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Umsetzung in der Seeschifffahrt

Erstellt am: 16.02.2024 | Stand des Wissens: 16.02.2024

Der Schiffsverkehr ist heutzutage weltweit bereits für 2,6 Prozent der klimaschädlichen Kohlenstoffdioxid (CO2)-Emissionen verantwortlich, was einer Menge von etwa 923 Millionen Tonnen CO2 entspricht. Sofern keine signifikanten Gegenmaßnahmen ergriffen werden, wird geschätzt, dass sich die Emissionen des Seeverkehrs bis zum Jahr 2050 um 50 bis 250 Prozent auf 1.400 bis 2.300 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr erhöhen könnten. [UBA23z]
Gemäß der Verordnung der Europäischen Union (EU) zur Überwachung, Berichterstattung und Prüfung der CO2-Emissionen aus dem Seeverkehr (MRV-System) müssen Schifffahrtsunternehmen seit dem Jahr 2015 darüber berichten, für welche Menge an CO2-Emissionen ihre Schiffe verantwortlich sind. [EuKo23a] Im Rahmen des Fit-for-55-Pakets der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2021, mit dem Ziel, die Treibhausgasemissionen in der EU bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 1990 um 55 Prozent zu mindern, wurden weitere Maßnahmen für den Schiffsverkehr beschlossen. [KoDi22]
Im Dezember 2022 wurde auf Ebene der EU eine Einigung darüber erzielt, dass der Schiffsverkehr ab dem Jahr 2024 mit in den EU-Emissionshandel (EU ETS 1) aufgenommen wird. Zunächst gilt die Verpflichtung zum Erwerb von Emissionszertifikaten lediglich für große Schiffe mit einer Bruttoraumzahl ab 5.000. Ab dem Jahr 2024 werden im Rahmen des EU ETS 1 der Ausstoß von CO2 und ab dem Jahr 2026 dann auch der Ausstoß von Methan (CH4) und Stickoxid (N2O) geregelt. Die Gesamtmenge der Emissionen, die im europäischen Seeverkehr ausgestoßen werden darf (Cap), ist im ist im EU ETS 1 festgelegt. Genau wie in den anderen Sektoren sinkt dieser Wert von Jahr zu Jahr, um die Erreichung der europäischen Klimaschutzziele sicherzustellen.
Das Europäische Emissionshandelssystem für den Schiffsverkehr baut auf dem MRV-System sowie den Emissionshandelsystemen für andere Sektoren auf. Reedereien müssen in der Anfangszeit nur für einen Teil der von ihnen ausgestoßenen Emissionen Zertifikate erwerben. Für das Jahr 2024 für 40 Prozent, für das Jahr 2025 für 70 Prozent und ab dem Jahr 2026 für 100 Prozent der von ihnen ausgestoßenen Emissionen. [EuKo23a; EuP22],
Im Schiffsverkehr bestehen durch Ausweichverhalten der Akteure ähnliche Probleme wie im Luftverkehr. So würden in einem innereuropäischen Emissionshandelssystem keine Emissionen aus interkontinentalen Schiffsrouten erfasst werden. Darüber hinaus könnten Betreibende von Schiffsverkehr gezielt Häfen ansteuern, die nicht zur EU gehören, wie Teile der Ostsee und des Mittelmeeres. Ein solches Ausweichverhalten ist noch wahrscheinlicher, wenn Schiffsbetreiber Zertifikate für jene Emissionen erwerben müssen, die zwischen dem letzten Nicht-EU-Hafen und dem ersten EU-Hafen (und umgekehrt) entstehen. Reedereien hätten somit starke Anreize, zusätzliche Häfen anzufahren, die nicht in der EU liegen, um ihre Verpflichtungen in Hinblick auf den CO2-Ausstoß zu minimieren.
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Literatur
[EuKo23a] Europäische Kommission (Hrsg.) Reducing emissions from the shipping sector, 2023
[EuP22] Europäisches Parlament (Hrsg.) Reduzierung der Emissionen im Luft- und Schiffsverkehr: EU-Maßnahmen erklärt, 2022/06/14
[KoDi22] Christian Kopp, Sönke Diesener, Pauline Schur Europäische Regulierung in der Schifffahrt
Für einen klimafreundlicheren Ansatz in der Schifffahrt, 2022
[UBA23z] Umweltbundesamt (Hrsg.) Seeschifffahrt, 2023/03/16
Glossar
CH4
= Methan. Es ist ein farbloses, geruchloses und leicht brennbares Gas, das zu Kohlendioxid und Wasser verbrennt. Methan ist Hauptbestandteil von Erdgas, Biogas, Deponiegas und Klärgas. Als Erdgas dient es hauptsächlich der Beheizung von Wohn- und Gewerberäumen, als industrielle Prozesswärmeenergie, zur elektrischen Stromerzeugung und in kleinem Umfang als Treibstoff für Kraftfahrzeuge.
Methan gehört zu den klimarelevanten Treibhausgasen. Methan entsteht bei allen organischen Gär- und Zersetzungsprozessen, wie z.B. in Sümpfen, Nassreisfeldern und Massenviehhaltung. (Der Verdauungstrakt von Wiederkäuern produziert Methan.)
Nach Kohlendioxid ist Methan mit einem Anteil von knapp 20 Prozent wichtigster Verursacher des Treibhauseffekts, wobei es ein 20- bis 30-mal wirksameres Treibhausgas als CO2 ist. Die weltweiten Methanemissionen werden auf 500 Mio. Tonnen/Jahr geschätzt, davon gehen rund 70 Prozent auf menschliche Aktivitäten zurück.
NOx
= Stickoxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des Stickstoffs. Die wichtigsten Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Es sind gasförmige Verbindungen, die sich nur wenig in Wasser lösen.
Die wichtigsten Stickoxid-Quellen sind natürliche Vorgänge, wie zum Beispiel mikrobiologische Umsetzungen im Boden, sowie Verbrennungsvorgänge bei Kraftwerken, Kraftfahrzeugen und industrielle Hochtemperaturprozesse, bei denen aus dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft Stickoxide entstehen. Stickstoffdioxid ist ein Reizstoff, der die Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und des Atmungstraktes beeinträchtigt.
EU-Emissionshandelssystem Das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) ist ein 2003 vom Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament beschlossenes marktwirtschaftliches Instrument, die im Kyoto-Protokoll gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen. Anlagenbetreiber (zur Zeit sind etwa 11.000 Fabriken und Kraftwerke erfasst) müssen bei Überschreiten der ihnen fest vorgegebenen Emissionsberechtigungen Strafen bezahlen (100 Euro pro Tonne CO2), sofern keine Zertifikate zur Tilgung vorgelegt werden können. Diese Zertifikate vergeben solche Betreiber, die die o.g. Grenzwerte unterschritten haben. Die Nachweispflicht liegt in jedem Fall bei dem Anlagenbetreiber.
N2O = Distickstoffoxid (Lachgas). Ein farb- und geruchloses, leicht süßlich schmeckendes und chemisch reaktionsträges Gas. Lachgas ist ein Treibhausgas, dessen Treibhauswirksamkeit 298-mal so groß ist wie die von CO2. Menschenverursachte Emissionen stammen hauptsächlich aus der Landwirtschaft.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?579961

Gedruckt am Sonntag, 28. April 2024 18:05:40