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Verbesserte Integration des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des öffentlichen Verkehrs in Deutschland

Erstellt am: 06.09.2023 | Stand des Wissens: 06.09.2023
Synthesebericht gehört zu:

Menschen sind zu unterschiedlichen Zwecken mobil, allen voran auf dem Weg zu Ausbildung oder Arbeit, aber auch in der Freizeit [DIW18]. Dabei lässt sich Freizeit per Negativdefinition als die Zeit beschreiben, die außerhalb der Arbeits- oder Ausbildungszeit liegt und die weiterhin nicht zur Regenerationszeit (Schlafen, Ernähren, Krankheit) zählt. Übrig bleibt die frei verfügbare Zeit einer Person [FGSV21]. Zunehmend stellt sie auch einen Raum der Selbstverwirklichung und individuellen Selbstentwicklung dar [KTB19].
Ökonomische und gesellschaftliche Entwicklungen haben auch bei der Freizeitmobilität zu deutlichen Veränderungen geführt. Während sich vor einigen Jahrzehnten der Freizeitverkehr vor allem auf den Sonntag beschränkte, erhöhte sich in den letzten Jahren der Anteil der Freizeitwege auch an Werktagen deutlich. Flexibler werdende Arbeitsformen, eine stetig steigende Auswahl an Freizeitangeboten sowie eine wachsende Anzahl an aktiven älteren Menschen machen den Freizeitverkehr zu einer besonderen Herausforderung für das Ziel eines klimafreundlichen Verkehrssystems, das es laut Welt-Klimavertrag von Paris bis zum Jahr 2050 zu erreichen gilt [VCÖ16].
Ohne Mobilität wäre ein großer Teil der touristischen Aktivitäten nicht denkbar. In Deutschland ist der Verkehr nach Berechnungen im Tourismus-Satelliten-Konto des Statistischen Bundesamtes, welches die wirtschaftlichen Effekte und die umweltrelevanten Folgen des Tourismus quantifiziert, für fast die Hälfte der tourismusbezogenen Treibhausgasemissionen verantwortlich und damit ein Schlüssel, um Klimaschutzpotenziale des Tourismus zu heben [BMWK22h].
Mit nachhaltigen Mobilitätskonzepten im Tourismus kann eine hohe Breitenwirkung erzielt werden, da fast die gesamte Bevölkerung touristische Aktivitäten ausübt.
Ziel muss es sein, bei Tages und Übernachtungsreisen sowie Freizeitaktivitäten den Verkehr mit Hilfe attraktiver Angebote auf klimafreundliche, öffentliche Verkehrsmittel zu verlagern [DWIF16]. Aus den Anteilen des öffentlichen Verkehrs am Modal Split im Freizeitverkehr wird ersichtlich, dass in allen Raumtypen zusätzliche Fahrgäste gewonnen werden können und müssen (Abb. 1).
Raumtyp.pngAbb. 1: Verkehrsmittelwahl nach Raumtyp [FGSV21]
Es bedarf einer intensiven Zusammenarbeit der verkehrlichen und touristischen Akteure aus unterschiedlichen Bereichen und über administrative Grenzen hinweg, um attraktive touristische Mobilitätsangebote zu schaffen [DWIF20]. Diese bilden die Grundlage, bei den Reisenden Vertrauen zu einem verlässlichen Freizeitverkehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufbauen und sie so zu deren verstärkter Nutzung zu motivieren.
Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) hat 2021 in dem Wissensdokument Hinweise zur Berücksichtigung des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des ÖPNV wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse zusammengefasst, welche in viele Syntheseberichte dieser Wissenslandkarte einfließen.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Verbesserte Integration des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des öffentlichen Verkehrs in Deutschland (Stand des Wissens: 07.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?575311
Literatur
[BMWK22h] Nachhaltigen Tourismus wettbewerbsfähig gestalten, veröffentlicht in Nationale Tourismusstrategie - Arbeitsprogramm der Bundesregierung, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), Berlin, 2022/09
[DIW18] Nobis, Claudia, Kuhnimhof, Tobias Mobilität in Deutschland (MiD), infas, DLR, IVT und infas 360, Bonn/Berlin, 2018/12
[DWIF16] Harrer, Bernhard, Berndt, Maike, Maschke, Joachim Nachhaltige Mobilitätskonzepte für Touristen im öffentlichen Verkehr mit Fokus auf Regionen im Bereich von Großschutzgebieten
, dwif, München, 2016
[DWIF20] Kersten, Isabel, Pinnow, Diana Touristische Mobilität im ländlichen Raum, Ausgabe/Auflage Themenpapier 78/2020, dwif-Consulting GmbH, Berlin, 2020
[FGSV21] Hinweise zur Berücksichtigung des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des ÖPNV, FGSV, Köln, 2021/03
[KTB19] Quack, Heinz Dieter, Pechlaner, Harald, Thiele, Franziska, Koppenhagen, Thorsten , Dembowski, Nina Martha Tourismus 2030, veröffentlicht in Bausteine der Zukunft: Fakten - Thesen - Perspektiven, Kompetenzzentrum Tourismus des Bundes, Salzgitter, 2019/12
[VCÖ16] Rasmussen, Ulla Fokus Freizeitverkehr, veröffentlicht in Mobilität mit Zukunft, Verkehrsclub Österreich (VCÖ), Wien, 2016
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Modal Split
Modal Split wird in der Verkehrsstatistik die prozentuale Verteilung des Personen- und Güterverkehrs auf verschiedene Verkehrsmittel (Modi) genannt. Der Modal Split ist Folge des Mobilitätsverhaltens der Menschen und der wirtschaftlichen, insbesondere der verkehrlichen Entscheidungen von Unternehmen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?575209

Gedruckt am Montag, 29. April 2024 07:10:03