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Bedeutung und Organisation des Freizeitverkehrs

Erstellt am: 04.09.2023 | Stand des Wissens: 04.09.2023
Synthesebericht gehört zu:

Dem Freizeitverkehr werden alle Fahrten zugeordnet, die nicht dem Berufs- oder Ausbildungsverkehr, dem Geschäfts-, Dienstreise- oder Begleitverkehr zuzurechnen sind. Einkaufsverkehre, private Erledigungen und Wege zu Dienstleistungen gehören ebenfalls nicht zum Freizeitverkehr [DIW18]. Die verbleibenden Fahrten und Wege sind dem Freizeitverkehr zuzuordnen und dienen unter anderem:
  •  Fahrten zum Besuch der Familie, von Freunden oder Bekannten
  •  Fahrten zu sportlichen, kulturellen oder bildenden Aktivitäten
  •  Erholungs- und Urlaubsreisen
  •  Spaziergänge [FGSV21]
Die Dauer einer Freizeitaktivität kann sehr unterschiedlich sein und wenige Stunden bis hin zu mehreren Wochen in Anspruch nehmen [ProFo16].
Vor allem dem alltäglichen Freizeitverkehr kommt eine hohe Bedeutung bei der Pflege sozialer Kontakte zu, da Freizeitaktivitäten häufig gemeinsam mit Familienmitgliedern, Freunden oder Bekannten stattfinden. Im Rahmen der Daseinsvorsorge des öffentlichen Verkehrs (ÖV) sollte die Teilnahme an sozialen, sportlichen oder kulturellen Aktivitäten allen Menschen ermöglicht werden. Dazu zählt auch die Teilnahme an sozialen, sportlichen oder kulturellen Aktivitäten. Soziokulturelle Einflussfaktoren sollten daher bei der Entwicklung von Maßnahmen für eine verstärkte Nutzung des ÖPNV zu Freizeitzwecken berücksichtigt werden [GöLo03].

Die Mobilität im Freizeitverkehr verursacht einen beachtlichen touristischen CO2-Fußabdruck [ProFo16]. So entstehen schätzungsweise 75 Prozent der weltweit touristisch generierten CO2-Emissionen durch den Verkehr, davon wiederum 52 Prozent durch Flugreisen und 43% durch Reisen mit dem Pkw [KePi20]. In Deutschland können knapp 30 Prozent aller Wege dem Freizeitverkehr zugeordnet werden. Bei Betrachtung der Verkehrsleistung dominiert er mit etwa 40 Prozent noch stärker und nimmt damit die größte verkehrliche Bedeutung ein. [FGSV21]. In einzelnen Regionen kann der Anteil des touristisch bedingten Verkehrs am CO2-Fußabdruck noch deutlich größer sein, in der Nordeifel in Deutschland beträgt er rund 70 Prozent [ProFo16].

Zur Durchführung der Freizeitwege wird der motorisierte Individualverkehr (MIV), etwa viermal häufiger mehr genutzt als der ÖPNV. Meist werden jedoch verschiedene Verkehrsmittel kombiniert. Je öfter auch bei anderen Wegezwecken verschiedene Verkehrsmittel eingesetzt werden, umso mehr geschieht dies auch innerhalb der Freizeit. An dieser Stelle besteht ein hohes Potenzial zur Gewinnung neuer Fahrgäste [Nob15].

Damit kommt dem Freizeitverkehr hinsichtlich des Klima- und Umweltschutzes eine immer größere Bedeutung zu [FGSV21]. Das Ziel einer Mobilitätswende muss es sein, den Modal Split auch bei der tourismusinduzierten Mobilität zugunsten umweltverträglicherer Verkehrsmittel zu verändern, denn gerade diese leisten auf Grund deutlich geringerer Emissionen je Personenkilometer einen hohen Beitrag zum Klimaschutz. Besonders im ländlichen Raum sind Mobilitätsangebote jedoch nicht oder zu wenig auf die Bedürfnisse von Touristen ausgerichtet. Dies hätte auch eine bessere Berücksichtigung der Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung zur Folge. Hier werden ganzheitliche Konzepte aus einer Kombination von Push- und Pull-Faktoren benötigt, um Reisende für die Nutzung öffentlicher Verkehrsangebote zu gewinnen [KePi20].

Zur Schaffung entsprechender marktfähiger Strategien und Angebote ist eine enge Zusammenarbeit von ÖPNV-Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen mit Partnern im Tourismusbereich notwendig. Bei deren Planung bedarf es einer genauen Abstimmung der Anforderungen der Fahrgäste mit den Möglichkeiten der Betreiber auf der Grundlage eines tragfähigen Finanzierungskonzeptes [FGSV21].

Der Anteil des ÖPNV am alltäglichen, aber auch touristischen Freizeitverkehr ist unter anderem davon abhängig, wie effizient und attraktiv die Verkehrsangebote gestaltet und durch eine zielgerechte Vermarktung bekannt gemacht werden [FGSV21].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Verbesserte Integration des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des öffentlichen Verkehrs in Deutschland (Stand des Wissens: 07.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?575311
Literatur
[DIW18] Nobis, Claudia, Kuhnimhof, Tobias Mobilität in Deutschland (MiD), infas, DLR, IVT und infas 360, Bonn/Berlin, 2018/12
[FGSV21] Hinweise zur Berücksichtigung des Freizeitverkehrs bei der Gestaltung des ÖPNV, FGSV, Köln, 2021/03
[GöLo03] Götz, K., Loose, W., Schmied, M., Schubert, St. Mobilitätsstile in der Freizeit Minderung der Umweltbelastung des Freizeit- und Tourismusverkehrs, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin, 2003, ISBN/ISSN 3 - 503 - 07453 - 8
[KePi20] Kersten, Isabel, Pinnow, Diana Touristische Mobilität im ländlichen Raum, veröffentlicht in Thesenpapier 78/2020, dwif-Consulting GmbH, Berlin, 2020
[Nob15] Nobis, Claudia Nahverkehr und Freizeit: Neue Kunden durch innovative Konzepte gewinnen, veröffentlicht in Nahverkehrs-Tage 2015, Schriftenreihe Verkehr, Ausgabe/Auflage Heft 24, Universität Kassel, Kassel, 2015/08
[ProFo16] Proff, Heike, Fojcik, Thomas Martin Nationale und internationale Trends in der Mobilität
Technische und betriebswirtschaftliche Aspekte, Springer Fachmedien, Wiesbaden, 2016
Glossar
Personenkilometer
Die Einheit Personenkilometer [Pkm] beschreibt die im Rahmen einer Personenbeförderung erbrachte Verkehrsarbeit. Diese definiert sich als Produkt der Verkehrsmenge (Summe der beförderten Personen) und der von dieser dabei zurückgelegten Wegstrecke in km.
Verkehrsarbeit [Pkm] = Verkehrsmenge [P] * Wegstrecke [km]
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Modal Split
Modal Split wird in der Verkehrsstatistik die prozentuale Verteilung des Personen- und Güterverkehrs auf verschiedene Verkehrsmittel (Modi) genannt. Der Modal Split ist Folge des Mobilitätsverhaltens der Menschen und der wirtschaftlichen, insbesondere der verkehrlichen Entscheidungen von Unternehmen.
Mobilitätswende
Mit der Mobilitätswende soll der Endenergieverbrauch des Verkehrssektors gesenkt werden, ohne dass die Mobilität der Menschen eingeschränkt wird. Diesem Ziel folgend, versucht man mit der Mobilitätswende Verkehr zu vermeiden (zum Beispiel durch stadtplanerische Maßnahmen), auf emissionsfreie und emissionsarme Fortbewegungsmittel zu verlagern (zum Beispiel auf den öffentlichen Verkehr) und effizienter abzuwickeln (zum Beispiel durch verkehrssteuernde Maßnahmen).
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?574968

Gedruckt am Montag, 29. April 2024 05:30:37