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Einsatzbereiche des autonomen Fahrens

Erstellt am: 31.05.2017 | Stand des Wissens: 28.12.2023
Synthesebericht gehört zu:

Im Zusammenhang mit automatisiertem Fahren liegt der Fokus der Diskussionen derzeitig vor allem beim individuellen Straßenverkehr. Im öffentlichen Straßenverkehr ist in Deutschland seit 2017 der Einsatz von Fahrzeugen mit Automatisierungsstufe 3 erlaubt, Solange die Funktion bestimmungsgemäß verwendet wird [Fehler in 'zlise'-Referenz: falsche Kategorie des Zieleintrags [legislation]]. Die Übernahme von Fahraufgaben darf rechtlich seit Januar 2023 auch bei Geschwindigkeiten von bis zu 130 km/h stattfinden [Fehler in 'zlise'-Referenz: falsche Kategorie des Zieleintrags [legislation]]. Da bei Übernahme der Fahraufgaben jedoch ein Teil der Haftung bei einem Unfall an den Hersteller übergeht, sind die einzigen Systeme mit Level-3 Automatisierung hochklassige Mercedes-Benz Fahrzeuge [ATCR23]. Auch international sind dies bisher die einzigen zugelassenen privat erwerblichen Fahrzeuge mit Automatisierungsstufe 3. Diese übernehmen alle dynamischen Fahraufgaben, aber auch nur bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h und nicht bis zur theoretischen rechtlichen Grenze von 130 km/h. Zwar sind Produkte niedrigerer Klasse von Mercedes mit sehr ähnlichen Assistenten ausgestattet, jedoch werden diese aufgrund der Haftungsübernahme nicht als solche angeboten. Fahrzeuge mit Automatisierungsstufe 4 sind in Deutschland in festgelegten Betriebsbereichen auch für den öffentlichen Verkehr zugelassen [Fehler in 'zlise'-Referenz: falsche Kategorie des Zieleintrags [legislation]]. Die Verfügbarkeit von Fahrzeugen mit entsprechenden Automatisierungsstufen scheitert an der Haftungsübernahme.
Auf privaten Arealen (zum Beispiel auf Firmengeländen) oder in Bereichen mit niedrigen Geschwindigkeitsniveaus (zum Beispiel in Fabrikhallen), existieren bereits Systeme, welche die Bedingungen für eine Vollautomatisierung Stufe 4/5 - erfüllen [Mue11, Way16].

In Kalifornien, USA haben sich in den letzten Jahren zwei Unternehmen etabliert, die autonom fahrende Taxis anbieten. Bei diesen Taxis handelt es sich um Fahrzeuge der Automatisierungsstufe 4, welche aber nicht privat erhältlich sind, sondern Sonderproduktionen aus Kooperationen von Autoherstellern und Softwareentwicklern sind. Dabei handelt es sich um Waymo LLC, eine Tochtergesellschaft von Alphabet Google - und Cruise LLC eine Tochtergesellschaft von General Motors. Die Unternehmen haben beide Anfang 2022 in Kalifornien eine Lizenz zum Einsatz von fahrerlosen Taxis erhalten [DMV23]. Waymo hatte zuvor bereits fahrerlose Taxis in Phoenix, Arizona getestet, wo man schon länger dazu lizensiert war [Way16]. Die Zulassung in Kalifornien nutzten beide Unternehmen, um ein Angebot in San Francisco aufzubauen. Zwar ereigneten sich bei beiden Unternehmen immer wieder Zwischenfälle verschiedenen Ausmaßes, jedoch führten diese lange zu keinen rechtlichen Konsequenzen. Durch einen ausführlichen Austausch mit dem für die Zulassung zuständigen Amt Kaliforniens (California Department of Motor Vehicles - DMV) über die Zwischenfälle und andere Sicherheitsbelange sah man dort keinen Grund die Lizenzen zu entziehen. Dies änderte sich für Cruise im Oktober 2023. Aufgrund von Investigationen des DMVs zu einer Fußgängerkollision wurde Cruise in Kalifornien die Lizenz zum Einsatz fahrerloser Taxis mit sofortiger Wirkung entzogen [DMV23a].

Neben der Automatisierung des Individualverkehrs wird der Einsatz automatisierter/autonomer Fahrzeuge im Zusammenhang mit neuen Mobilitätskonzepten, zum Beispiel im Bereich der Flexibilisierung und Individualisierung des öffentlichen Verkehrs (zum Beispiel autonomer Busverkehr der DB [Neu17]), oder des Carsharings [LeFra15] diskutiert.
Da sich Deutschland, laut Bundesministerium für Digitales und Verkehr [BMDV21m], international weiterhin in einer Führungsrolle zum automatisierten Fahren sieht, investieren das BMDV, das BMBF und das BMWI zusammen in verschiedenste Forschungsprojekte zu Themen des automatisierten Fahrens. Die Zielsetzungen der Forschungsprojekte variieren untereinander, insgesamt soll jedoch die Sicherheit, Effizienz, Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit des autonomen Fahrens sichergestellt werden. Die drei kooperierenden Ministerien veröffentlichten 2019 einen Aktionsplan Forschung für autonomes Fahren in dem sie die Zielsetzung und Verknüpfung verschiedener Förderprogramme genauer erläutern [Bund19a].
Auch bei anderen Verkehrsträgern, wie dem Luft-, Schienen- und Schiffsverkehr, wurde oder wird die Fahraufgabe immer weiter auf technische Systeme übertragen. Allerdings unterscheiden sich diese Bereiche sowohl in den Anforderungen an die Komplexität in Bezug auf die Vielzahl der Interaktion mit anderen Nutzenden als auch den möglichen Freiheitsgraden der Bewegung [Ifmo16, Flä15].
Im Gegensatz zum öffentlichen Straßenverkehr existieren insbesondere in abgeschlossenen Bereichen bereits fahrerlose und autonome Transportsysteme. Beispielsweise kommen fahrerlose Transportsysteme in geschlossenen Gebäuden zum Einsatz:
in Produktions- und Montagestufen,
im Wareneingang/-ausgang,
in der Kommissionierzone und
im Lagerbereich [Flä15].
Die Führung dieser Systeme erfolgt konventionell über stromführende Leiter, welche im Boden eingelassen sind. Als Weiterführung werden heute auch Magnetbänder oder optische Leitspuren verwendet. Weitere Systeme funktionieren mittels Bodenmarkierungen oder Lasertechnologien. Neuere Technologien kombinieren diese Laser- beziehungsweise Kamerasysteme mit Umgebungskarten.
Ebenso kommen im Außenbereich abgeschlossener Privat- beziehungsweise Firmengelände autonome Fahrzeuge für den Personen- und Güterverkehr zum Einsatz. Typische Einsatzbereiche sind hier Schwertransporte oder werksinterne Shuttle-Verkehre. Außerhalb von Werksbereichen verkehren autonom fahrende Fahrzeuge insbesondere in gefährlichen Umgebungen (Munitionsbereich, Tiefsee, dichtbewachsene Wälder, Hänge, Minen), welche aber auch wenig von Interaktion mit anderen Nutzenden geprägt sind [Flä15].
Im Luftverkehr haben Autopiloten schrittweise die Regelungsaufgaben der Piloten übernommen. Heutzutage können mittels eines Autopiloten folgende Aufgaben bereits übernommen werden:
  • Stabilisierung der Flugzeuglage (rollen, nicken, gieren)
  • Stabilisierung eines Flugzeugzustands (Geschwindigkeit, Höhe, Winkel)
  • Einhalten eines vorgegebenen Kartenkurses
  • Erfliegen neuer Flugzustände und Flugbahnen
Trotz zahlreicher Übernahme von Fahraufgaben durch den Autopiloten, ist ein vollautomatisiertes Fliegen bisher während des Starts, während der Landung und der Rollfeldführung eingeschränkt [BAL11].
Auch existieren bereits erste Prototypen autonom fahrender Schiffe, welche in eigens ausgewiesenen Testgebieten, wie dem Trondheimfjord, verkehren. Jedoch werden weiterhin auch hier in komplexeren Situationen oder bei möglichem Wartungsbedarfs sogenannte virtual captains von Land aus die Situationen bewerten [RoRo16, Roß17].
Fahrerloser Schienenverkehr wird bereits heute realisiert. Vor mehr als 30 Jahren wurde in Lille weltweit die erste selbstfahrende Untergrundbahn der Welt in Betrieb genommen. Heute ist die Technologie deutlich verbreiteter und wird von vielen Metro/U-Bahn-Systemen in der Welt genutzt. Gerade in China, welches in den letzten 10 Jahren einen massiven Ausbau von ÖPNV-Infrastruktur in seinen Großstädten/Metropolregionen vorgenommen hat, ist der fahrerlose Schienenverkehr für Metrosysteme mittlerweile ein Standard.
Bei Interaktion mit langsameren und schnelleren Bahnen, werden aber auch in Zukunft Lokführer gebraucht, sodass eine Übertragung des Systems auf das reguläre Eisenbahnnetz schwierig ist [ApS16a]. Für selbstfahrende Untergrundbahnen müssen zudem neben der speziellen Ausstattung des Zuges besondere Einrichtungen entlang der Strecke und an Bahnsteigen errichtet werden. Diese dienen dazu das System nach außen abzugrenzen, zum Beispiel mittels Bahnsteiggleis-Überwachungssystemen, Bahngleisabschlusstüren, Eindringüberwachung und Fernbeobachtung (Videobilder) der Bahnsteige und Bahnsteiggleise [Sie12].
Ansprechpartner
Institut für Mobilitäts- und Stadtplanung, Universität Duisburg-Essen, Prof. Dr.-Ing. Dirk Wittowsky
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Zuverlässigkeit und Sicherheit des automatisierten Straßenverkehrs (Stand des Wissens: 06.10.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?471810
Literatur
[ApS16a] Allianz pro Schiene e.V. Selbstfahrende Metros in Europa: Eine Milliarde Fahrgäste jedes Jahr, 2016
[ATCR23] The State of Level 3 Autonomous Driving in 2023, 2023/01/23
[BAL11] Rudolf Brockhaus, Wolfgang Alles, Robert Luckner Flugregelung, 2011, ISBN/ISSN 978-3-642-01442-0
[BMDV21m] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Automatisiertes und vernetztes Fahren, 2021/07/27
[Bund19a] Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), , Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), , Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) (Hrsg.) Aktionsplan Forschung für autonomes Fahren, 2019/07
[DMV23] Autonomous Vehicle Testing Permit Holders, 2023
[DMV23a] DMV Statement on Cruise LLC Suspension, 2023
[Flä15] Heike Flämig Autonome Fahrzeuge und autonomes Fahren im Bereich des Gütertransportes, veröffentlicht in Autonomes Fahren - Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte, 2015, ISBN/ISSN 978-3-662-45853-2
[Ifmo16] Institut für Mobilitätsforschung, Stefan Trommer, Viktoriya Kolarova, Eva Fraedrich, Lars Kröger, Benjamin Kickhöfer, Tobias Kuhnimhof, Barbara Lenz, Peter Phleps Autonomous driving - The impact of vehicle automation on mobility behaviour, 2016
[LeFra15] Barbara Lenz, Eva Fraedrich Neue Mobilitätskonzepte und autonomes Fahren: Potenziale der Veränderung, veröffentlicht in Autonomes Fahren - Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte, 2015
[Mue11] Katharina Mueller, Sgouris P. Sgouridis Simulation-based analysis of personal rapid transit systems: service and energy performance assessement of the Masdar City PRT case, veröffentlicht in Journal of Advanced Transportation, Ausgabe/Auflage 45 Issue 4, 2011/01/14
[Neu17] Peter Neumann Autonomer Bus Olli - Eine "Frischhaltebox auf vier Rädern" schreibt Verkehrsgeschichte, veröffentlicht in Berliner Zeitung, 2017/03/28
[RoRo16] Rolls-Royce Deutschland Ltd & CO KG Rolls-Royce unveils a vision of the future of remote and autonomous shipping, 2016/04/12
[Roß17] Hendrik Roß Geht der Kapitän von Bord?, veröffentlicht in Deutsche Verkehrs Zeitung, Ausgabe/Auflage 9/2017, 2017
[Sie12] Siemens - Intelligent Traffic Systems (ITS) Fact Sheet: Wie funktioniert eine fahrerlose U-Bahn, 2012
[Way16] Waymo (Hrsg.) Say Hello to Waymo - Fast facts about our new company, 2016
Rechtsvorschriften
[StVGa] Straßenverkehrsgesetz (StVG)
Glossar
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit bedeutet, dass bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung
BMWK
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz erarbeitet Rahmenbedingungen zur Stärkung der Robustheit und Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland (bis 12/2013 BMWI, bis 12/2021 BMWi).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?471087

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 02:51:55