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Diesel-Hybridfahrzeuge mit Oberleitung

Erstellt am: 08.11.2023 | Stand des Wissens: 08.11.2023
Synthesebericht gehört zu:

Eine Variante eines Oberleitungs-Lkw (O-Lkw) sind Hybridfahrzeuge mit Oberleitungsausrüstung (OH-Lkw), die sowohl über einen Elektro- als auch einen Dieselmotor verfügen. Dabei kommt auf den durch Oberleitungen elektrifizierten Strecken der Elektromotor zum Einsatz, auf allen anderen ein Dieselmotor. Durch diese Konfiguration müssen zwei verschiedene Antriebseinheiten verbaut werden [ACEA22]. Dieses Konzept wird in Abbildung 1 schematisch dargestellt [ACEA22].
Schematische Darstellung eines Diesel-Hybridfahrzeugs mit OberleitungAbbildung 1: Schematische Darstellung eines Diesel-Hybridfahrzeugs mit Oberleitung (eigene Zusammenstellung in Anlehnung an ACEA22)
Reichweite und Nutzungsszenarien
Oberleitungs-Lkw werden als Alternative für den Schwerlasttransport ab einem zulässigen Gesamtgewicht von 12 Tonnen angesehen [Jöh22; Ben22]. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass auf Strecken mit vorhandenem Oberleitungsnetzt ausreichend Energie zur Beförderung schwerer Lasten vorhanden sein und das transportierte Gewicht die Reichweite nicht einschränken sollte. Aus demselben Grund ergibt sich, dass die Reichweite von batterieelektrischen Oberleitungs-Lkw stark an den Ausbau des Oberleitungsnetzes gebunden ist und ein wirtschaftlicher Einsatz der Fahrzeuge nur auf entsprechenden Strecken sinnvoll ist [NPM20b]. Für OH-Lkw ist die Reichweite neben dem Oberleitungsnetz nicht weiter eingeschränkt, da das Fahrzeug ebenfalls mit dem fossilen Kraftstoff angetrieben werden kann.
Bewertung von OH-Lkw zur Dekarbonisierung im Straßengüterverkehr
Anders als beim batterieelektrischen Oberleitungs-Lkw bietet die Diesel-Hybridvariante praktisch keine Möglichkeit, Transporte vollständig emissionsfrei durchzuführen. Die tatsächlichen Emissionen hängen dabei stark vom Anteil der elektrifizierten Fahrstrecken, der unter Nutzung des Elektromotors durchgeführt werden kann, ab [ACEA22]. Eine Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg für das Jahr 2030 identifiziert ein Minderungspotenzial durch OH-Lkw von circa 15 bis 27 Prozent der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu Diesel-Lkw. Die Höhe der Unterschiede ergibt sich in Relation zum Ausbau des Oberleitungsnetzes, wobei ein stärker ausgebautes Netz das Minderungspotenzial der Technologie positiv beeinflusst [Jöh22]. Eine weitere Studie kam zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen pro Fahrzeug für OH-Lkw voraussichtlich 26 Prozent geringer sind als die eines vergleichbaren Diesel-Lkws im Schwerlastverkehr [Hac20].
Bewertung von OH-Lkw hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit
Die Total Cost of Ownership (TCO) für Oberleitungs-Lkw im Jahr 2030 werden in verschiedenen Studien als niedriger im Vergleich zum Diesel-Lkw angenommen [NPM20b; Jöh22]. Oberleitungs-Lkw weisen demnach für Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht (zGG) von 12 bis 20 Tonnen 20 Prozent geringere Kosten aus. Für die Größenklassen über 20 Tonnen zGG werden 28 Prozent weniger und für Sattelzugmaschinen mit 40 Tonnen zGG 25 Prozent weniger Gesamtkosten angegeben. Die Gründe hierfür liegen der Studie zufolge in den geringeren Energie- und Stromsteuern sowie in den geringeren Mautkosten [NPM20b]. Eine weitere Studie bezifferte die TCO für OH-Lkw im Bereich von 12 bis 26 Tonnen zGG auf circa 1,2 Euro pro Kilometer und damit circa 10 Cent weniger als die TCO für den Diesel-Lkw als Referenz. Für Fahrzeuge mit einem zGG von über 26 Tonnen liegen die TCO geringfügig höher, aber in gleicher Relation zum Diesel-Lkw [Jöh22].
Pilotprojekte
OH-Lkw existieren bereits in geringer Stückzahl, wie beispielsweise für den Feldversuch eHighway SH. In dem Feldversuch wurde ein 5 Kilometer langer Streckenabschnitt auf der Bundesautobahn 1 zwischen Reinfeld und Lübeck in beiden Fahrrichtungen mit Oberleitungen ausgestattet. Bis Ende 2022 wurde die Strecke von verschiedenen Unternehmen für den operativen Betrieb genutzt. Die Fahrzeuge wurden den Unternehmen dabei vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUV) bereitgestellt. Der Versuch wird von verschiedenen Forschungseinrichtungen begleitet, um Praxis-Daten für technische, ökonomische und ökologische Bewertungen der Technologie zu sammeln [FuE23].
Vorteile & Nachteile von OH-Lkw im Vergleich zu Dieselfahrzeugen
OH-Lkw bieten theoretisch Potenzial zur effizienten Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs, insbesondere der Sattelzugmaschinen. Festzuhalten ist, dass sich die Technologie noch in der Entwicklung befindet und diese in den nächsten Jahren nicht zur flächendeckenden Anwendung finden wird. Die größte Unsicherheit bildet der Ausbau der Oberleitungsinfrastruktur. Diese muss in einem ausreichend großen Maße gegeben sein, damit OH-Lkw sowohl wirtschaftlich sinnvoll sind als auch eine relevante klimaschonende Wirkung haben. Des Weiteren muss der Strommix entsprechend nachhaltig hergestellt sein, damit die Fahrzeuge eine schonende Öko-Bilanz aufweisen.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Oberleitungsfahrzeuge als Alternative zu Dieselfahrzeugen (Stand des Wissens: 12.12.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?578538
Literatur
[ACEA22] Association des Constructeurs Européens d'Automobiles (ACEA) (Hrsg.) Fuel types of new trucks, 2022/03/08
[Ben22] Bensmann, Dr.-Ing. Boris , Benz, Dr. Thomas Benz, Brandt, Dipl.-Ing. Torsten, Grube, Dr.-Ing. Thomas , Kleimaier, Dr. Martin , Konstantinidou, Dr.-Ing. Eleni , Meyer, Dipl.-Ing. Stefan , Pokojski, Dipl.-Ing. Martin , Samsun, Dr.-Ing. Remzi Can , Schlosser, Dipl.-Ing. Gerhard, Cremers, Dr. Carsten Klimafreundliche Nutzfahrzeuge, 2022/01, ISBN/ISSN 978-3-931384-98-2
[FuE23] Forschungs- und Entwicklungszentrum Fachhochschule Kiel GmbH (Hrsg.) e.Highway.SH, 2023
[Hac20] Hacker, Florian, Jöhrens, Julius, Plötz, Patrick Wirtschaftlichkeit, Umweltwirkung und Ausbauszenarien von Oberleitungs-Lkw in Deutschland, 2020/04
[Jöh22] Jöhrens, Julius, Allekotte, Michel, Heining, Florian, Helms, Hinrich, Räder, Dominik, Köllermeier, Nadine, Waßmuth, Volker Vergleichende Analyse der Potentiale von Antriebstechnologien für Lkw im Zeithorizont 2030
, 2022/01
[NPM20b] Nationale Plattform Zukunft der Mobilität, Arbeitsgruppe 1 Klimaschutz im Verkehr WERKSTATTBERICHT ANTRIEBSWECHSEL NUTZFAHRZEUGE, 2020/12
Glossar
O2
= Sauerstoff. Im Normzustand ist Sauerstoff ein farbloses, geruchloses und geschmackloses Gas. Es ist sehr reaktiv, fast jedes chemische Element, abgesehen von Edelgasen, reagiert mit Sauerstoff, um Verbindungen zu bilden.
Sauerstoff ist von großer Bedeutung, weil er wesentlich an den Atmungsprozessen der meisten lebenden Zellen und an Verbrennungsprozessen beteiligt ist. Es ist das am häufigsten vorkommende Element der Erdkruste. Die Luft besteht zu fast einem Fünftel (Volumen) aus Sauerstoff. Ungebundener gasförmiger Sauerstoff besteht normalerweise aus einem zweiatomigen Molekül (O2), es gibt ihn aber auch in dreiatomiger Form (O3,) besser bekannt unter dem Begriff Ozon.
Strommix Der Strommix gibt an, zu welchen Anteilen der Strom aus welchen Energieträgern stammt. Als Energieträger gelten dabei fossile Rohstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas, daneben Kernenergie und auch erneuerbare Energien. Dazu kann eine regionale Abgrenzung vorgenommen werden, z.B. nach deutschem oder europäischem Strommix.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
BMUV
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (bis 12/2013 BMU, bis 03/2018 BMUB und bis 12/2021 BMU)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?576582

Gedruckt am Samstag, 27. April 2024 23:24:30