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Luftverkehrssteuer in Deutschland

Erstellt am: 06.02.2018 | Stand des Wissens: 18.07.2023
Synthesebericht gehört zu:

Die Luftverkehrssteuer wurde mit dem Luftverkehrssteuergesetz (LuftVStG) vom 9.12.2010 zum 1.1.2011 eingeführt [DeBu12b]. Die Steuerpflicht für die Fluggesellschaften entsteht mit dem Abflug eines Fluggastes von einem deutschen Flughafen. Grundlage für den Steuertarif ist die Entfernung zwischen dem größten deutschen Verkehrsflughafen (Frankfurt am Main) und dem größten Verkehrsflughafen des jeweiligen Ziellandes. Der von den Fluggesellschaften zu entrichtende Steuerbetrag beträgt seit 2022:
  • 12,77 Euro (EU-Mitgliedstaaten, EU-Beitrittskandidaten, EFTA-Mitgliedstaaten und in diesem Entfernungskreis liegende Drittstaaten bis zu einer Entfernung von 2.500 Kilometern),
  • 32,35 Euro (Länder, die nicht in die vorgenannte Distanzklasse fallen, bis zu einer Entfernung von 6.000 Kilometern),
  • 58,23 Euro (Länder mit einer Entfernung über 6.000 Kilometer) [BMF22].
Ursprünglich waren höhere Beträge vorgesehen, doch mit der Einbeziehung des Luftverkehrs in das Emissionshandelssystem der Europäischen Union wurden die Steuerbeträge leicht abgesenkt [DeBu12b]. Das Steueraufkommen betrug im Jahr 2015 gut eine Milliarde Euro und erreichte damit die ursprüngliche Zielsetzung [DeBu12b].
SB_4_2_Luftverkehrssteuer_Einnahmen.pngAbb. 1: Einnahmen durch die Luftverkehrssteuer in Deutschland von 2011 bis 2019 [DEST23b]
Ein wichtiges Motiv der Einführung einer Luftverkehrssteuer war fiskalischer Natur: Die Einnahmen sollten einen Beitrag zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes und damit zur Erreichung der Defizitgrenze des Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts leisten [BMF11a]. Dementsprechend sind die Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer nicht zweckgebunden, also der Finanzierung bestimmter Vorhaben gewidmet, sondern dienen dem allgemeinen Haushalt. Dies gilt auch generell für alle Steuern (Nonaffektationsprinzip).
Darüber hinaus wird argumentiert, dass durch die Luftverkehrssteuer die impliziten Subventionen an die Luftverkehrswirtschaft in Form von Einnahmeverlusten bei Energie- und Mehrwertsteuer sowie vielfältige Subventionen für Flughäfen, insbesondere Regionalflughäfen, teilweise ausgeglichen werden und somit ein Beitrag zur intermodalen Gleichbehandlung geleistet wird [ThHa13]. Vor dem ökologischen Hintergrund soll die Luftverkehrssteuer auch Anreize für umweltgerechteres Verhalten setzen (Internalisierung externer Effekte) [BMF11a].
Von der Luftfahrtbranche wird die Steuer kritisiert. Die Einführung der Luftverkehrssteuer stelle insbesondere einen internationalen Wettbewerbsnachteil für Fluggesellschaften dar, die in Deutschland einen Hub eingerichtet haben und betreiben [BDL14]. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass durch die relativ starke Besteuerung von Inlandsflügen durch die zusätzliche Mehrwertsteuer ein Angebotsrückgang stattgefunden habe. Insbesondere Billigfluggesellschaften weisen aufgrund der preissensiblen Nachfrage eine hohe Angebotselastizität auf. So haben Billigfluggesellschaften Startflughäfen an grenznahe ausländische Flughäfen verlegt, um der Luftverkehrssteuer auszuweichen [FiFo14].
Aufgrund der zusätzlichen Belastung für die Luftverkehrswirtschaft versuchten Fluggesellschaften gegen die Einführung einer Luftverkehrssteuer zu klagen. Sowohl das Bundesverfassungsgericht (2014) [BVerG14] als auch das Hessische Finanzgericht (2015) [HeFi15] sowie der Bundesfinanzhof in München (2015) [BFH15] entschieden jedoch, dass die Steuer verfassungskonform ist und nicht gegen das Recht der Europäischen Union verstößt. Allerdings gibt es Anzeichen, dass die Politik wieder umsteuert. Im Zusammenhang mit dem Luftverkehrskonzept wurde im Mai 2017 der Einstieg zum Ausstieg aus der Luftverkehrssteuer verkündet [Dobr17a]. Die Große Koalition hat sich im Rahmen des Koalitionsvertrags von 2018 nicht direkt zur Luftverkehrssteuer geäußert, aber die Schaffung fairer Rahmenbedingungen im Einklang mit europäischen und internationalen Regelungen für die Luftverkehrswirtschaft und die Entlastung unserer Flughäfen und Luftfahrtunternehmen von einseitigen nationalen Kosten angekündigt [Bund18]. Im aktuellen Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition wird angekündigt, dass Einnahmen aus der Luftverkehrssteuer zur Förderung von CO2-neutralen Flugkraftstoffen und zur Flottenmoderni-sierung im Luftverkehr verwendet werden sollen. [DeBu21d]
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Luftverkehrspolitik (Stand des Wissens: 12.07.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?184144
Literatur
[BDL14] Luftverkehrsteuer in Deutschland, 3. aktualisierter Evaluierungsbericht, 2014
[BFH15] Urteil vom 1.12.2015, VII R 55/13, 2015/12/01
[BMF11a] Bundesministerium der Finanzen (Hrsg.) Monatsbericht: Die Luftverkehrssteuer, 2011
[BMF22] Bundesministerium der Finanzen Luftverkehrsteuer, 2022
[Bund18] CDU, CSU, SPD Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD
19. Legislaturperiode, Berlin, 2018/03/12
[BVerG14] Leitsätze zum Urteil des Ersten Senats 1 BvF 3/11, 2014/03/21
[DeBu12b] Deutscher Bundestag (Hrsg.) Drucksache 17/10225, Unterrichtung durch die Bundesregierung, 2012
[DeBu21d] Bundesregierung Koaltionsvertrag 2021- 2025 zwischen der Soziademokratischen Partei Deutschlands (SPD), Bündnis 90 / Die Grünen und den Freien Demokraten (FDP), 2021/12/07
[DEST23b] Statistisches Bundesamt (Hrsg.) Einnahmen durch die Luftverkehrsteuer in Deutschland in den Jahre 2011 bis 2022 , 2023
[Dobr17a] Alexander Dobrindt Luftverkehrskonzept: Pressekonferenz mit BM Dobrindt vom 3.5.2017, 2017/05/03
[FiFo14] Fichert, F., Forsyth, P., Niemeier, M. Auswirkungen der deutschen Luftverkehrsteuer auf das Passagieraufkommen - eine Zwischenbilanz, veröffentlicht in Zeitschrift fuer Verkehrswissenschaft, Ausgabe/Auflage 85, 2014, ISBN/ISSN 0044-3670
[HeFi15] Rechtsprechung 7 K 631/12 , 2015/06/03
[ThHa13] Friedrich Thießen, André Haucke Die Luftverkehrsteuer - Auswirkungen auf die Entwicklung des Luftverkehrs in Deutschland, 2013/11/12
Glossar
EU-Emissionshandelssystem Das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) ist ein 2003 vom Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament beschlossenes marktwirtschaftliches Instrument, die im Kyoto-Protokoll gesetzten Klimaschutzziele zu erreichen. Anlagenbetreiber (zur Zeit sind etwa 11.000 Fabriken und Kraftwerke erfasst) müssen bei Überschreiten der ihnen fest vorgegebenen Emissionsberechtigungen Strafen bezahlen (100 Euro pro Tonne CO2), sofern keine Zertifikate zur Tilgung vorgelegt werden können. Diese Zertifikate vergeben solche Betreiber, die die o.g. Grenzwerte unterschritten haben. Die Nachweispflicht liegt in jedem Fall bei dem Anlagenbetreiber.
Hub Der Begriff Hub kommt vom englischen Begriff "Hub and Spoke", was im Deutschen "Nabe und Speiche" entspricht. Der Hub dient als Sammel- und Knotenpunkt für Hauptverkehrswegen für den Umschlag und die Zusammenfassung von Warenströmen in alle Richtungen, d.h. zur Warenübergabe an regionale Verteiler. Im Postwesen handelt es sich bei Hubs häufig um Paketzentren. Die Transportmittel zur weiteren Beförderung der Sendungen variieren (Schiffe, Flugzeuge, Lkw).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?478884

Gedruckt am Freitag, 26. April 2024 21:13:53