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Privater Kapitalanteil und Absicherungsinstrumente

Erstellt am: 14.03.2010 | Stand des Wissens: 14.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Infrastrukturwirtschaft und -management - Prof. Dr. Thorsten Beckers
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Ein weiterer zentraler Gestaltungsparameter bei PPP-Projekten ist die Höhe des privaten Kapitalanteils, der entscheidend durch die zeitliche Struktur der Vergütung des privaten Partners bedingt ist (vgl. für eine vertiefte Analyse der Rationalität und Ausgestaltung privater Finanzierung in PPP-Projekten BeBr08). Die zentralen Ansatzpunkte für die Ausgestaltung der zeitlichen Vergütungsstruktur bilden die Festsetzung einer Anschubfinanzierung und einer Kompensations- beziehungsweise Abschlusszahlung sowie die Vergütungshöhe pro Zeiteinheit.

Die wesentliche volkswirtschaftliche Rationalität der Einbeziehung privater Finanzierung in ein PPP-Projekt besteht in deren Absicherungs- und Anreizwirkung im Hinblick auf das Ziel der Kosteneffizienz. Diese ist für die Kosteneffizienz von PPP-Projekten insofern von Bedeutung, als dass die Ausprägungen der einzelnen Risiken von den erwarteten Werten abweichen können. Sofern sich Risiken auf eine negative Weise realisieren, die gemäß der vereinbarten Risikoallokation in der Risikosphäre des privaten Partners liegen, muss dieser höhere Ausgaben als ursprünglich geplant tätigen, um seiner vertraglich vereinbarten Leistungspflicht nachzukommen. In einem derartigen Fall ist es für die Kapitalgeber rational, das Projekt vertragsgemäß fortzuführen, so lange der erwartete zukünftige Projekt-Cashflow, der den Wert des im Projekt gebundenen Kapitals der Investoren darstellt, positiv ist. Es ist umso wahrscheinlicher, dass der Wert des gebundenen Kapitals der Investoren in einem PPP-Projekt positiv ist, je später in der Projektlaufzeit die Einzahlungen aus Vergütung beim privaten Partner eintreffen und dementsprechend je höher die private Kapitalbereitstellung ist. Daher stellt privates Kapital in PPP-Projekten ein Instrument dar, das die Durchsetzung der vertraglich vereinbarten Risikoallokation sicherstellt und aus Sicht der öffentlichen Hand eine Absicherungswirkung gegen eine Nicht- oder Schlechtleistung des privaten Partners entfaltet.

Allerdings dürfte eine vollständige Absicherung der öffentlichen Hand nicht sinnvoll sein, da die hierfür erforderliche private Kapitalbereitstellung, die auch mögliche Folgeschäden einer Schlechtleistung berücksichtigen müsste, in der Regel sehr hoch wäre und aufgrund der Risikoaversion privater Wirtschaftssubjekte mit hohen Kosten der Risikoübernahme einherginge, die in den Kapitalkosten abgebildet wären. Dies würde der private Partner in seinem Angebot entsprechend berücksichtigen. Bei einer Reduktion des privaten Kapitalanteils, vom Grad der vollständigen Absicherung ausgehend, nähmen zum einen die Kosten der Risikoübernahme infolge einer Kapitalbereitstellung der öffentlichen Hand ab. Zum anderen gingen jedoch auch die Anreize auf privater Seite zurück, Verluste zu verhindern beziehungsweise zu begrenzen. Insofern stiege die Wahrscheinlichkeit an, dass Verluste des privaten Partners aufgrund von Mehrausgaben beziehungsweise Mindereinnahmen gegenüber dem Planfall auf die öffentliche Hand zurückfallen. Dementsprechend ist bei einer Reduktion des privaten Kapitalanteils der erwartete höhere Schaden der öffentlichen Hand aufgrund der Übernahme von Verlusten des privaten Partners zu berücksichtigen.

Insgesamt existiert damit bei der Festlegung des privaten Kapitalanteils ein Trade-off zwischen den Kosten der Risikoübernahme einerseits sowie den Absicherungs- und Anreizwirkungen andererseits. Die optimale Lösung wird in der Regel nicht die vollständige Absicherung darstellen, sondern vielmehr zwischen den polaren Lösungen liegen und während der Vertragslaufzeit variieren. Eine wesentliche Bedeutung für die optimalen Absicherungsumfänge während der Vertragslaufzeit wird regelmäßig die erwartete zeitliche Entwicklung der Substanzqualität aufweisen. Die Wahl des Absicherungsumfangs während der Vertragslaufzeit ist daher eine Aufgabe, die beim einzelnen Projekt unter Berücksichtigung der diskutierten Effekte sowie der speziellen Charakteristika des Projektes und der technologisch bedingten Besonderheiten des jeweiligen Sektors erfolgen sollte.

Für den privaten Partner bestehen verschiedene (Ausgestaltungs-)Optionen bei der Bereitstellung des privaten Kapitals, welches aufgrund einer von der öffentlichen Hand vorgegebenen zeitlichen Vergütungsstruktur beizubringen ist. Bei PPP-Projekten, bei denen mit dem privaten Kapital eine Absicherungswirkung erzielt werden soll, erfolgt die Kapitalbereitstellung üblicherweise im Rahmen einer Projektfinanzierung und nur in seltenen Ausnahmefällen im Rahmen einer Unternehmensfinanzierung. Bei einer Projektfinanzierung bestehen wiederum Ausgestaltungsoptionen im Hinblick auf das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital, die Verwendung von (Bank-)Krediten und Anleihen im Bereich des Fremdkapitals sowie die Eigenkapitalbereitstellung durch in die realwirtschaftliche Leistungserstellung involvierte Unternehmen (internes Eigenkapital) und durch reine Finanzinvestoren (externes Eigenkapital).

Die öffentliche Hand sollte - wie von Beckers et al. (2008) aufgezeigt - dem privaten Partner weitgehende Entscheidungsfreiheit bei der Ausgestaltung der Finanzierung zugestehen und lediglich die unterschiedliche Flexibilität der verschiedenen Finanzierungsinstrumente im Falle von Leistungs- und Vergütungsanpassungen in der Vergabephase durch Vorgaben oder bei der Angebotswertung berücksichtigen. [BeBr08] Im Übrigen sollte die öffentliche Hand für den Fall eines schlechten Projektverlaufs und eines Wertverlustes des bereitgestellten Eigenkapitals explizit Vorsorge treffen und grundsätzlich die Fremdkapitalgeber zur Projektfortführung verpflichten; sofern die öffentliche Hand entsprechende Vertragsklauseln vorgibt, besteht kein weiterer Anlass, die Entscheidung des privaten Partners zur Kapitalstruktur, das heißt zum Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital, durch Vorgaben oder Wertungsregeln zu beeinflussen.

Die von der öffentlichen Hand angestrebte Absicherungs- und Anreizwirkung kann im Übrigen weitestgehend auch durch die Bereitstellung von Bürgschaften zugunsten der öffentlichen Hand erreicht werden, sofern die Bürgschaft von einem Unternehmen mit sehr hoher Bonität ausgestellt wird.

In der Praxis wird bei PPP-Projekten oftmals ein so genanntes "Forfaitierungsmodell" angewendet, bei dem zunächst der private Partner Forderungen aus der Leistungserstellung gegenüber der öffentlichen Hand, das heißt die vereinbarten zukünftigen Vergütungszahlungen, an den oder die Kreditgeber verkauft. Von der öffentlichen Hand wird dann ein Verzicht auf Einreden aus dem zugrunde liegenden Geschäft erklärt, so dass der Fremdkapitalgeber bei der Risikobewertung nicht auf das Projekt, sondern auf die Bonität der öffentlichen Hand abstellt. Bei diesem Modell entfaltet das privat bereitgestellte Kapital aus Sicht der öffentlichen Hand keinerlei Absicherungswirkung und kann die Durchsetzung der vertraglichen Risikoallokation nicht sicherstellen, weshalb die Anreize auf Seiten des privaten Partners entsprechend abnehmen. Insofern geht mit dem Forfaitierungsmodell ein ineffizient niedriges Absicherungsniveau einher und daher werden die erwarteten langfristigen Kosten höher sein als bei einer effizienten Einbeziehung privaten Kapitals in ein PPP-Projekt. Aus volkswirtschaftlicher Sicht weist das Forfaitierungsmodell daher keinerlei Rationalität auf und seine Anwendung ist abzulehnen.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Potenziale und Erfolgsfaktoren des PPP-Ansatzes (Stand des Wissens: 15.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?294833
Literatur
[BeBr08] Beckers, T., Brenck, A., Gehrt, J., Klatt, J. P. Rationalität und Ausgestaltung privater Finanzierung in PPP-Projekten, 2008
Glossar
PPP Public Private Partnership beschreibt Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen. Normalerweise findet diese über eine Kapitalverflechtung bei den auszuführenden Projekten statt. Eine Gewinnerzielung ist durchaus erwünscht, um Anreize für das private Unternehmen zu schaffen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?292167

Gedruckt am Freitag, 26. April 2024 06:45:19