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Gründe und Beispiele der Hafenprivatisierung

Erstellt am: 18.01.2023 | Stand des Wissens: 25.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Hafenprivatisierung bezeichnet die Übertragung des Eigentums an Anlagen (Vermögen) in Seehäfen von der öffentlichen Hand auf den privaten Sektor oder den Einsatz privaten Kapitals, um an Stelle der öffentlichen Hand Investitionen in Hafenanlagen, Equipment und Systeme zu tätigen [UNCTAD98a,  S. 1]. Im Wesentlichen können drei Teilbereiche eines Seehafens privatisiert werden:
  • die Infra- und/oder Suprastruktur,
  • die Hafenverwaltung sowie
  • der Betrieb.

Die Hauptziele der Hafenprivatisierung sind zum einen Steigerung der Effizienz, indem marktorientierte Unternehmen eingebunden werden, und zum anderen die Verringerung öffentlicher Ausgaben durch private Investitionen [UNCTAD98a, S. 3]. Der Umfang einer Hafenprivatisierung und der Grad, zu dem ein Hafen privat betrieben wird, stehen im engen Zusammenhang mit der Hafenorganisation. So bietet das Landlord-Modell umfangreiche Möglichkeiten für die Einbindung des privaten Sektors in den Seehafen und wird mittlerweile in fast allen mittelgroßen bis großen Häfen angewandt.
Im Folgenden werden als Beispiele für die Privatisierung deutscher Seehäfen die Entwicklungen der jüngeren Vergangenheit in jeweils zwei Seehäfen der Nord- und Ostsee erläutert.
Bremen: Der Hafen Bremen war ursprünglich ein stadteigener Tool Port mit hanseatischen Traditionen und Strukturen. Die Verantwortung für die Hafenentwicklung und -regulierung lag bei den Hafenämtern Bremen und Bremerhaven als nachgeordnete Behörden des Hafensenators der Freien Hansestadt Bremen. Die Suprastruktur wurde durch die mehrheitlich in städtischem Eigentum befindliche Bremer Lagerhaus-Gesellschaft AG (BLG) betrieben. Zu Beginn der 1990er Jahre auftretende Verluste veranlassten die Stadt, den Weg der Korporatisierung einzuschlagen. Die BLG wurde 1998 umstrukturiert in eine Holding, die "Bremen Logistics Group (BLG)", mit Tochtergesellschaften für die Geschäftsbereiche. Dies ermöglichte Kooperationen und Joint Ventures mit Privatunternehmen wie eine Kooperation mit der privaten Eurokai Hamburg für den Containerumschlag. Auch die Hafenverwaltung wurde korporatisiert, indem hoheitliche und wirtschaftliche Funktionen getrennt wurden. Im Jahr 2000 wurden alle nicht hoheitlichen Aufgaben (vor allem Management und Unterhaltung der Hafeninfrastruktur) an eine neue privatrechtliche Gesellschaft übertragen. Die seit 2002 tätige Gesellschaft firmiert heute als bremenports GmbH & Co. KG. Sie entwickelte weitere Geschäftsfelder wie Consulting und Planung, mit denen sie international tätig wurde. Die hoheitlichen Regulierungsaufgaben und die nautischen Fragen verblieben in der Verantwortung des Hafenamts [DoKo07 , S. 18f.].

Hamburg: Nach der Hafenordnung von 1970 bestimmt der Senat rechtliche Rahmenbedingungen und politische Leitlinien, hält die Hafeninfrastruktur vor, verwaltet und vermietet Hafenflächen und gewährleistet die nautische Sicherheit. Im Jahr 2004 wurde die Hamburg Port Authority AöR (HPA) als Anstalt öffentlichen Rechts gegründet. Die HPA hält das Eigentum an den städtischen Grundstücken im Hafengebiet, die nicht verkauft werden dürfen, und schließt langfristige Mietverträge bis zu 30 Jahren Laufzeit ab. Ziel der Ausgründung war, den Kunden im Hafen Service aus einer Hand zu bieten, flexibel und unabhängig vom städtischen Haushalt auf die Erfordernisse des Marktes zu reagieren, auf dem Kapitalmarkt Kapital für Hafenprojekte beschaffen zu können und eine flexiblere Preis- und Gebührenpolitik umsetzen zu können [Reut07; Holo05]. Die HPA soll den Unterhalt der Hafeninfrastruktur allein mit Einnahmen aus der Hafenwirtschaft finanzieren.
Lübeck: Die Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH (LHG) wickelt über 90 Prozent des Gesamtumschlags des Lübecker Hafens ab und ist Deutschlands größter Hafenbetreiber an der Ostsee. Nach ersten Ansätzen zur Privatisierung der LHG im Jahr 2001 wurde 2006 ein Interessenbekundungs- und Verhandlungsverfahren eingeleitet, mit dem ein strategischer Investor gefunden werden sollte. Den Zuschlag erhielt schließlich der Immobilieninvestor RREEF, eine Tochter der Deutschen Bank, der zunächst 25,1 Prozent erwarb. Aktuell (Stand 2021) besitzt die LHG als Tochter der Hansestadt Lübeck 62,5 Prozent und die Firma RREEF 37,5 Prozent [LGG18], sodass sich auch der Hafenumschlag noch mehrheitlich in der öffentlichen Hand befindet.
Rostock: Der Hafen der Hansestadt Rostock ist seit 1997 nach dem Landlord-Modell organisiert. Die ROSTOCK PORT GmbH im Besitz des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern und der Hansestadt Rostock vertritt die Interessen des Hafens [RoPo21a]. Sie verwaltet, entwickelt und unterhält die Hafeninfrastruktur und verpachtet Grund und Boden sowie vermietet Immobilien für Ansiedler im Gewerbegebiet Seehafen Rostock und stellt Service- und Versorgungsleistungen bereit. Sie betreibt darüber hinaus den Fähr- und Kreuzfahrthafen.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Funktionen und Zukunftsperspektiven von Seehäfen im Kontext maritimer Lieferketten (Stand des Wissens: 18.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?50780
Literatur
[DoKo07] Dombois, R., Koutsoutos, A. Privatisation in European Ports, IAW / Bremen, 2007
[Holo05] Holocher, Klaus Harald, Prof. Dr. Die Entwicklung der Seehafenpolitik der deutschen Küstenländer, veröffentlicht in Märkte im Wandel - mehr Mut zu Wettbewerb : Festschrift zum 65. Geburtstag von Rolf W. Stuchtey, Ausgabe/Auflage 1, Peter Lang / Frankfurt a.M., 2005, ISBN/ISSN 3-631-52943-0
[LGG18] Lübecker Hafen-Gesellschaft mbH (Hrsg.) Die LHG stellt sich vor, 2018
[Reut07] Reuter, M. Finanzierung von Häfen - ein europäischer Vergleich, veröffentlicht in Maritime Politik im Fokus der Parlamente, Schwerin, 2007, ISBN/ISSN 3-932447-50-6
[RoPo21a] ROSTOCK PORT GmbH (Hrsg.) Überseehafen Rostock Überseehafen Rostock auf einen Blick 2021, 2021
[UNCTAD98a] UNCTAD Review of Maritime Transport 1998, 1998
Glossar
Suprastruktur
Gegenbegriff zu Infrastruktur. Die Suprastruktur umfasst alle Einrichtungen, die für Transport-, Umschlag- und Lager- sowie Beschaffungs- und Verarbeitungsprozesse innerhalb einer Verkehrsanlage, wie einem Seehafen, nötig sind. In einem Hafen gehören zur Suprastruktur beispielsweise Kräne, Lager- und Kühlhäuser sowie Bürokomplexe. Im Gegensatz zur Infrastruktur wird die Suprastruktur häufig nicht von der öffentlichen Hand finanziert, sondern von den Betreibergesellschaften beschafft, gewartet und entsorgt.
CO
= Kohlenstoffmonoxid. CO ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff und gehört damit neben Kohlenstoffdioxid zur Gruppe der Kohlenstoffoxide. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Kohlenstoffmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme von Menschen und Tieren. Schon kleine Mengen dieses Atemgiftes haben Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.
Es entsteht bei der unvollständigen Oxidation von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Dies erfolgt zum Beispiel beim Verbrennen dieser Stoffe, wenn nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht oder die Verbrennung bei hohen Temperaturen stattfindet. Kohlenstoffmonoxid selbst ist brennbar und verbrennt mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid. Hauptquelle für die CO-Belastung der Luft ist der Kfz-Verkehr.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?564683

Gedruckt am Montag, 29. April 2024 13:17:06