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Fehlende Digitalisierung in Seehäfen

Erstellt am: 18.01.2023 | Stand des Wissens: 25.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

In der maritimen Lieferkette arbeitet eine Vielzahl von Akteuren Stand heute noch auf Papierbasis miteinander und schafft es deswegen nicht, die unternehmens- und organisationsübergreifenden Prozesse effizient zu integrieren [VoBe21]. Dies umfasst zum Beispiel Anfragen bezüglich des aktuellen Aufenthaltsorts, einer prognostizierten Ankunft und dem Zustand einer Ladung, was sowohl für die Geschäftspartner als auch für staatliche Behörden wie zum Beispiel die Hafenaufsichtsbehörde oder den Zoll, von Interesse ist hier müssen in der maritimen Lieferkette Qualitätsstandards eingeführt werden, wie sie in anderen Bereichen schon üblich sind [VoBe21].
Die Digitalisierung im Seehafen lässt sich in zwei Komponenten unterteilen: die Digitalisierung unternehmensinterner Prozesse und die Digitalisierung des Informationsaustausches zwischen Akteuren. Während der erste Schritt ein Unternehmen bei einer effizienten und transparenten internen Informationshaltung unterstützt, gewährleistet erst der digitalisierte Informationsaustausch zwischen den Akteuren die unternehmens- und organisationsübergreifende digitalisierte und somit effiziente Integration der Prozesse. Dabei ist es für die akteursübergreifende Integration von Vorteil, wenn die hiermit zusammenhängenden internen Prozesse ebenfalls digitalisiert sind. Hier haben beispielsweise Unternehmen, die ihren Betrieb automatisiert haben, einen Vorteil, weil die Informationen bereits digital vorliegen [Clott18]. Ebenfalls ist es möglich, dass Arbeitskräfte die Informationen sammeln, händisch aufbereiten und standardisiert sowie digitalisiert an die Partner verschicken [Clott18]; dieser Prozess ist allerdings potenziell ineffizient. Deswegen spielt die Verfügbarkeit von standardisierten, digitalisiert vorgehaltenen Informationen in einem Unternehmen eine große Rolle für die akteursübergreifende effiziente Kooperation.
Gerade bei unternehmensübergreifender Kooperation haben sich manche Teilnehmer der maritimen Lieferkette in der Vergangenheit zurückhaltend gezeigt. Dies wird unter anderem damit erklärt, dass sich die angebotenen Dienstleistungen der kooperierenden Unternehmen in vielen Bereichen überschneiden, wodurch sie gleichzeitig auch Konkurrenten sind [Puja20]. Dieser Begriff wird im Englischen auch als Coopetition bezeichnet, ein Kofferwort aus den beiden Begriffen Cooperation (dt.: Kooperation) und Competion (dt. Wettbewerb) [Clott18].
Eine weitere Ursache für die lückenhafte Digitalisierung ist, dass insbesondere größere Logistikunternehmen eigene, voneinander abweichende Standards und Schnittstellen eingeführt haben, die von den kleineren Kooperationspartnern bedient werden müssen. Durch die Vielzahl an Schnittstellen entsteht mit nahezu jeder Geschäftsbeziehung auch die Notwendigkeit einer damit gepaarten IT-Integration, die ihrerseits Ressourcen bindet und den Wechsel zwischen Geschäftspartnern erschwert. An dieser Stelle kann ein branchenweit verpflichtender Standard insbesondere die kleineren Unternehmen unterstützen, bei geringeren Kosten für die IT-Integration zusätzliche Aufträge von weiteren Geschäftspartnern durchzuführen. Die Logistikbranche kann zwar prinzipiell auf den bestehenden Standard UN/EDIFACT mit der Untermenge EDIFOR zurückgreifen, diese sind aber seit der ersten Version in den 1970er Jahren mehrfach auf nationaler und internationaler Ebene überarbeitet worden. Daraus haben sich mehrere Varianten eines umfangreichen Standards ergeben, die zusätzlich auch den Kommunikationspartnern Verhandlungsspielraum zum Beispiel bei der Enkodierung von Umlauten und Sonderzeichen oder der Interpretation einzelner Werte erlaubt. Es gibt daher einen Bedarf für einen klar strukturierten und an den aktuellen Bedürfnissen der IT orientierten Standard zur Unterstützung der Digitalisierung in Seehäfen.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Funktionen und Zukunftsperspektiven von Seehäfen im Kontext maritimer Lieferketten (Stand des Wissens: 18.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?50780
Literatur
[Clott18] Christopher B. Clott, Bruce C. Hartman, Robert Cannizzaro, Standard setting and carrier differentiation at seaports., 2018
[Puja20] Karlis Pujats , Mihalis Golias , Dinçer Konur A Review of Game Theory Applications for Seaport Cooperation and Competition, veröffentlicht in JMSE , Ausgabe/Auflage 8 (2), 2020
[VoBe21] Jaco Voorspuij, Hanane Becha Digitalisation in Maritime Regional and Global Supply Chains., veröffentlicht in Maritime Informatics. , Ausgabe/Auflage 1st ed. 2021, Springer, 2021

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?564731

Gedruckt am Montag, 29. April 2024 11:31:18