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Abweichungen vom Idealmodell eines integralen Taktfahrplans

Erstellt am: 29.07.2021 | Stand des Wissens: 29.07.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

In einem idealen integralen Taktfahrplan (ITF)
  • werden alle Linien des öffentlichen Personenverkehrs mit- und untereinander verknüpft,
  • besteht ein einheitlicher Takt über sämtliche Linien,
  • bestehen einheitliche Symmetriezeiten für das gesamte System,
  • ist die Angebotsfrequenz konstant über die gesamte Betriebszeit. [Stot01, S.6]
In der Realität ist ein solcher Taktfahrplan ohne Einschränkungen nicht umzusetzen. Vielmehr werden durch die geographischen, topographischen und infrastrukturellen Gegebenheiten einer Region Restriktionen für die Umsetzung des ITF definiert, die Abweichungen vom strikten Konzept notwendig machen. So bestehen in der Realität häufig Kapazitätsengpässe in Knoten oder auf Kanten, die nicht leicht zu beseitigen sind, wodurch eine Verknüpfung sämtlicher in einem Knoten haltenden Linien zur selben Symmetriezeit unmöglich wird.
Auch Gegebenheiten der Verkehrsnachfrage sprechen für Abweichungen vom Konzept eines idealen ITF. So ist ein konstantes Angebot über die gesamte Betriebszeit und über sämtliche Linien nur selten sinnvoll und häufig nicht realisierbar. Es kommt daher in der Realität zu Modifikationen (Ausdünnungen oder Verdichtungen) des Takts auf einzelnen Linien oder zu bestimmten Zeiten. [Stot01, S.7] Darüber hinaus muss bei der Konstruktion eines ITF ein Kompromiss zwischen der Schaffung attraktiver, wartezeitloser Umsteigemöglichkeiten und der durch höhere Standzeiten in Bahnhöfen resultierenden Fahrzeitverlängerung für durchfahrende Fahrgäste gefunden werden.
Bei der Realisierung eines Deutschland-Takts geht es daher darum, Elemente oder Aspekte eines ITF so auszuwählen, dass ein optimales Gesamtsystem entsteht. Durch verschiedene Maßnahmen ist es möglich, sich einem ITF so anzunähern beziehungsweise ihn abzuschwächen, dass bei gegebener Situation insbesondere die Vorteile dieses Systems erzielt werden können.
Hierzu gehört zum Beispiel die Überlagerung verschiedener Linien. Dabei wird der Fahrplan für Linien mit abschnittsweise identischen Laufwegen so gestaltet, dass sich auf diesem Abschnitt etwa zwei Zweistundentakte zu einem Stundentakt oder zwei Stundentakte zu einem Halbstundentakt verdichten. So können innerhalb der deckungsgleichen Laufwege auch bei Restriktionen im Streckennetz attraktive Umsteigemöglichkeiten realisiert werden. Diese Technik findet auch in der Machbarkeitsstudie für die Realisierung eines Deutschland-Takts Anwendung. [BMVI15x, S.21]
Bei überlasteten Knoten ist die Konstruktion mehrerer unabhängiger Taktzeiten möglich. Entsprechende Vorschläge gibt es etwa für den Knoten Hannover. Hier wird vorgeschlagen, den Nord-Süd-Verkehr zur Minute 0/30 und den Ost-West-Verkehr zur Minute 15/45 zusammenzufassen. [Hess19, S.388]
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Potenziale und Herausforderungen des Deutschland-Takts im Schienenpersonenfernverkehr (Stand des Wissens: 29.07.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?538968
Literatur
[BMVI15x] IGES Institut GmbH Machbarkeitsstudie zur Prüfung eines Deutschland-Takts im Schienenverkehr, 2015
[Hess19] Hesse, Wolfgang Deutschland-Takt und BMVI-Zielfahrpläne: Chancen, Defizite und Lösungsvorschläge, veröffentlicht in Eisenbahn-Revue International, Ausgabe/Auflage 2019/7, 2019
[Stot01] Viktor, Stottmeister (Hrsg.) Merkblatt zum integralen Taktfahrplan - Definitionen, Randbedingungen, Einsatzmöglichkeiten und Einsatzgrenzen im Fern-, Regional- und Nahverkehr, 2001
Glossar
ITF Integraler Taktfahrplan Nach dem Merkblatt zum Integralen Taktfahrplan lassen sich drei verschiedene Formen des ITF unterscheiden: Der Begriff des idealen ITF umfasst die Koordination der Taktfahrpläne von Linien zu einem abgestimmten, vertakteten Gesamtfahrplan, wobei eine Verknüpfung in Richtung und Gegenrichtung in ausgewählten Taktknoten mit dem Ziel erfolgt, die Anzahl optimaler Anschlüsse zu maximieren. Der modifizierte ITF schränkt die vollständige Verknüpfung entsprechend des idealen ITF ein und berücksichtigt dabei die verkehrlichen, geographischen und wirtschaftlichen Randbedingungen. Der ITF im erweiterten Sinne umfasst Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität im (Schienen-)Personennahverkehr, die nicht zwangsläufig mit der eigentlichen Definition des ITF abgedeckt sind.
Deutschland-Takt Der Deutschland-Takt ist ein Ansatz zur netzweiten Optimierung des Schienenpersonenverkehrs in Deutschland. Den Kernpunkt bildet hierbei die Einführung eines Integralen Taktfahrplans (ITF), die notwendigerweise mit koordinierten Infrastrukturverbesserungen verbunden ist. Das Ziel soll eine Steigerung der Fahrgastzahlen durch ein attraktiveres, vertaktetes und gut verknüpftes Verkehrsangebot sowohl im Schienenpersonenfernverkehr als auch Schienenpersonennahverkehr sein.
Laufweg Der Laufweg eines Zuges stellt den geografischen Fahrtverlauf auf einer konkreten Strecke bzw. Infrastruktur während einer Zugfahrt dar.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?538752

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 00:26:38