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Die Störzellenproblematik

Erstellt am: 04.03.2013 | Stand des Wissens: 30.06.2023
Synthesebericht gehört zu:

Durch die steigende Nachfrage an Freiflächen zum uneingeschränkten Betrieb von Windenergieanlagen werden immer häufiger Gebiete für Windenergieanlagen ausgewiesen, welche gleichzeitig einem Flughafennahbereich zuzuordnen sind. Die relativ dichte Lage der Windparks zu dem am Flugplatz befindlichen Flughafenrundsichtradar (Airport Surveillance Radar oder auch Primärradar), bedingt eine Prüfung der Radarverträglichkeit bei der Realisierung des Bauvorhabens einer Windenergieanlage. Bei dieser Prüfung ist vor allem die Gefahr der Fehlinterpretationen der Windenergieanlage durch das Radar als bewegtes Objekt (permanente Drehbewegung der Rotorblätter) zu analysieren. Diese Fehleinschätzung kann letztendlich zu temporären Verlusten der Zieldarstellung (Luftfahrzeug) führen, da sich das Luftfahrzeug beim Überflug eines Windparks im sogenannten Radarschatten der fehlinterpretierten Windenergieanlagen befindet. Das gesamte "Schattengebiet" eines Primärradars wird als Störzelle bezeichnet. Die Größe der Störzelle ist dabei abhängig von dem Auflösungsvermögen der Radaranlage, der Entfernung zwischen Windenergieanlagen und Radar und der Wellenlänge des Radars (siehe Abbildung 1) [Fric12].

Schemadarstellung.jpg

Abbildung 1: Schematische Darstellung der Störzelle (Schnittfläche) der Windenergieanlage (Rot) und des Erfassungsbereiches des Radars (Grau) (Eigene Darstellung nach [Rau12])

Draufsicht_Stoerzelle.JPG

Abbildung 2: Draufsicht einer Störzelle (Eigene Darstellung nach [Rau12])
Eine Störzelle wird als unkritisch eingestuft, solange kein Verlust des Primärradarziels von mehr als 10 Sekunden entsteht, was wiederum etwa zwei Umdrehungen der Radarantenne entspricht. Mit zunehmender Größe der Windenergieanlagen und abnehmenden Abständen dieser zu Radaranlagen, nimmt jedoch die Wahrscheinlichkeit einer Störzellenbildung zu. Die Intensität und die Ausmaße der Störzellen werden durch sehr dicht beieinanderliegende Windenergieanlagen verstärkt und können so bedenkliche Flugzielverluste für Zeiträume von mehr als zwei Radarantennenumdrehungen verursachen [Fric12].

Besonders kritisch ist der Flugzielverlust durch eine Störzelle im Bereich eines Radars für Luftfahrzeuge zu bewerten, die nach Sichtflugbedingungen und ohne zusätzlichen Transponder operieren. Kritisch sind Störzellen auch an hochfrequentierten Flugplätzen, welche eine permanente Überwachung aller im Luftraum befindlichen Luftahrzeuge, für die Gewährleistung des sicheren Flugbetriebes voraussetzen [Fric12].

Einzelne Windenergieanlagen beziehungsweise eine Windenergieanlagengruppierung von zwei bis drei direkt nebeneinander stehender Anlagen stören in der Regel den Flugbetrieb nicht. Für größere Windparks wird empfohlen, bei der Anordnung der Windenergieanlagen bewusst räumliche Lücken zu schaffen. Damit wird die Erfassung der Luftfahrzeuge durch das Radar unterstützt und eine Überblendung des Luftfahrzeuges durch die Windenergieanlage über längere Zeiträume und Flugstrecken vermieden.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Radarverträglichkeit von Windenergieanlagen (Stand des Wissens: 30.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?475767
Literatur
[Fric12] Prof. Dr.-Ing. Hartmut Fricke Windkraft und Luftverkehr im Spannungsfeld der Flugsicherheitsagentur EASA und der Energiewende, Gesellschaft für Luftverkehrsforschung (GfL) mbH Hermann-Prell-Straße 8 01324 Dresden, 2012/08/10
[Rau12] Hans - L. Rau, Oberst a.D. Windenergie und Flugbetrieb, 2012/11/06
Glossar
Radar Radio Detecting and Ranging Dieses elektromagnetische Ortungsverfahren beruht auf dem Prinzip des Echos. Man unterscheidet zwischen Primär- und Sekundärradar.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?406529

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 22:13:49