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Politische Instrumente zur Regulierung der Schadstoffemissionen der Seeschifffahrt

Erstellt am: 29.11.2010 | Stand des Wissens: 28.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Die politischen Instrumente, die zur Regulierung von Emissionen eingesetzt werden, können nach ihrer Reichweite unterschieden werden. Regelungen werden auf internationaler, europäischer beziehungsweise zwischenstaatlicher und nationaler Ebene getroffen. Die Seeschifffahrt ist eine hochgradig internationalisierte Aktivität. Sie findet überwiegend in internationalen Gewässern statt. Wie auch in Bezug auf andere Regulierungsgegenstände, beispielsweise Sicherheit, Verträge oder Arbeit, ist eine wirksame Regelung des Umwelt- und Klimaschutzes demnach häufig nur mittels internationaler Übereinkommen möglich. Die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO), eine Unterorganisation der Vereinten Nationen, ist daher als wichtigstes politisches Organ des maritimen Umwelt- und Klimaschutzes anzusehen. Dem von der IMO getroffenen Internationalen Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe von 1973 (MARPOL 73/78) kommt daher eine zentrale Stellung auf dem Gebiet des Umwelt- und Klimaschutzes in der Seeschifffahrt zu.
Die Europäische Union legte das Fundament für ihr umweltpolitisches Programm 1993 in der Mitteilung "A Common Policy on Safe Seas" [EuKom93a] und trat seither vornehmlich mit den Paketen Erika I, II und III sowie den Mitteilungen Thematische Strategie für den Schutz und die Erhaltung der Meeresumwelt und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL) [EUR08] in Aktion.

Auf nationaler Ebene findet sich in Deutschland die Arbeitsgemeinschaft Bund/Länder-Messprogramm für die Meeresumwelt von Nord- und Ostsee (ARGE BLMP Nord- und Ostsee) zu deren Mitgliedern die Ministeriums- beispielsweise Senatsvertreter der Bundesrepublik Deutschland und der Küstenländer Hansestadt Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zählen.

MARPOL regelt die verschiedenen Arten von Verschmutzungen im Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb. Das MARPOL-Vertragswerk besteht aus dem eigentlichen Übereinkommen, zwei Protokollen und sechs Anlagen. Die Emissionen von Luftschadstoffen der Seeschifffahrt werden in MARPOL 73 / 78 Annex VI "Regulations for the Prevention of Air Pollution from Ships" geregelt, der am 19. Mai 2005 in Kraft trat. Demnach müssen Schiffe, die über Dieselmotoren über 130 Kilowatt verfügen und deren Kiellegung nach dem 01. Januar 2000, 2001 beziehungsweise 2011 stattfand; Schiffe mit Motoren größer als 5000 Kilowatt und einer Kiellegung zwischen 01. Januar 1990 und 01. Januar 2000 sowie Schiffe mit Motoren größer als 130 Kilowatt, welche umfangreich umgebaut wurden, ein International Air Pollution Prevention Certificate (IAPP) führen. Das IAPP wird normalerweise durch eine Klassifizierungsgesellschaft im staatlichen Auftrag ausgestellt. Für die Ausgabe eines IAPP ist entscheidend, dass keine Ozonschicht schädigende Ausrüstungen installiert wurden. In einem Zertifikat für ab 2000 erstellte Maschinenanlagen sind die technischen Daten und Emissionswerte an Stickoxiden (NOx) nachzuweisen. Sie dürfen maximal 17 Gramm pro Kilowattstunde bei bis zu 130 Umdrehungen pro Minute und 9,84 Gramm pro Kilowattstunde bei 2000 und mehr Umdrehungen pro Minute betragen. Dazwischen gilt der nach folgender Formel berechnete Grenzwert: 45*Umdrehungen pro Minute^(-0.2) Gramm pro Kilowattstunde (dargestellt in Abbildung 1).
NOx Grenzwert nach Drehzahl2.pngAbb. 1: NOx Grenzwert in verschiedenen Drehzahlbereichen (eigene Darstellung nach [IMO18b])

Um den Ausstoß von Schwefeloxiden (SOx), Ruß und Feinstaub zu reduzieren, darf der maximal zulässige Schwefelgehalt von Treibstoffen seit dem 01. Januar 2012 nicht mehr als 3,5 Prozent des Gewichts betragen. Seit 2020 gilt der neue Grenzwert von 0,1 Prozent [GCAP16].  In SOx Emission Control Areas (SECAs), wie Nord- und Ostsee, sind seit 01. Januar 2015 maximal 0,1 Prozent zulässig. Alternativ müssen genehmigte Abgasreinigungsanlagen installiert sein. Weiterhin wurden Regeln für flüchtige organische Bestandteile (nur für Tanker) und die Abfallverbrennung beschlossen. 2011 erweiterte die IMO den MARPOL Annex VI. Demnach werden technische und betriebliche Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz eingeführt, die die Emission von Treibhausgasen signifikant senken sollen. Der Nachtrag ist zum 1. Januar 2013 in Kraft getreten [IMO13].

Die getroffenen Regulierungen haben sich bisher teilweise als wirksam erwiesen. Die Emissionen der Ozon abbauenden Substanzen wurden drastisch reduziert. Bei NOx wurde eine Verminderung von 12-14 Prozent je Tonne Treibstoff gegenüber dem Stand vor der Regulierung festgestellt. Bezogen auf die Ausgangsflotte ergab sich eine Reduzierung um 6 Prozent, wobei insgesamt die Emissionen von 16 Millionen Tonnen in 2000 auf 20 Millionen Tonnen in 2007 stiegen. Für Nord- und Ostsee wurde die Reduzierung der SOx-Emissionen 2008 auf 42 Prozent geschätzt [IMO09, S.38f.].

Eigene Emissionsregeln hat die Umweltbehörde des US-Bundesstaats Kalifornien erlassen. Nach der California Fuel Rule von 2008 gilt seit 01. Juli 2009 ein Schwefellimit von 1,5 Prozent für schweres Heizöl (MGO) und von 0,5 Prozent für Dieselöl (MDO) in einer 24sm-Zone vor der kalifornischen Küste. Mit dem 01. Januar 2012 sanken die Grenzwerte für beide Qualitäten auf 0,1 Prozent.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Politische Instrumente (Stand des Wissens: 28.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?408685
Literatur
[EuKom93a] Europäische Kommission A Common Policy on Safe Seas, COM(93)66 final, Brüssel, 1993/02/24
[GCAP16] gcaptain (Hrsg.) IMO Sets Regulations to Cut Sulphur Emissions by Ships from 2020, 2016/10/27
[IMO09] Buhaug, Ø., Corbett, J.J., Endresen, Ø., Eyring, V., Faber, J., Hanayama, S., Lee, D.S., Lee, D., Lindstad, H., Markowska, A.Z., Mjelde, A., Nelissen, D., Nilsen, J., Pålsson, C., Winebrake, J.J., Wu, W., Yoshida, K. Second IMO GHG study 2009, London, 2009
[IMO13] International Maritime Organization (IMO) (Hrsg.) International Convention for the Prevention of Pollution from Ships (MARPOL), 2013
[IMO18b] International Maritime Organization (Hrsg.) Nitrogen Oxides (NOx) - Regulation 13, 2018
Rechtsvorschriften
[EUR08] RICHTLINIE 2008/56/EG Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie
Glossar
NOx
= Stickoxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des Stickstoffs. Die wichtigsten Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Es sind gasförmige Verbindungen, die sich nur wenig in Wasser lösen.
Die wichtigsten Stickoxid-Quellen sind natürliche Vorgänge, wie zum Beispiel mikrobiologische Umsetzungen im Boden, sowie Verbrennungsvorgänge bei Kraftwerken, Kraftfahrzeugen und industrielle Hochtemperaturprozesse, bei denen aus dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft Stickoxide entstehen. Stickstoffdioxid ist ein Reizstoff, der die Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und des Atmungstraktes beeinträchtigt.
SOx
= Schwefeloxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des chemischen Elements Schwefel. Sie entstehen vor allem bei der Verbrennung schwefelhaltiger Brennstoffe oder bei natürlichen Vorgängen wie Vulkanausbrüchen. Die wichtigsten Schwefeloxide sind Schwefeldioxid SO2 und Schwefeltrioxid SO3. In Verbindung mit wässrigen Lösungen bilden beide Oxide Säuren, welche unter anderem für die Versauerung von Seen und das Waldsterben mitverantwortlich sind. Zudem sind die Schwefeloxide auch gasförmig giftig.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?334599

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 10:14:02