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Herausforderungen der Wasserstofferzeugung und -nutzung

Erstellt am: 24.02.2023 | Stand des Wissens: 24.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

Der Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft und die damit verbundene Nutzung der Wasserstofftechnologie im Verkehrssektor sind mit Problemstellungen auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette verbunden.
Zunächst geht ein Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft auf der Erzeugungsebene mit einem steigenden Bedarf von Strom und Elektrolysekapazitäten einher, welcher nicht durch die gesetzten Ausbauziele erneuerbarer Energien (EE), das heißt einem EE-Anteil an der nationalen Stromversorgung (Bruttostromverbrauch) von 65 Prozent im Jahr 2030 und 100 Prozent bis 2050 [BMWi21h], abgedeckt ist. Daher gilt das Prinzip der Zusätzlichkeit: für die Elektrolysekapazität wird eine zusätzliche Menge an erneuerbar erzeugtem Strom benötigt. Der Ausbau der EE wird in Deutschland aber durch tatsächliche und rechtliche Flächenrestriktionen eingeschränkt, die bereits heute die Nutzung erschweren. Zukünftig werden Regelungen zum Umwelt-, Landschafts-, Tier- und Gesundheitsschutz für zusätzliche Konflikte sorgen, die von der Politik aufgelöst werden müssen. In dem Maße, wie die landeseigenen Erzeugungskapazitäten für die Deckung des Wasserstoffbedarfs nicht ausreichen, wird der Import aus Ländern mit guten klimatischen Bedingungen zur Produktion von (grünem) Wasserstoff daher an Bedeutung gewinnen [SRU21].
Anschließend muss sowohl die Menge des importierten als auch des im Inland produzierten Wasserstoffs transportiert und verteilt werden. Dies bedarf entsprechender Technologien und Infrastruktur, zum Beispiel ähnlich dem heutigen Gasnetz eines Wasserstoffnetzes, bestehend aus Pipelines. Dabei wird der Markthochlauf der Wasserstofftechnologie im Verkehr maßgeblich durch das Angebot einer flächendeckenden Tankinfrastruktur bestimmt. Für die Tankinfrastruktur gilt es, für bestimme Komponenten (zum Beispiel Kraftstoffschläuche) europaweit einheitliche Standards zu schaffen, die einen grenzüberschreitenden Verkehr ermöglichen [SRU21].
Darüber hinaus ist für die klimaschonende Wirkung des Wasserstoff-Einsatzes der Ursprung maßgeblich, welcher hier als Qualitätsindikator genutzt wird. Nur grüner Wasserstoff, der aus erneuerbarem Strom hergestellt wird, gilt als nachhaltig. Um nachhaltigen Wasserstoff zu fördern, bedarf es eines rechtlichen Rahmens, der eine klare Begriffsdefinition für die Zertifizierung und Anrechenbarkeit von grünem Wasserstoff ermöglicht, unter anderem damit die erneuerbar eingesetzte Energiemenge nur in einem Sektor bilanziert und die Klimawirkung des Wasserstoffs für die Verbrauchenden erkenntlich gemacht wird. Dies gilt für heimisch erzeugten, aber auch importierten Wasserstoff. Zumal bedarf es eines Rechtsrahmens, der wirtschaftliche Geschäftsmodelle ermöglicht und bestehende Hemmnisse abbaut [IKEM20].
Weiterhin können bei der Auswahl von Wasserstoff-Anwendungen die derzeit hohen Energieverluste (Umwandlungsverluste) bei der Wasserstoff-Herstellung und dessen Folgeprodukte als Herausforderungen betrachtet werden. Für die Wasserstoff-Herstellung liegt der Gesamtwirkungsgrad bei 67 Prozent, für die Folgeprodukte (Liquids, Gas, Ammoniak) zwischen 47 und 54 Prozent, während direkt genutzter Strom aus EE verlustfrei zu 100 Prozent wirkt (Vergleich Abbildung 7). Aus diesem Grund wird die Direktnutzung von Strom, also die verlustfreie Elektrifizierung, regelmäßig bevorzugt. Wasserstoff kommt daher insbesondere für Bereiche ohne eine Elektrifizierungsmöglichkeit in Betracht. Weiterhin wird an der Wirkungsgradsteigerung geforscht, sodass zukünftige Wirkungsgrade die heutigen übertreffen werden.
umwandlungsverluste.jpgAbb. 1: Umwandlungsverluste bei der Erzeugung von Wasserstoff und PtX-Folgeprodukten [SRU21, S. 24] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Zudem ist die klimaneutrale Wasserstoffherstellung derzeitig noch mit hohen Kosten verbunden. So liegt der Preis von erneuerbar erzeugtem Wasserstoff zwischen 2,5 und 5,5 Euro pro Kilogramm und ist damit zwei- bis viermal höher im Vergleich zu Wasserstoff auf Basis fossiler Rohstoffe. Um die Problematik der Wirtschaftlichkeit anzugehen, besteht die Notwendigkeit, günstigere Strompreise für erneuerbare Energien zu erhalten [IKEM20]. Darüber hinaus führt die zuvor angemerkte Wirkungsgradsteigerung ebenfalls zur Kostensenkung. In den nachfolgenden Syntheseberichten werden zentrale Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Wasserstoff (im Verkehrsbereich) thematisiert.
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Klimaschutzpotenzial der Wasserstoffanwendung im Verkehrssektor (Stand des Wissens: 27.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?567750
Literatur
[BMWi21h] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Hrsg.) Die Energie der Zukunft - 8. Monitoring-Bericht zur Energiewende -
Berichtsjahre 2018 und 2019, 2021/02
[IKEM20] IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V. (Hrsg.) Wasserstoff - Farbenlehre, 2020/12
[SRU21] Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) (Hrsg.) Wasserstoff im Klimaschutz: Klasse statt Masse, 2021
Glossar
Wasserstoffwirtschaft
Eine vor allem auf dem Energieträger Wasserstoff beruhende Energiewirtschaft.
Power-to-X
Power-to-X ist ein Oberbegriff für verschiedene technologische Verfahren, bei denen elektrische Energie in chemische Energie oder in Wärme umgewandelt wird. Dies ermöglicht eine Speicherung und anderweitigen Nutzung von Stromüberschüssen in Zeiten eines Überangebotes variabler erneuerbarer Energien wie Solarenergie, Windenergie und Wasserkraft.
H2 Wasserstoff ("H2" = grch.-lat. für hydrogenium "Wassererzeuger") ist das chemische Element mit der Ordnungszahl 1. Wasserstoff stellt sowohl bezogen auf die Masse (75%) als auch bezogen auf die Zahl der Teilchen (91%) das häufigste aller im All vorkommenden Elemente dar. Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas welches in der Natur aufgrund der hohen Reaktivität nicht in seiner elementaren Form vorkommt. Wasserstoff liegt gebunden in Form von Erdöl und Erdgas, in Mineralien, in Biomasse, aber vorwiegend in Form von Wasser vor. Wasserstoff ist somit ein Sekundärenergieträger (Energiespeicher)und muss erst aus den oben genannten fossilen oder nicht fossilen Primärenergieträgern unter Einsatz von zusätzlicher Energie hergestellt werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?567632

Gedruckt am Montag, 29. April 2024 14:43:09