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Fußgängerverkehrsanlagen

Erstellt am: 26.09.2003 | Stand des Wissens: 28.05.2018
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Die Fußgängerverkehrsanlagen haben die Aufgabe, den Belangen des Fußgängerverkehrs innerhalb des Verkehrssystems Rechnung zu tragen. Das Zufußgehen als elementare Art der Fortbewegung bildet den Ausgangspunkt der Mobilität und ist somit in vielfältiger Weise zu berücksichtigen und zu fördern.

Neben der nahräumlichen Erschließung dienen Fußgängerverkehrsanlagen auch dem Aufenthalt, der Erholung sowie der Möglichkeit von sozialem Kontakt.

In den vergangenen Jahrzehnten verlor das Zufußgehen in Verbindung mit der steigenden Bedeutung des Autos und dem damit entwickelten Planungsansatz der autogerechten Stadt an Popularität.

Durch das Konzept der Stadt der kurzen Wege rücken die Belange der Fußgänger jedoch in der jüngeren Vergangenheit wieder stärker ins allgemeine Interesse [FUSS09, UBA11b]. Nach zuvor eher rückläufigen Tendenzen stagniert der Anteil des Fußgängerverkehraufkommens in Städten seit etwa zehn Jahren auf einem Niveau von etwa 30 Prozent. Der Anteil des Fußgängerverkehrs an der Verkehrsleistung, also der Summe der pro Person täglich absolvierten Kilometer, liegt in den Städten bei circa fünf Prozent [ESrV18].

Die Anzahl der verunglückten Fußgänger ist innerorts seit dem Jahr 2008 von insgesamt 33.423 Personen auf 31.737 im Jahr 2016 gesunken, wobei seit 2015 die Verunglücktenzahlen sehr geringfügig steigen [STBU18a].
Die Anlagen des Fußverkehrs müssen allen Nutzergruppen wie Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen oder Senioren aber auch mobilitätseingeschränkten Personen genügen gerecht werden [Dittr02; Bast99d].Dabei stehen die soziale und körperliche Sicherheit letztere im Sinne der Trennung vom Fahrverkehr im Vordergrund, ebenso angenehme, umweg- und hindernisfreie Bewegungsbedingungen. Die Planung von Fußgängerverkehrsanlagen muss insbesondere auch die Umwegempfindlichkeit dieser Verkehrsteilnehmergruppe berücksichtigen und möglichst kurze und attraktive Wegeverbindungen anbieten.

Generell sollen Fußgängerverkehrsanlagen übersichtlich und begreifbar sein, sowie Möglichkeiten zur Orientierung geben [FGSV02c].
Bei Infrastrukturanlagen für den Fußgängerverkehr unterscheidet man Anlagen für den Fußgängerlängsverkehr (Gehwege), den Fußgängerquerverkehr (Querungsanlagen) sowie Ausstattungsanlagen (Sitzmöglichkeiten, Spielplätze, WC). Die Anlagen für den Fußgängerlängsverkehr sind innerorts an angebauten Straßen stets erforderlich, wohingegen sie außerorts nur in bestimmen Fällen notwendig werden [FGSV02c].
Fußgängerquerungsanlagen werden in verkehrlicher und baulicher Hinsicht in Querungsanlagen ohne und mit Vorrang für den Fußgängerverkehr sowie mittels zeitlicher oder räumlicher Trennung unterschieden [FGSV02c]. Fahrbahnquerungen bergen für den Fußgänger ein besonderes Konfliktpotenzial. Aus diesem Grund ist bei der Planung derartiger Anlagen ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit zu legen [Neub02]. Generell existiert ein erhöhter Querungsbedarf vor allem bei beidseitiger Wohnbebauung, Geschäfts- und Dienstleistungsbetrieben, punktuell besonderen Zielen für Fußgänger (beispielsweise Schulen oder infrastrukturelle Einrichtungen), Haltestellen und wichtigen Wegeverbindungen [FGSV02c].

Die Dimensionierung von Gehwegen ist abhängig von der Bedeutung und Nutzung der Straße [FGSV02c] Die empfohlene Mindestgehwegbreite von 2,50 Meter ermöglicht die Begegnung von zwei Personen, ohne dass diese sich gegenseitig behindern [FGSV02c]. Besondere Stadträume für Fußgänger sind beispielsweise Fußgängerzonen, Plätze, Parks oder verkehrsberuhigte Bereiche, da diese speziell auf die spezifischen Anforderungen und Bedürfnisse von Fußgängern ausgerichtet sind.

Um die Orientierung auf Fußverkehrsanlagen zu erleichtern, können bauliche und gestalterische Maßnahmen eingesetzt werden:
  • Blickachsen im Zuge von Gehwegen einrichten, um Ziel- und Zwischenpunkte als Orientierung nutzen zu können,
  • überschaubare, eindeutige Führung der Verkehrsanlagen im Hinblick auf die Topografie und das Umfeld,
  • Verwendung einheitlicher Gehwegbelage im Netz,
  • Abschnitte unterschiedlicher Funktionen und Bedeutungen auch baulich unterschiedlich ausbilden sowie
  • einheitliche Farbgestaltung als Wiedererkennungsmerkmal.

Die Verbände wie der FUSS e.V. arbeiten daran, den Fußverkehr zu stärken und dessen Vorteile hervorzuheben und zu kommunizieren. In Zusammenarbeit mit dem Bund wird so bis 2018 ein Handlungsleitfaden für Fußverkehrsstrategien entworfen, der Kommunen und Städten helfen soll, den Fußverkehr zu fördern.
Das Ziel ist es, den Fußverkehr aus der untergeordneten Rolle im Straßenverkehr auf ein Niveau der Gleichberechtigung mit anderen Verkehrsmitteln zu bringen [FGSV02c]. Diese Aufgabe ist aufgrund der über Jahre gefestigten, autoaffinen Infrastruktur nicht trivial und bedarf der Zusammenarbeit verschiedener Institutionen, wie beispielsweise Politik, Planung und Schule.

Da das Zufußgehen neben positiven Effekten für die Gesundheit der Gehenden auch zur verbesserten Luftqualität, Lärmreduktion und Stauentlastung vor allem in Städten beiträgt, ist es ein besonders wichtiges Anliegen, diese Verkehrsteilnehmer zu schützen und die Städte für das Zufußgehen perspektivisch attraktiver zu gestalten.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Fußgängerverkehrsanlagen (Stand des Wissens: 07.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?300815
Literatur
[Bast99d] Böhle, Wolfgang , et al., Alrutz, Dankmar, Dipl. Ing. Flächenansprüche von Fußgängern, veröffentlicht in Berichte der Bundesanstalt für Straßenwesen, Ausgabe/Auflage Heft V71, Wirtrschaftsverlag NW Bergisch Gladbach/ Bremerhaven, 1999/11/01, ISBN/ISSN 3-89701-428-9
[Dittr02] Dittrich-Wesbuer, Andrea , Bräuer, Dirk Die EFA - Anspruchsgerechte Wege für den Fußgänger-Längsverkehr, veröffentlicht in Straßenverkehrstechnik, Ausgabe/Auflage 11, 2002
[FGSV02c] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. , Arbeitskreis 2.5.2 (Fußgängerverkehr) Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA), FGSV-Verlag, Köln, 2002
[FUSS09] Steinberg, G. Stadt der kurzen Wege. Nahmobilitätsförderung als Beitrag zur Klimaentlastung, veröffentlicht in mobilogisch!, Ausgabe/Auflage Heft 2/2009, 2009/02
[Neub02] Neubert, Klaus, Dipl.-Ing. , Wiebusch-Wothge, Rainer, Dr.-Ing. Betrieb und Ausstattung von Fußgängerverkehrsanlagen, veröffentlicht in Straßenverkehrstechnik, Ausgabe/Auflage 12, 2002/12
[SRV14] Ahrens, G. Die Stunde der Wahrheit, 2014/11/10
[STBU18a] Statistisches Bundesamt Statistik der Straßenverkehrsunfälle, Verunglückte: Deutschland, Jahre, Geschlecht, Altersgruppen, Art der Verkehrsbeteiligung, Ortslage, Schwere der
Verletzung, 2018
[UBA11b] Beckmann, K., Gies, J., Preuß, T., Thiemann-Linden, J., Leitkonzept - Stadt und Region der kurzen Wege, 2011/08, ISBN/ISSN 1862-4804
Weiterführende Literatur
[NMV05] Planungsgemeinschaft Verkehr, Hannover Chancen und Optimierungspotentiale des nichtmotorisierten Verkehrs, Hannover, 2005
[FGSV11] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Empfehlungen zur Straßenraumgestaltung innerhalb bebauter Gebiete (ESG), FGSV Verlag / Köln, 2011, ISBN/ISSN 978-3-941790-76-6
[UBA18g] Bauer, U.; , Hertel, M.;, Buchmann, L.;, Frehn, M.; Spott, M. Geht doch! - Grundzüge einer bundesweiten Fußverkehrsstrategie, veröffentlicht in UBA-TEXTE, Ausgabe/Auflage 75/2018, Umweltbundesamt / Dessau-Roßlau, 2018/10, ISBN/ISSN 1862- 4359
[HBS01] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen, Ausgabe/Auflage FGSV-Nr. 299, Fassung 2015, FGSV Verlag GmbH, Köln, 2001, ISBN/ISSN 978-3-941790-35-3
[HBVA11] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Hinweise für barrierefreie Verkehrsanlagen (H BVA), 2011/06
[RASt06] Baier, Reinhold, et al. Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen - RASt 06, Ausgabe/Auflage 2006, Köln, 2007, ISBN/ISSN 978-3-939715-21-4
[ESrV18] TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike, Gerike, Regine, Hubrich, Stefan, Ließke, Frank, Wittig, Sebastian, Wittwer, Rico Was sich zeigt.
Präsentation und Diskussion der Ergebnisse des SrV 2018, 2020/03/13
[o.A.04a] o.A. Wegweisungssysteme für den Fußverkehr, veröffentlicht in Fußnote, Ausgabe/Auflage August 2004, EduArt Publish, Fürth, 2004/08
Glossar
Querungsanlage
Querungsananlagen beinhalten alle Maßnahmen an Fahrbahnen, die es insbesondere Fußgänger*innen ermöglichen, die Fahrbahn sicherer, schneller und komfortabler zu überqueren. Darunter fallen:
Bauliche Maßnahmen: Verschmälerung von Fahrstreifen, Rücknahme der Fahrstreifenanzahl, Verkehrsinseln, Teilaufpflasterungen, Vorziehen der Seitenräume, Gehwegnasen, Bordsteinabsenkungen, räumliche Trennung von nichtmotorisiertem und motorisiertem Verkehr, et cetera
Betriebliche Maßnahmen: Fußgängerüberwege (Zebrastreifen), Fußgängerfurten, Lichtsignalanlagen
Zusätzliche Maßnahmen: Tempolimits, Geschwindigkeitsüberwachung, Verkehrszeichen, Markierungen, gelbe Blinklichter, et cetera
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?58071

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 10:42:21