Sechzehnte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes
Glossar
dB(A) Messgröße des A-bewerteten Schalldruckpegels zur Bestimmung von Geräuschpegeln. Die dB-Skala ist logarithmisch aufgebaut, d. h. eine Verdoppelung der Lärmintensität führt zu einer Erhöhung um 3 dB. Das menschliche Ohr empfindet eine Erhöhung um 10 dB als Verdoppelung der Lautstärke. Hierzu ist eine Schallintensitätsverzehnfachung erforderlich. Der Zusatz "(A)" gibt an, dass dem betreffenden Messergebnis die standardisierte A-Berwertungskurve zugrunde liegt. Sie berücksichtigt einen nichtlinearen frequenz- und pegelabhängigen Zusammenhang zwischen subjektiv wahrgenommenem Läutstärkepegel und vorliegendem Schalldruckpegel. So empfindet das menschliche Gehör bspw. mittlere Frequenzen im Vergleich zu niedrigen Frequenzgängen als wesentlich lauter, weshalb die Einheit dB(A) entsprechende Tonhöhen stärker gewichtet. Ein gesundes Ohr kann bereits einen Schalldruck von 0 dB (A) wahrnehmen (Hörschwelle), bei Werten über 120 dB (A) wird die Geräuschbelastung unerträglich laut (Schmerzgrenze). Eine Langzeiteinwirkung von über 85 dB(A) zieht u. U. dauerhafte Gehörschäden nach sich.
Feste Fahrbahn Unter dem Begriff Feste Fahrbahnwird im allgemeinen ein Oberbau von Schienenfahrwegen verstanden, bei dem der herkömmliche Schotter durch ein anderes Material (insbesondere Beton oder Asphalt) ersetzt wird, welches im Gegensatz zum Schotter nur geringe Verformungen aufweist. Die geforderte Elastizität wird bei der FF durch Verwendung von elastischen Materialien zwischen Schiene und Schwelle und/oder unter der Schwelle (so genannte Zwischenlagen) erreicht.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?69099

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 14:54:36