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Beeinträchtigung des Verkehrsablaufs durch den Straßengüterverkehr in Ballungsräumen

Erstellt am: 08.04.2003 | Stand des Wissens: 27.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig

Die Fahrzeuge des städtischen Güter- und Personenwirtschaftsverkehrs müssen sich die Straßen mit dem privaten Personenverkehr teilen. Engpässe im Straßennetz sind dabei gerade in Ballungsräumen kaum noch durch Infrastrukturerweiterungen zu beseitigen. Dies hat negative Auswirkungen auf den Verkehrsablauf in Städten. Gleichzeitig wird die Effizienz des Güterverkehrs durch die Konkurrenz um Straßenraum und Stellflächen stark herabgesetzt. Probleme treten insbesondere bei der Belieferung von Kunden auf. Fehlende oder zugeparkte Ladezonen machen das Halten in der zweiten Reihe eher zur Regel als zur Ausnahme. Findet der Liefervorgang im öffentlichen Straßenraum statt, ist also eine eigene Ladezone nicht vorhanden oder zugeparkt, bedeuten Standzeiten der Lkw gleichzeitig Leistungseinbußen durch Staus und Behinderungen [VCD06a]. Grundsätzlich lassen sich für dieses Problem folgende Lösungsansätze unterscheiden:
  •  Einrichtung von Ladezonen und konsequente Überwachung von Falschparkern,
  • Mitberücksichtigung des Wirtschaftsverkehrs bei großflächigen Neubauvorhaben,
  • Berücksichtigung der Belange des Lieferverkehrs bei der Einrichtung von Baustellen und gegebenenfalls Anpassung von Ladezonen [VCD06a].

Engpässe bestehen darüber hinaus auch beim Handel. Bei vielen Auslieferungslagern sowie bei größeren Handelsunternehmen wie Supermärkten und Kaufhäusern sind erhebliche Kapazitätsengpässe bei der Abfertigung der Lieferfahrzeuge existent [Witt95]. In der Literatur wird das Problem der Koordination der Warenanlieferung unter dem Schlagwort "Engpass Rampe" diskutiert [BeSc04]. Der Engpass an der Rampe wird durch zunehmend enger werdende Lieferzeitfenster und unzureichende Abfertigungskapazitäten ausgelöst. Fahrzeuge von Lieferanten stauen sich an der Rampe und kostenintensive Fahrzeugkapazitäten und Personal können nicht adäquat genutzt werden [Witt93]. Verschärft werden kann dieses Problem durch unzureichende Entladegeräte, fehlendes Personal für die Entladung, unregelmäßige Bestellmengen im Wochenverlauf sowie notwendiges Umpacken der angelieferten Güter auf firmeneigene Paletten beziehungsweise defekte oder fehlende Tauschpaletten [Witt95]. Problematisch ist auch, dass bei der Warenannahme häufig nicht zwischen kompletten Ladungen und Stückgut unterschieden wird, so dass Verteilerfahrzeuge auch für die Auslieferung kleinster Mengen lange Wartezeiten in Kauf nehmen müssen [Witt95]. Lieferzeitbeschränkungen können nicht nur zu Engpässen an Laderampen führen, sondern den städtischen Verkehrsablauf insgesamt stören. Enge Warenannahmefenster des Einzelhandels in Innenstadtbereichen können zu einem erhöhten Güterverkehrsaufkommen während dieser Zeiten führen. Gerade von kleineren Geschäften wird die Warenannahme durch das Verkaufspersonal organisiert und ist deshalb nicht in den frühen Morgenstunden, sondern erst kurz vor Ladenöffnung möglich. Viele Geschäfte verlangen zudem einen Warenerhalt bis spätestens 12 Uhr, so dass auch Auslieferungen an Nachmittagen oder Nachtauslieferungen selten sind [Witt95].

Des Weiteren nimmt der Aufschwung des Online-Handels Einfluss auf den Verkehrsablauf. Im Online-Handel ist die Angabe der Lieferzeit eine gesetzliche Pflicht. Der Kunde muss also informiert werden, wann er mit dem Eintreffen der Ware rechnen kann. Diese Pflicht ergibt sich aus Artikel 246 a § 1 Absatz 1 Nr. 7 des [BGBEG]. In der praktischen Umsetzung übt die Lieferung in einem konkreten Zeitfenster zusätzlichen Druck auf den Liefervorgang aus, der unflexibler gegenüber unvorhergesehenen Ereignissen wird. Zudem gehen Onlinehändler davon aus, dass die Retourenquote durch schnelle Lieferung sinkt, wodurch die Liefergeschwindigkeit ebenfalls an zusätzlicher Bedeutung gewinnt [EHI16].

Kommunen verwenden das Instrument der Lieferzeitbeschränkungen, um die zunehmende Verkehrsbelastung in den Städten zu reduzieren und zu kontrollieren. Dabei werden temporäre Durchfahrtsbeschränkungen (zum Beispiel für Fußgängerzonen in der Hauptgeschäftszeit oder ein generelles Fahrtverbot für Lkw, die ein bestimmtes zulässiges Gesamtgewicht überschreiten, zum Beispiel in Wohngebieten) unterschieden. Lieferzeitbeschränkungen führen so zu einer punktuellen Verminderung der Lkw-Belastung. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der kleineren Lieferzeitfenster der Einsatz mehrerer Fahrzeuge notwendig wird, um die Städte mit Gütern zu versorgen [Witt95].

Des Weiteren gibt es sogenannte Umweltzonen. Mitte des Jahres 2021 gab es 56 Umweltzonen in ganz Deutschland [UBA21l]. In den Umweltzonen dürfen nur Fahrzeuge fahren, die ein gewisses, durch eine Plakette gekennzeichnetes Emissionsniveau aufweisen. Damit reagieren die Städte auf Schadstoffbelastungen durch den Straßenverkehr, wobei der Straßengüterverkehr eine erhebliche Rolle einnimmt. Demnach müssen Liefer- und Servicefahrzeuge, deren Ziele innerhalb der Umweltzone liegen, die geforderte Mindestabgasnorm erfüllen, um nicht von einem Einfahrtverbot betroffen zu sein [VCD06b].

Als Lösungsansatz gegenüber der angespannten Straßensituation entstehen in Großstädten teilweise Speditionskooperationen, die vor allem eine gebündelte Belieferung von Problemkunden wie Großmärkten anstreben. Ziel einer solchen kooperativen Belieferung ist eine Verringerung der Warte- und Lieferzeiten an den Rampen der Sendungsempfänger und somit eine Reduzierung der Distributionskosten [Fläm09].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Grundlagen des Güterverkehrs (Stand des Wissens: 28.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?293786
Literatur
[BeSc04] Becker, Jörg, Schütte, Reinhard Handelsinformationssysteme, Ausgabe/Auflage 2. Auflage, Frankfurt , 2004
[EHI16] EHI Retail Institut (Hrsg.) EHI-Studie zum effizienten Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce , 2016/12/15
[Fläm09] Flämig, Heike Nachhaltiger Wirtschaftsverkehr, veröffentlicht in Urbane Mobilität. Verkehrsforschung des Bundes für die Kommunale Praxis, 2009
[UBA21l] Umweltbundesamt (Hrsg.) Umweltzonen in Deutschland, 2021
[VCD06a] Volkamer, Achim, Müller, Michael Leitfaden städtischer Güterverkehr, 2006/09
[VCD06b] Verkehrsclub Deutschland, Umweltbundesamt (Hrsg.) Leitfaden Städtischer Güterverkehr, 2006
[Witt93] Wittenbrink, P. Betriebliche und kommunale Maßnahmen im Rahmen einer verbesserten City-Logistik, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage 1993/5, 1993
[Witt95] Wittenbrink, P. Bündelungsstrategien der Speditionen im Bereich der City-Logistik – Eine ökonomische Analyse, veröffentlicht in Beiträge aus dem Institut für Verkehrswissenschaft an der Universität Münster, Ausgabe/Auflage Heft 136, Münster, 1995
Weiterführende Literatur
[Halb02] Halbritter, Günter , Bräutigam, Rainer , Fleischer, Thorsten , Fulda, Ekkehard , Georgiewa, Daniela , Klein-Vielhauer, Sigrid , Kupsch, Christel Verkehr in Ballungsräumen, veröffentlicht in Beiträge zur Umweltgestaltung A 149, Erich Schmidt Verlag / Berlin, 2002, ISBN/ISSN 3 503 06686 1
[BGBEG] Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Palette
Eine Palette ist ein Ladungsträger, auf dem eine größere Anzahl von Transportgütern zu gleichartigen (unifizierten) Ladungseinheiten zusammengefasst werden kann. Durch Normierung von Bauart und Größe jeweils verwendeter Paletten sowie korrespondierender Transport-, Umschlags- oder Lagersysteme lassen sich anfallende logistische Prozesse sowohl in zeitlicher als auch monetärer Hinsicht rationalisieren.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?39823

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 20:48:32