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Finanzierungs- und Steuerungsinstrument Schwerverkehrsabgabe

Erstellt am: 26.03.2010 | Stand des Wissens: 12.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Infrastrukturbenutzungsgebühren für den Straßengüterverkehr, in der Schweiz Lastabhängige Schwerverkehrsabgabe und in Deutschland Lkw-Maut genannt, sind ein Mittel zur Finanzierung des Fernstraßennetzes, aber auch ein Instrument zur Steuerung der zeitlichen und räumlichen Nutzungsintensität der Infrastruktur.

Dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge entfielen 92 Prozent der 2007 im deutschen Autobahnnetz entstandenen Wegekosten auf schwere Nutzfahrzeuge ab 12 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht [DIW09, S. 13]. Vor diesem Hintergrund stellen last- und entfernungsabhängige Mautabgaben einen wichtigen Ansatz für eine direkte, verursachergerechte Kostenumlage dar. Der durch die Europäische Union mit zwei entsprechenden Richtlinien vorgegebene Rechtsrahmen [1999/62/EG; 2006/38/EG] gilt für alle Fernstraßen von Bedeutung für den europäischen Binnenmarkt. Er ermöglicht keine vollständige Anlastung der internen und externen Kosten, die durch den Straßengüterverkehr entstehen, sondern nur die Umlage der aus Bau und Betrieb folgenden Aufwendungen, und legt Höchstsätze fest. In der Schweiz hingegen gilt die Gebührenpflicht für alle Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht im gesamten Straßennetz. Mit den Einnahmen, die nach den Berechnungen der Schweizer Bundesregierung auch die externen Kosten des Straßengüterverkehrs in hohem Maße decken [KrBa09, S. 8], werden nicht nur die Straßeninfrastruktur unterhalten, sondern auch die für den Alpentransitverkehr bedeutenden Schienenwege ausgebaut und der Kombinierte Verkehr Straße - Schiene gefördert [KrBa09, S. 8].

Infrastrukturbenutzungsgebühren für den Straßengüterverkehr bewirken ohne weitere flankierende Maßnahmen keine Verlagerung auf den Kombinierten Verkehr oder Schiene oder Binnenwasserstraße, da viele Transporte ohne die Steigerung von Angebotsqualität und -quantität der Alternativen nicht verlagert werden können [BaJa06; Bulh06].
Daher ist zu beobachten, dass trotz möglicher Energieeinspar- und CO2-Reduktionspotenziale im Bereich des Schienengüterverkehrs der Modalsplit in Europa und Deutschland seit den 1990er Jahren bei unter 20 Prozent stagniert [LiLi16, S. 10f.], wobei der Modalsplit Anteil der Binnenschifffahrt in Deutschland in dem Jahr 2018 bei 7,8 Prozent lag und damit leicht rückläufig ist [STAT19l]. So war auch in der Schweiz, in der die Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs durch Volksentscheide Bestandteil der Verfassung ist, trotz der flankierenden Maßnahmen 2008 ein gleichmäßiges Wachstum der Verkehrsleistung sowohl auf der Straße als auch der Schiene zu verzeichnen [UVEK10].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Gesetze und politische Zielvorgaben im Kombinierten Verkehr (Stand des Wissens: 12.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?321686
Literatur
[BaJa06] TransCare GmbH, Barckhausen, Undine, Jahncke, Ralf, Zima, Katrin Einfluss der Lkw-Maut auf den Modal-Split zwischen Schiene und Straße, 2006/03
[Bulh06] Bulheller, Martin Verlagerung auf die Schiene muss teuer erkauft werden, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage 07+08/07, Deutscher Verkehrs-Verlag GmbH/Hamburg , 2006/07, ISBN/ISSN 0020-9511
[DIW09] Link,Heike, Kalinowska,Dominika, Kunert,Uwe, Radke,Sabine Wegekosten und Wegekostendeckung des Straßen- und Schienenverkehrs in Deutschland im Jahre 2007, Berlin, 2009/12
[KrBa09] Krebs, Peter, Balmer, Ueli Fair und effizient - Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe in der Schweiz, Bern, 2009
[LiLi16] Lobig A., Liedtke G. , Lischke A., Wolfermann A., Knörr W. Verlagerungspotenziale auf den Schienengüterverkehr in Deutschland, 2016/12/01
[STAT19l] Bundesamt für Logistik und Mobilität Anteil der Binnenschifffahrt an der Transportleistung im Güterverkehr in Deutschland in den Jahren von 2013 bis 2021 (laut Modal-Split), 2019
[UVEK10] o. A. Monitoring-Bericht Flankierende Maßnahmen - 2. Semesterbericht 2009, 2010/03
Rechtsvorschriften
[1999/62/EG] EU-Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge
[2006/38/EG] EU-Richtlinie 2006/38/EG
Glossar
Schienengüterverkehr
Unter Schienengüterverkehr (SGV) wird der Transport von Gütern mit der Eisenbahn verstanden. Diese werden in Güterzügen unter Verwendung (spezieller) Güterwagen befördert. Diese Verkehre können entweder auf gesonderten Güterverkehrsstrecken oder im Mischverkehr, auf gemeinsam durch den Güter- und Personenverkehr genutzten Strecken, realisiert werden. Leistungen des Schienengüterverkehrs werden häufig als Teil einer Logistikkette in logistische Gesamtkonzepte eingebunden.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
LSVA Lastabhängige Schwerverkehrsabgabe: Auf zurückgelegte Strecke, Schadstoffklasse und zulässiges Gesamtgewicht eines Fahrzeugs des Straßengüterverkehrs bezogene Gebühr, die in der Schweiz erhoben wird.
Modal Split
Modal Split wird in der Verkehrsstatistik die prozentuale Verteilung des Personen- und Güterverkehrs auf verschiedene Verkehrsmittel (Modi) genannt. Der Modal Split ist Folge des Mobilitätsverhaltens der Menschen und der wirtschaftlichen, insbesondere der verkehrlichen Entscheidungen von Unternehmen.
Kombinierter Verkehr
Intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der in Europa zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, dem Binnen- oder Seeschiff bewältigt und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird.
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.
Externe Kosten Kosten, die nicht vom eigentlichen Verursacher, sondern von der Allgemeinheit getragen werden und deshalb nicht in den Marktpreisen enthalten sind, werden als externe Kosten bezeichnet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?302362

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 17:43:13