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Zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule - Verbesserung des Mobilitätsverhaltens an Schulen

Erstellt am: 08.10.2004 | Stand des Wissens: 25.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Eines der Hauptanliegen des Mobilitätsmanagements an Schulen ist die Steigerung des Anteils an Schülern, die ihren Schulweg zu Fuß oder mit dem Rad bewältigen.
Zu Fuß zur Schule
Die Füße als natürliches Verkehrsmittel sollten auch bei Schulwegen, sofern es die Entfernung zulässt, hauptsächlich genutzt werden. Das zu-Fuß-Gehen bietet gegenüber dem Bringen mit dem Pkw nicht nur gesundheitliche Vorteile (Bewegung verbessert Gesundheit und Konzentrationsfähigkeit), sondern stärkt auch die Schulung des Orientierungssinns und der Umgebungswahrnehmung.
Mit Hilfe von Schulwegplänen können Eltern dabei vor dem ersten Schultag über sichere Routen informiert werden. Eltern sollten den Schulweg mit ihrem Kind mehrfach üben, wobei die Kinder nach und nach selbstständiger gehen und die Eltern sich stärker in eine Beobachterrolle zurückziehen sollten. Dabei sollten auch unvorhergesehene Störungen wie Ampelausfälle mit den Kindern besprochen werden.
Bei längeren Wegen oder gefährlichen Abschnitten kann die Einrichtung von Gehgemeinschaften, auch z. B. "Walking Bus" oder "Pedibus" genannt, für Schüler der ersten bis fünften Klasse eine Möglichkeit bieten, Begleitwege zu reduzieren ohne die Sicherheit auf dem Schulweg zu verringern und dabei die Selbstständigkeit im Verkehr zu erlernen [CHMÖ20, S. 4; BLFUW09, S. 12 f.]. In der Regel umfasst ein Walking Bus Gruppen von bis zu zwölf Kindern, die in Begleitung von mindestens einem Erwachsenen zur Schule gehen. Hierbei wird eine Route mit festgelegten Haltestellen verwendet und die Kinder an der Haustür oder an einem Treffpunkt abgeholt und wieder abgesetzt. Die vorderen zwei bis vier Kinder sind die Busfahrer, die letzten beiden Kinder übernehmen die Rolle des Schaffners - so soll die begleitete Teilnahme durch Fußgänger und Fußgängerinnen zu einer selbstständigen, aktiven und verantwortlichen Teilnahme am Straßenverkehr fördern ohne dabei die Verantwortung für den Weg abzunehmen. Gleichzeitig kann der Gruppenverband und die Begleitung durch mindestens einen Erwachsenen vor Übergriffen Dritter oder Verkehrsunfällen [CHMÖ20 ; S. 4]. Der "Walking Bus" funktioniert bei jedem Wetter; im Herbst und Winter empfehlen sich Warnwesten, die generell zu einer verbesserten Erkennbarkeit der Schulkinder beitragen [RSU04; Krei02].
zu Fuss oder mit dem Rad.pngAbb. 1: "Walking Bus" [CHMÖ20, S.13]
In Deutschland wurde im Projekt MOBINET die Akzeptanz gezielt untersucht: Demnach ist der "Walking Bus" vor allem für die erste und zweite Jahrgangsstufe einer Grundschule geeignet, von denen rund 10 % der Schulkinder eines Jahrgangs den "Walking Bus" nutzten. In der dritten und vierten Klasse geht das Interesse stark zurück, da hier das Radfahren die interessanteste Fortbewegungsart wird [MOKI03, S. 21].
Mit dem Rad zur Schule
Die Benutzung des Fahrrades stellt eine Fortbewegungsart im Entfernungsbereich bis zu zehn Kilometern dar. Dies ist eine kostengünstige und umweltfreundliche Möglichkeit den Schulweg zurückzulegen, die vor allem hinsichtlich der gesundheitlichen Aspekte der zunehmenden Bewegungsarmut und der daraus folgenden Übergewichtigkeit vorbeugt [FGSV12].
Es können Radfahrgemeinschaften oder Fahrradpools gebildet werden.
Die Sicherheit kann dabei durch:
  • Reflektorwesten,
  • einem ausführlichen Radfahrtraining für die Schüler und
  • ggf. eine ältere Begleitperson erhöht werden.
Die Pools sollten dabei abgestimmte Routen befahren. Bei jüngeren Kindern und kürzeren Wegen (3. und 4. Klasse) sollten maximal sechs Kinder von einem Erwachsenen begleitet werden [Krei02]. An weiterführenden Schulen können Gruppen von zwölf Schulkindern nach anfänglichen Begleitungen auch allein fahren [Dorr01].
In Deutschland wurden Radfahrgemeinschaften im Rahmen des EU-Projektes SUN für 5. Klassen an zwei Schulen in Marl und Herne untersucht. "Fahrradpooling" stellt aufgrund der gemachten Erfahrungen an den beiden Schulen ein adäquates Mittel zur Förderung des Radverkehrs auf dem Schulweg dar [Dorr01].
Die Feinerschließung außerhalb häufig bedienter Hauptachsen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) kann im Rahmen einer differenzierten Liniennetzgestaltung mit dem Fahrrad erfolgen. Dies hat eine höhere Flexibilität der Schüler zum Vorteil. Es können unter anderen zwei Möglichkeiten hinsichtlich der Kombination zwischen Radnutzung und dem ÖPNV erfolgen [FGSV12]:
  • kombinierte Bedienung am Quellort, wobei Fahrradabstellanlagen installiert werden müssen und
  • kombinierte Bedienung an Quell- und Zielort, wobei das Fahrrad im ÖPNV mitgeführt wird und dort entsprechende Kapazitäten vorhanden sein müssen.
Radfahrtraining

Das Thema "Radfahren" bleibt in der Schule häufig auf die von der Polizei abgenommene Radfahrprüfung in der 3. oder 4. Klasse beschränkt.
Zur Erhöhung der Fahrkompetenz von Schulkindern und ggf. auch von Kindergartenkindern können bereits vor der offiziellen Radfahrprüfung Radfahrtrainings in Abstimmung mit den Eltern angeboten werden. Radfahrunterricht könnte bereits im ersten Schuljahr im "Schonraum" (d. h. außerhalb öffentlicher Straßenverkehrsflächen) beginnen und im 2. und 3. Schuljahr im Straßenraum fortgesetzt werden, da für Kinder ab dem 8. Lebensjahr die Pflicht entfällt, den Fußweg zu benutzten [Spit97, S. 83].
Im Projekt "Mobinet" wurde im Teilprojekt "Mobikids" ein "Fahrrad-Geschicklichkeitsparcours" im dritten Schuljahr als Ergänzung zum bereits bestehenden Verkehrsunterricht in der Grundschule durchgeführt. Hierfür konnte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) gewonnen werden. Neben einer besseren Beherrschung des eigenen Fahrrades soll v. a. die Reaktionsvermögen bei unvorhergesehenen Situationen verbessert werden. Von den durchgeführten Maßnahmen in "Mobikids" erhielt der Fahrradparcours von den beteiligten Schülern zudem die besten Noten [Krei02].
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Mobilitätsmanagement an Schulen (Stand des Wissens: 25.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?112731
Literatur
[BLFUW09] Hawle, M., Völkl, P. Mobilitätsmanagement für Kinder, Eltern und Schulen, 2009/11
[CHMÖ20] Christina Möhring Walking Bus - Eine Empfehlung für die Organisation von Gehgemeinschaften auf dem Schulweg, 2020
[Dorr01] Dorra, Meike Mobilitätskonzepte für Schulen, veröffentlicht in Sichere Schule, Ausgabe/Auflage 1/2001, 2001
[FGSV12] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) (Hrsg.) Leitfaden für den Schülerverkehr, Köln, 2012
[Krei02] Kreipl, Alexander Mobikids - Endbericht, München, 2002
[MOKI03] Kohler, Sandra , Zängler, Thomas W. , Glogger, Andrea , Römmelt, Sybille , Karg, Georg , Patz, Verena MOBIKIDS - Wirkungsanalyse und Potenzialabschätzung, 2003/12
[RSU04] Hertfordshire County Council Environment, Road Safety Unit The Walking Bus - A step by step guide, 2004
[Spit97] Philipp Spitta Kinder im Verkehr - Neue Konzepte der Verkehrserziehung in der Primarstufe, Ausgabe/Auflage 2, VCD / Bonn, 1997
Weiterführende Literatur
[VCD03c] Verkehrsclub Deutschland (VCD) e. V. Die Mobilitätsfibel, Ausgabe/Auflage 1, Hannover, 2003/08
Glossar
ADFC Der ADFC ist ein bundesweiter, gemeinnütziger Verein, der die Interessen von Alltags- und Freizeitfahrern vertritt. Arbeitsschwerpunkte liegen unter anderem in der Verkehrsplanung, der Verkehrspolitik, dem Tourismus, dem Umweltschutz, der Technik/Sicherheit, dem Fahrraddiebstahlschutz sowie der Fahrradmitnahme in Öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei überprüft der ADFC beispielsweise auch die Qualität von Produkten der Fahrradindustrie und fördert den Radverkehr durch Zusammenarbeit mit Institutionen, Vereinen sowie Organisationen, die sich für mehr Sicherheit und Umweltschutz im Straßenverkehr einsetzen. Des Weiteren bietet der ADFC vor Ort Dienstleistungen wie Radtouren, Technikkurse, Kaufberatung als auch Verkehrsaktionen an.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?112886

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 12:13:42