Begegnungszonen
Erstellt am: 16.01.2012 | Stand des Wissens: 07.11.2017
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zu Beginn der 1980er Jahre fand die heutige Begegnungszone ihren Ursprung in der französischen Stadt Chambéry. Im Gegensatz zu Shared Space-Bereichen werden bei Begegnungszonen die verkehrsberuhigenden Maßnahmen auf das Hauptstraßennetz ausgeweitet. Mit diesen nach dem Mischungsprinzip gestalteten Fußgängerflächen wurde ein zur damaligen Zeit neuartiger Weg beschritten. In den sogenannten "Aire Piétonne" herrschen einheitliche Regeln [Thie10]:
- Fußgängervorrang,
- Schrittgeschwindigkeit und
- Halteverbot.
Die Ansätze der Schweizer Begegnungszone gehen auf das Jahr 1995 zurück. Im Rahmen der Umsetzung des landesweiten Energiesparprogrammes "Energie 2000" und der regionalen "Agenda 21" wurde Burgdorf zur Fußgänger- und Velomodellstadt ausgewählt. Mit dem Pilotprojekt "Flanierzone" - inspiriert durch das Beispiel Chambéry - sollte eine Alternative zur Fußgängerzone entwickelt werden, die dem Fußverkehr das "Flanieren" in attraktiver Geschäftsumgebung ermöglicht. Im Januar 2001 wurde das Pilotprojekt der Burgdorfer "Flanierzone" in eine Begegnungszone umbenannt und seit Januar 2002 auch gesetzlich als neues Verkehrsregime zugelassen [Schw10a]. Nach Artikel 2a Nummer 5 der Schweizer Signalisationsverordnung (SSV) sind die "Signale" von Begegnungszonen "[...]nur auf Nebenstrassen mit möglichst gleichartigem Charakter zulässig[...]" [SSV]. Sie kennzeichnen Straßen in Wohn- oder Geschäftsbereichen, auf welchen "Fussgänger und Benützer von fahrzeugähnlichen Geräten die ganze Verkehrsfläche benützen dürfen". Dabei haben sie vor dem Fahrzeugverkehr Vorrang, dürfen diesen aber nicht unnötig behindern [SSV, Artikel 22b Nummer 1] Weiterhin gelten in Begegnungszonen die folgenden Minimalprinzipien [SSV, Artikel 22b Nummer 2, Nummer 3]:
- Höchstgeschwindigkeit von 20 Kilometer pro Stunde und
- regelkonformes Parken nur in entsprechend markierten oder signalisierten Flächen.
Mit der Aufnahme der Begegnungszone in die Straßenverkehrsgesetzgebung kann sich der Einsatz von Begegnungszonen für verschiedenste Umfeldsituationen ergeben, zum Beispiel Bahnhofsvorplätze, Einkaufs- und Begegnungszonen im Zentrum, Altstädte, Schul- oder Wohnumfeld.
Im Gegensatz zu Deutschland und Österreich, ist in der Schweiz das Spielen auf der Straße (Kinderspiel) an kein Verkehrsregime gebunden. Unabhängig von der signalisierten Höchstgeschwindigkeit ist das Kinderspiel nur auf schwach belasteten Straßen zulässig. Das schweizerische Vorbild der Trennung von Verkehrsregime und Kinderspiel ist folglich eine weitere Voraussetzung zur Anordnung von Begegnungszonen unter verschiedenen örtlichen Gegebenheiten [Schw10a].
Statistisch belastbare Aussagen bezüglich der Verkehrssicherheit liegen derzeit noch nicht vor. Dennoch zeigen beispielhaft durchgeführte Vorher-Nachher-Vergleiche der Unfallzahlen in schweizer Begegnungszonen einen positiven Trend [Schw10a]. Mit der Zone de Rencontre folgte auch Belgien im Jahr 2004 dem schweizer Vorbild, allerdings enger angelehnt an die Zone Résidentielle (verkehrsberuhigte Wohnstraße) [Thie10].
Im Rahmen des Forschungsprojektes "Vernetzte Spiel- und Begegnungsräume" wurde im August 2008 Deutschlands erste Begegnungszone im Frankfurter Nordend eingeweiht. Ziel der Umgestaltung war die Erhöhung der Umfeldqualität durch die Schaffung von neuen Aufenthaltsflächen zur Kommunikation für Anwohner/innen sowie zum Kinderspiel. Darüber hinaus soll das Verantwortungsgefühl der Bewohner für den öffentlichen Raum gestärkt und verstetigt werden [FFM08]. Während im schweizer Ansatz eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 20 Kilometer pro Stunde vorgesehen ist, wurde die Begegnungszone im Frankfurter Nordend gemäß Straßenverkehrsordnung (StVO) als verkehrsberuhigter Bereich ausgewiesen (Zeichen 325 StVO).
Neben der Ausgestaltung eines niveaugleichen Querschnitts ohne große bauliche Maßnahmen gibt es weitere Besonderheiten [FFM08]:
- partielle Einfärbung von Aufenthaltsfeldern und Kreuzungen
- neuartigen Logos oder mit Schmalstrich markierte Stellplätze
durch Beschilderung und Schachbrettmarkierung deutliche gekennzeichnete Einfahrt (siehe auch Abbildung 1)
Abbildung 1: Begegnungszone im Frankfurter Nordend

Im Rahmen der 2011 beschlossenen Fußverkehrsstrategie der Stadt Berlin wurden 10 Modellprojekte festgelegt. Dabei beschäftigt sich das "Modellprojekt 5" mit dem Thema Begegnungszonen und beinhaltet drei Pilotprojekte: Maaßenstraße (Schöneberg) [SenStadtUm13a], Bergmannstraße (Kreuzberg) [SenStadtUm15] und der Bereich um den Checkpoint Charlie (wurde aufgegeben [SenStadtUm17]) Ziel des Projektes Maaßenstraße war "ein verträgliches Miteinander von Autos, Fuß- und Radverkehr [zu schaffen]. Der Straßenraum soll sicherer, die Aufenthaltsqualität besser und der motorisierte Verkehr langsamer werden".
Um dieses Ziel erreichen zu können, wurden folgende Gestaltungsmaßnahmen umgesetzt [SenStadtUm13a]:
- Fahrbahnverschmälerung,
- Schaffung zusätzlicher barrierefreier Querungsmöglichkeiten,
- Verlagerung des Radverkehrs auf die Fahrbahn,
- Gestaltung neuer Flächen mit hoher Aufenthaltsqualität,
- Aufwertung des Straßenraums durch Möblierung,
- Verzicht auf Flächen für den ruhenden Verkehr.
Die Eingangsbereiche wurden gemäß StVO mit dem Zeichen 274 (verkehrsberuhigter Geschäftsbereich) versehen [SenStadtUm13]. Zusätzlich sollen grüne Hinweisschilder den Wiedererkennungswert der Begegnungszone hervorheben [SenStadtUm13a].
Das Projekt Maaßenstraße fand bereits im Jahr 2015 seinen Abschluss. [SenStadtUm13a]. Derzeitig werden Vorher-Nachher-Untersuchungen unter Gesichtspunkten, wie Verkehrsablauf, Geschwindigkeitsverhalten, Unfallsituation sowie Akzeptanz in der Begegnungszone Maaßenstraße durchgeführt [SenStadtUm13].