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Herausforderungen bei Straßenräumen mit hohem Aufenthalts- und Querungsbedarf

Erstellt am: 27.06.2011 | Stand des Wissens: 13.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

In städtischen Gebieten mit hoher Nutzungsdichte - auch nicht-motorisierter Verkehrsteilnehmender - sind bei der Planung und Gestaltung von Straßenverkehrsanlagen neben der Verbindungsfunktion auch die Erschließungs- und Aufenthaltsfunktion in hohem Maße zu berücksichtigen. Insbesondere trifft das zu auf:
  • Geschäftsviertel,
  • Wohnviertel und
  • zentrale sowie attraktive Bereiche
Neben den verkehrlichen Ansprüchen müssen Straßenräume auch den städtebaulichen Anforderungen sowie den Bedürfnissen der Bewohnenden und Nutzenden Rechnung tragen. Dabei kann es zu räumlichen Überlagerungen der verschiedenen Funktionsansprüche kommen und somit auch zu Konflikten, die es im Vorfeld zu vermeiden gilt [Vall21]. Entsprechend sorgfältig sind daher die unterschiedlichen Anforderungen der Akteurinnen und Akteure zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen sowie durch eine intensive Öffentlichkeitsarbeit zu begleiten. Die Erschließungsfunktion einer Straßenverkehrsanlage leitet sich aus der baulichen und sonstigen Nutzung der an die öffentlichen Verkehrsflächen angrenzenden Umfeldflächen ab (öffentliche und private Folge- und Versorgungseinrichtungen). In Stadtquartieren mit hoher baulicher Dichte und einem Mangel an Freiflächen (zum Beispiel Stadt- und Stadtteilzentren, Wohngebiete) übernehmen die Straßenräume zusätzlich eine Aufenthaltsfunktion. Sie bieten damit Flächen für Geschäfte, zur Kommunikation und Begegnung, aber auch zum Kinderspiel [FGSV08d; Vall21]. Zusätzliche Aufenthaltsflächen sind aus Sicht der Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA) in folgenden Straßen erforderlich [FGSV02c]:
  • Straßen jeden Typs mit (dichter) Wohnbebauung und Geschäfts- beziehungsweise Kleingewerbebesatz sowie
  • Straßen mit hoher Geschäftsdichte.
Weiterhin kann durch die Funktionsüberlagerung in diesen Straßenräumen von einem besonderen Querungsbedarf ausgegangen werden. Dabei stellt die Querung von Fahrbahnbereichen in der Regel eines der größten Probleme von Fußgängerinnen und Fußgängern bei der Umsetzung der täglichen Mobilitätsbedürfnisse dar (Unfallrisiko, Trennwirkung, Zeitverluste) [FGSV02c]. Umso wichtiger ist deshalb in Straßenräumen mit hohem Aufenthalts- und Querungsbedarf (unabhängig von den individuellen Fähigkeiten der Nutzenden) eine möglichst sichere und hindernisfreie Gestaltung. Indikatoren für Straßenräume mit hohem Aufenthalts- und Querungsbedarf sind [FGSV02c]:
  • beidseitig geschlossene Wohnbebauung,
  • Geschäfte und Dienstleistungsbetriebe,
  • punktuell besondere Quellen und Ziele im Fußgängerverkehr, zum Beispiel wichtige infrastrukturelle Einrichtungen,
  • Haltestellen beziehungsweise Verknüpfungspunkte des öffentlichen Personennahverkehrs sowie
  • wichtige Gehwegeverbindungen quer zur kreuzenden Straße.
Im Sinne des "Designs für Alle" soll die barrierefreie Teilhabe am Verkehrsgeschehen ermöglicht werden. Dabei steht bei der Gestaltung von Straßenräumen mit hohem Aufenthalts- und Querungsbedarf nicht nur die sichere Führung der Zufußgehenden bei der Querung der Fahrbahnbereiche im Vordergrund, sondern auch die Gewährleistung eines angenehmen Aufenthalts in den angrenzenden Seitenbereichen [FGSV14]. Aktuelle Ansätze, wie "Shared Space" oder "Begegnungszonen" , verfolgen die Zielstellung zum einen mehr Rücksicht im Verkehrsverhalten zu bewirken und zum anderen die Aufenthaltsfunktion mit den anderen Funktionsansprüchen an städtische Straßenräume (räumliche und verkehrliche) in ein Gleichgewicht zu bringen [FGSV14]. In der Vergangenheit wurden bereits zahlreiche Konzepte und Maßnahmen ergriffen, um die Sicherheit und Aufenthaltsqualität für den nicht-motorisierten Verkehr in diesen Bereichen zu verbessern. Diese sogenannten Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sind - im Gegensatz zum Shared Space-Gedanken - in ihrer Wirkungsweise allgemein anerkannt und deren Einsatzbereiche und -grenzen bekannt. Entsprechend kommen straßenverkehrsrechtliche und bauliche Maßnahmen der Verkehrsberuhigung nicht nur in Wohnquartieren zum Einsatz, sondern auch in städtischen Straßenraumbereichen, welche ein besonderes Aufenthalts- beziehungsweise Querungsbedürfnis aufweisen. Ziele der Verkehrsberuhigungsmaßnahmen sind:
  • die Verringerung des Geschwindigkeitsniveaus,
  • die Verringerung des Durchgangsverkehrsaufkommen,
  • die Verbesserung der Umfeld- und Lebensqualität sowie
  • die Verringerung der Lärm- und Schadstoffemissionen.
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Straßenräume mit hohem Aufenthalts- und Querungsbedarf (Stand des Wissens: 13.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?375535
Literatur
[FGSV02c] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. , Arbeitskreis 2.5.2 (Fußgängerverkehr) Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA), FGSV-Verlag, Köln, 2002
[FGSV08d] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. , Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV),, Arbeitsgruppe Verkehrsplanung (Hrsg.) Richtlinien für die integrierte Netzgestaltung (RIN), Ausgabe/Auflage 2008, FGSV Verlag, Wesselinger Straße 1, 50999 Köln, 2008/10/28, ISBN/ISSN 978-3-939715-79-5
[FGSV14] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. , Baier, Reinhold, Eilrich, Wolfgang, Gerlach, Jürgen, et al. Hinweise zu Straßenräumen mit besonderem Querungsbedarf - Anwendungsmöglichkeiten des "Shared Space"-Gedankens, veröffentlicht in Wissensdokumente (W 1), Ausgabe/Auflage FGSV 200/1, FGSV Verlag / Köln, 2014/06, ISBN/ISSN 978-3-86446-081-4
[Vall21] Vallée, D., Engel, B., Vogt, W. (Hrsg.) Stadtverkehrsplanung - Grundlagen, Ziele, Perspektiven, Ausgabe/Auflage 3, Springer Vieweg, Berlin, 2021, ISBN/ISSN 978-3-662-59692-0
Weiterführende Literatur
[BSV14] BSV Büro für Stadt- und Verkehrsplanung Dr.-Ing. Reinhold Baier GmbH, Baier, R.,, Engelen, K.,, Klemps-Kohnen, A.,, Reinartz, A. Einsatzbereich und Einsatzgrenzen von Straßenumgestaltungen nach dem "Shared Space"-Gedanken, 2014/08
[FGSV12a] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Hinweise zur Beteiligung und Kooperation in der Verkehrsplanung, Ausgabe/Auflage Ausgabe 2012, FGSV Verlag, Köln, 2012, ISBN/ISSN 978-3-86446-018-0
[RASt06] Baier, Reinhold, et al. Richtlinien für die Anlage von Stadtstraßen - RASt 06, Ausgabe/Auflage 2006, Köln, 2007, ISBN/ISSN 978-3-939715-21-4
[Stei05] Steierwald, G, et al. Stadtverkehrsplanung - Grundlagen, Methoden, Ziele, Ausgabe/Auflage 2, Springer-Verlag, Berlin 2005, 2005
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?355002

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 09:30:20