Zentrale Mobilitätskenngrößen zur Beschreibung von Alltagsmobilität
Erstellt am: 20.10.2004 | Stand des Wissens: 30.06.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Kommunikationswirtschaft
Mobilitätskenngrößen, auch Mobilitätskennziffern genannt, sind Beschreibungsgrößen der Alltagsmobilität, welche die Teilnahme und Wahlmöglichkeiten am Verkehrsgeschehen sowie den dafür notwendigen Aufwand (Zeit und Entfernung) quantifizieren [Mehl01a, S. 91]. Eine einheitliche begriffliche Verwendung der Mobilitätskenngrößen existiert in Deutschland nicht. Einzelne Erhebungen zum Mobilitätsverhalten verwenden jeweils eigene Begriffe.
Die Alltagsmobilität von Personen bzw. Haushalten wird im Wesentlichen beschrieben durch:
- Häufigkeit (Wegehäufigkeit) und Anlass der Ortsveränderungen (Wegezweck)
- Räumliche (Wegelänge), zeitliche (Wegedauer) und modale Aspekte (benutztes Verkehrsmittel) der Ortsveränderungen [BASt96a, S. 14; Cerw99, S. 36].
Im Folgenden werden die verschiedenen Mobilitätskenngrößen definiert. Die Quantifizierung dieser Kennwerte für unterschiedliche Bereiche erfolgt in weiteren Syntheseberichten auf der Basis folgender in Deutschland durchgeführten Erhebungen zum Mobilitätsverhalten: Mobilität in Deutschland (MiD) [Foll19], Mobilität in Städten (SrV) [SrV09a] und Deutsches Mobilitätspanel (MOP) [KIT11].
1. Mobilitätsrate, Wegehäufigkeit, Wege(an)zahl, spezifisches Verkehrsaufkommen
Die Mobilitätsrate [Cerw99] oder Wegeanzahl [KIT11; Nobi18] beschreibt die Anzahl der außerhäuslichen Wege, die pro Person und Zeiteinheit (zum Beispiel am Tag) unternommen werden. Dazu gehören alle Wege zu Fuß, per Fahrrad, alle Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln sowie mit einem Pkw oder Motorrad [Mehl01a, S. 91].
Nach [LOHS11] beschreibt das spezifische Verkehrsaufkommen ebenfalls die mittlere Anzahl der Wege pro Person und Zeiteinheit. Statt von Wegen wird jedoch von Ortsveränderungen gesprochen.
Im Unterschied zur Bezugsgröße einer Person beschreibt das Verkehrsaufkommen die insgesamt von allen Personen an einem Tag zurückgelegten Wege [Foll19, S. 26].
Im Unterschied zur Bezugsgröße einer Person beschreibt das Verkehrsaufkommen die insgesamt von allen Personen an einem Tag zurückgelegten Wege [Foll19, S. 26].
2. Mobilitätsquote, Außer-Haus-Anteil, Anteil mobiler Personen bzw. Verkehrsbeteiligung
Die Mobilitätsquote, auch Außer-Haus-Anteil genannt, beschreibt den Anteil der Personen, die an einem bestimmten Stichtag am Verkehrsgeschehen teilnehmen. Der Anteil bezieht sich auf eine Grundgesamtheit, zum Beispiel auf die Gesamteinwohner der Bundesrepublik Deutschland (MOP), Bundesbürger, die älter oder gleich 10 Jahre alt sind (MiD) oder auf die Einwohner einer Stadt (SrV). Oft wird auch vom Anteil mobiler Personen (SrV, MiD) am jeweiligen Stichtag gesprochen. Das MOP verwendet den Begriff Verkehrsbeteiligung. Auch in der Statistik Verkehr in Zahlen [BMVBS09g] wird der Begriff Verkehrsbeteiligung verwendet. Auf einen Stichtag bezogene Erhebungsergebnisse liefern Angaben zu Wegestrukturen, auf einzelne Perioden oder ein gesamtes Jahr hochgerechnet werden können [DIW04, S. 49].
3. Verkehrsleistung, Mobilitätsstreckenbudget, Mobilitätswegelängenbudget
Die zurückgelegten Wege können, zum Beispiel in Abhängigkeit des jeweiligen Zwecks und/oder des Regionstyps, eine unterschiedliche Wegelänge aufweisen. Das Mobilitätsstreckenbudget stellt die Summe aller zurückgelegten Wegelängen einer Person pro Zeiteinheit, vorzugsweise pro Tag, dar. Die in MiD benannte Personenverkehrsleistung wird in der Regel in Personenkilometer pro Tag angegeben. Bei dieser Beschreibungsgröße fließen alle Wege unabhängig vom genutzten Verkehrsmittel ein [Mehl01a, S. 91].
4. Unterwegszeit, Wegedauer, Verkehrsbeteiligungsdauer, Mobilitätszeit, Mobilitätszeitbudget
Neben der Wegelänge ist die investierte Zeit von großer Bedeutung für die Beschreibung von Mobilität. Hierfür dient die Ermittlung des Mobilitätszeitbudgets, wonach die Verkehrsbeteiligungsdauer (Unterwegszeit) beschrieben wird. Diese stellt die Summe der zeitlichen Aufwände pro Person und Zeiteinheit, vorzugsweise pro Tag, dar. Darunter ist diejenige Zeit zu verstehen, die aufgewendet wird, um das entstandene Mobilitätsbedürfnis befriedigen zu können [Mehl01a, S. 91; Nobi18, S. 26].
5. Wegezweck bzw. Wegeziel
Um die Anzahl der unternommen Wege und damit letztlich das dadurch entstehende Verkehrsaufkommen besser einer Ursache zuordnen können, ist die Erhebung der Wegezwecke von Bedeutung. Die Wegezwecke beschreiben den Grund der Ortsveränderung. Unterschieden werden Wege zur Arbeit, zur Ausbildung, zur Kindertagesstätte, zu Dienstzwecken, zu Begleitzwecken, zu Erledigungen, zum Einkaufen sowie zu Freizeitzwecken [Foll19, S. 18].
6. Verkehrsmittelwahl (Modal Split), Hauptverkehrsmittel
Eine der wichtigsten und aussagekräftigsten Mobilitätskenngröße ist die Verkehrsmitelwahl (Modal Split). Der Modal Split beschreibt den Anteil der jeweiligen Verkehrsmittel am Verkehrsaufkommen oder an der Verkehrsleistung. Häufig wird der Modal Split für unterschiedliche Wegezwecke, Regionstypen oder Altersgruppen separat ermittelt [DIW04]. Angaben zum Modal Split beziehungsweise zur Verkehrsmittelwahl basieren bei SrV, MOP und MiD auf der Erhebung des Hauptverkehrsmittels.
Die Festlegung des Hauptverkehrsmittels erfolgt bei MiD und SrV nach dem gleichen Prinzip. Für einen Weg werden zunächst alle benutzen Verkehrsmittel erhoben. Wurde für einen Weg nur ein Verkehrsmittel genutzt, ist dieses das Hauptverkehrsmittel [Foll19, S. 30]. Besteht ein Weg aus mehreren Etappen oder Teilwegen, für die verschiedene Verkehrsmittel genutzt werden, erfolgt die Bestimmung des Hauptverkehrsmittels entsprechend einer festgelegten Hierarchie (ÖV, MIV, Fahrrad, zu Fuß) [Foll19, S. 30]. Das ranghöchste genutzte Verkehrsmittel wird zum Hauptverkehrsmittel des Weges erklärt.
In einem direktem Zusammenhang zur Verkehrsmittelwahl steht die Fahrzeugverfügbarkeit von individuellen Verkehrsmitteln wie Fahrrad, Pkw und Zweirad sowie der Besitz eines Führerscheins bzw. einer Zeitkarte für den Öffentlichen Personennahverkehr.
7. Kombination und Differenzierung von Basiskenngrößen
Die genannten Basiskenngrößen können miteinander kombiniert beziehungsweise weiter differenziert betrachtet werden (beispielsweise nach Wegezweck), woraus sich weitere abgeleitete Kenngrößen ergeben.
Einzelne Mobilitätskenngrößen lassen sich weiter aufschlüsseln nach:
- Personenmerkmalen (Alter, Geschlecht u. a.),
- raum- und siedlungsstrukturellen Gesichtspunkten oder
- Haushaltsmerkmalen.
Im Rahmen dieser Wissenslandkarte wird die Differenzierung der zentralen Mobilitätskenngrößen nach raum- und siedlungsstrukturellen Gegebenheiten thematisiert.