Forschungsinformationssystem des BMVI

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Erscheinungsformen von Soft Policies

Erstellt am: 16.01.2019 | Stand des Wissens: 10.08.2023
Synthesebericht gehört zu:

Maßnahmen zur freiwilligen Änderung der Verkehrsmittelwahl sind von der jeweils gewählten Marketingstrategie abhängig und daher äußerst vielseitig. Im Folgenden soll ein Überblick über aktuelle kommunikative Ansätze gegeben werden.

In der heutigen, komplexen Kommunikationswelt sind vor allem drei Werkzeuge vermehrt in Diskussion, wenn es um eine Verhaltensänderung hin zu umweltfreundlichen Verkehrsmitteln in Städten geht [Böll18, S. 16f.]:
  • Beim "Nudging" (aus dem Englischen: "nudges" = kleine Stupser) werden durch kleine praktische Anreize Verhaltensänderungen angeregt, ohne jedoch dazu genötigt zu werden. Diese Anreize bieten durch positive und unbewusste Steuerung die Motivation für ein nachhaltigeres Mobilitätsverhalten.
    Beispielweise kann der Zugang zum ÖPNV für Neubürger*innen durch Probekarten vereinfacht werden. Damit wird das Ziel verfolgt, die private PKW-Nutzung zu reduzieren und zur vermehrten Nutzung des ÖV anzuregen [UBA17e, S. 108].
  • "Storytelling" stellt die Geschichte als Werkzeug in den Vordergrund. Durch Geschichten können Lernprozesse vereinfacht, beschleunigt und gefestigt werden. So wird der Zugang zu abstrakten Informationen nachvollziehbarer und menschlicher, man kann sich besser mit ihnen identifizieren.
  • Das "Framing" setzt auf das generelle Bedürfnis von Menschen, Informationen in einen größeren Zusammenhang, in einen Rahmen ("frame"), einzuordnen. Diese Rahmen führen jedoch dazu, dass einzelne Wörter und Begriffe über ihre Bedeutung hinaus sich auf unsere Wahrnehmung auswirken und diese sogar mitprägen.
    So ist der Begriff "nicht-motorisierter Individualverkehr" (NMIV) im Allgemeinen negativ formuliert. Durch die Verwendung des Begriffes "aktiver Mobilität" wird der zugehörige Rahmen neu gesetzt und der Fokus somit auf die positiv empfundenen Aspekte körperlicher Aktivität beim Zufußgehen und Radfahren gelenkt [UBA18j, S. 19].
Kommunikative Maßnahmen sollten dabei weniger auf einzelne, voneinander getrennt betrachtete Verkehrsträger ausgerichtet sein. Stattdessen ist es wichtig, einen Gesamtrahmen für nachhaltige Mobilität zu schaffen, welcher zu einem neuen Verständnis in Bezug auf Sprache und Gesellschaft führt [Böll18, S. 16f.].

Gerade mit Blick auf die zunehmende Digitalisierung eröffnen sich für die Information und Kommunikation von nachhaltiger Mobilität viele neue Möglichkeiten:

Zunehmend wird von "Mobility as a Service" (MaaS), also der Mobilität als Dienstleistung, gesprochen. Damit ist die Integration von verschiedenen Verkehrsangeboten, wie ÖPNV, Car- & Bikesharing oder Mitfahrgelegenheiten, in eine einzige Mobilitätsanwendung (als App auf dem Smartphone) gemeint [MaAl18].

Ebenfalls untersucht werden nutzbare Beiträge aus der digitalen Spielebranche und ihre Vorteile hinsichtlich verschiedener Verkehrsthemen. Gamification bezeichnet dabei eine Methode, bei der Spiel- oder spielnahe Elemente für Inhalte außerhalb von spieltypischen Umgebungen genutzt werden mit dem Ziel, bei Nutzer*innen ein hohes Maß an Motivation und Engagement (beispielsweise für ein bestimmtes Verhalten) zu wecken [Boeh17, S. 9, 18, 42f.].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Soft Policies - Veränderung der Verkehrsmittelwahl zugunsten umweltfreundlicher Verkehrsmittel (Stand des Wissens: 20.01.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?192469
Literatur
[Boeh17] Boehnke, Niels Verkehr und Applied Interactive Technologies - Bedarfs- und Durchführbarkeitsanalyse, Stiftung Digitale Spielekultur / Berlin, 2017
[Böll18] Adler, Michael, Sedlak, Robert Bitte wenden! Mit Kommunikation zu einer Verkehrswendekultur in unseren Städten - eine Anleitung in neun Schritten, veröffentlicht in böll.brief, Ausgabe/Auflage Grüne Ordnungspolitik #7, Heinrich-Böll-Stiftung e.V. / Berlin, 2018/10
[MaAl18] MaaS Alliance, ERTICO - ITS Europe (Hrsg.) MaaS - What is MaaS?, ERTICO - ITS Europe / Brüssel, 2018
[UBA17e] Thorun, Christian, Diels, Jana, Vetter, Max, Reisch, Lucia, Bernauer, Manuela, Micklitz, Hans-W., Rosenow, Jan, Forster, Daniel, Sunstein, Cass Nudge-Ansätze beim nachhaltigen Konsum - Ermittlung und Entwicklung von Maßnahmen zum "Anstoßen" nachhaltiger Konsummuster, veröffentlicht in UBA-TEXTE, Ausgabe/Auflage 69/2017, Umweltbundesamt / Dessau-Roßlau, 2017/08, ISBN/ISSN 1862-4359
[UBA18j] Grafl, Katherina, Bunte, Heike, Dziekan, Katrin, Haubold, Holger, Neun, Manfred Framing the Third Cycling Century - Bridging the Gap between Research and Practice, Umweltbundesamt & European Cyclists' Federation / Dessau-Roßlau & Brüssel, 2018/12, ISBN/ISSN 2363-8311
Weiterführende Literatur
[UBA23j] Bürgerbotschaften aus dem Mobilitätslabor 2020 , 2023/06
[Agor19] Agora Verkehrswende, Institut für sozial-ökologische Forschung (Hrsg.) Neue Wege in die Verkehrswende - Impulse für Kommunikationskampagnen zum Behaviour Change, 2019/04
Glossar
Bike Sharing Der Begriff Bike Sharing stammt aus dem Englischen und kann in etwa mit der Bedeutung „Fahrradverleih“ übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Fahrrädern, die in der Regel von Unternehmen, Kommunen oder Kommunalverbänden bereitgestellt werden. Die Fahrräder stehen an öffentlich zugänglichen Stellplätzen zur Verfügung. Die Fahrräder können dabei an einer Station ausgeliehen und an einer anderen zurückgegeben werden. Dieses System ist besonders für die kurzfristige Nutzung der gegen ein Entgelt zur Verfügung gestellten Räder im urbanen Raum ausgelegt. Das Ziel ist, dass die Fahrräder möglichst vielen Nutzern pro Tag zur Verfügung stehen. Daher ist meist die erste halbe Stunde des Verleihs besonders günstig. Für eine längere Leihperiode bieten reguläre Fahrradvermieter jedoch meist die besseren Angebote.
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
App
Ist eine Abkürzung für den Fachbegriff Applikation (App) und bezeichnet eine Anwendungssoftware, die für mobile Endgeräte, wie Smartphone oder Tablet-PC entwickelt wurde. Apps können als Zusatzsoftware auf mobilen Endgeräten installiert werden und erweitern dadurch deren Funktionsumfang. Je nach Betriebssystem kann der Nutzer auf eine Vielzahl von mobilen Applikationen auf dem vom Betriebssystem bereitgestellten Marktplatz kostenpflichtig oder kostenlos zugreifen.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Mobility-as-a-service
Unter dem Begriff Mobility-as-a-service werden Mobilitätskonzepte verstanden, die öffentliche und private Verkehrsangebote über eine einheitliche elektronische Plattform kombinieren. Über diese Plattform werden Verkehrsdienstleistungen unterschiedlicher Anbieter und bei Nutzung unterschiedlicher Verkehrsmittel gebucht, vermittelt und abgerechnet. Ziel ist es individuelle maßgeschneiderte Mobilitätslösungen anzubieten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?494443

Gedruckt am Donnerstag, 25. April 2024 08:09:52