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Ausprägungsformen und Ausmaß der durch den Schienenverkehr verursachten Lärmimmissionen

Erstellt am: 08.04.2010 | Stand des Wissens: 29.10.2018
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Um den Stellenwert eisenbahnbetriebsbedingter Geräuschimmissionen und deren Akzeptanz in der Bevölkerung erfassen zu können, sind zunächst deren generelle Erscheinungsformen darzulegen. Der Umfang der damit verbundenen Störeffekte, insbesondere im Vergleich zum Straßenverkehr, ist aufzuzeigen sowie hierdurch hervorgerufene Folgewirkungen auf Seiten betroffener Personengruppen zu benennen. Erst auf Basis dieser Informationen kann die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Umsetzung von geeigneten Reduktionsmaßnahmen sachgerecht abgeschätzt werden.
Im Hinblick auf die Dimension, also die quantifizierbaren externen Effekte des Schienenverkehrs, stellt sich die Lärmproblematik als mit Abstand bedeutendster Faktor dar [INFR07]. Schätzungen zufolge fühlen sich knapp 22 Prozent der Einwohner der Bundesrepublik Deutschland durch Schienenverkehrslärm belästigt [Hint11, S. 4]. Als Hauptverursacher für entsprechende Belastungen wird vielfach der Schienengüterverkehr identifiziert, dessen Fahrzeuge gegenüber dem Personenverkehr stärkere Schallemissionen erzeugen und sich überwiegend nachts im Einsatz befinden [Gess07].
Eisenbahnlärm hat dabei im Wesentlichen drei Immissionsformen:
  • Direktschallübertragung erfolgt ausschließlich durch die Luft.
  • Sekundärschall tritt in geschlossenen Räumen auf. Dabei werden Decken und Wände durch Körperschallausbreitung zum Schwingen angeregt.
  • Erschütterungsimmissionen sind nur innerhalb von Gebäuden wahrnehmbar. Dabei handelt es sich um tieffrequente Schwingungen der Gebäudedecken.
[Krue00]
Einige Untersuchungen in den 1970er Jahren führten zu der Vermutung, dass die Schallabstrahlungen des Schienenverkehrs im Vergleich zum Straßenverkehr allgemein als weniger lästig eingestuft werden [MoLi00, S. 144 f.; JaOn00, S. 209; UBA01g, S. 12; Jaeg03a, S. 472]. Ein Grund für die geringere Störwirkung des Schienenverkehrs seien die relativ langen Geräuschpausen [DBAG07s, S. 17]. Hieraus resultierte die Einführung des sogenannten Schienenbonus, welcher die zulässigen Grenzwerte für den vom Schienenverkehr erzeugten Lärm um 5 Dezibel(A) erhöht. Die Studienergebnisse und damit der Schienenbonus selbst sind in der Fachliteratur jedoch nicht unumstritten. Im April 2013 wurde im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat beschlossen, dass der Schienenbonus ab dem 1. Januar 2015 für neue Schienenbauprojekte entfällt. [VDEI13] Durch die dann erhöhten Anforderungen soll sich der Lärmschutz an Schienenstrecken verbessern.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Lärmemissionen des Schienenverkehrs (Stand des Wissens: 27.02.2019)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?312886
Literatur
[DBAG07s] o.A. Bonus für die Bahn, Schall und Verkehr, veröffentlicht in Bahntech, Ausgabe/Auflage 01/07, Berlin, 2007/01
[Gess07] Geßner, R. Reduktion des Schienenverkehrlärms - Eine europäische Aufgabe für Hersteller und Betreiber, veröffentlicht in EI - Eisenbahningenieur, Ausgabe/Auflage 2007/3, DVV Media Group GmbH, Hamburg, 2007/03, ISBN/ISSN 0013-2810
[Hint11] Matthias Hintzsche Lärmbilanz 2010 - Untersuchung der Entscheidungskriterien für festzulegende Lärmminderungsmaßnahmen in Lärmaktionsplänen nach der Umgebungslärmrichtlinie 2002/49/EG, Ausgabe/Auflage 78/2011, Dessau-Roßlau, Berlin, 2011/11
[INFR07] Doll, Claus, Dr., Maibach, Markus, Schreyer, Christoph Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland - Aufdatierung 2005, 2007/03
[Jaeg03a] Jäger, Klaus Neue Erkenntnisse bei der Bewertung von Schienenverkehrslärm, veröffentlicht in Eisenbahntechnische Rundschau, Ausgabe/Auflage 7/8, 2003, ISBN/ISSN 0013-2845
[JaOn00] Jäger, Klaus, Dipl.-Ing., Onnich, Johannes, Dipl.-Ing. Fortschritte und Besonderheiten bei der Reduzierung des Schienenverkehrslärms, veröffentlicht in Zeitschrift für Lärmbekämpfung, Ausgabe/Auflage 47, Springer-Verlag Heidelberg , 2000
[Krue00] Krüger, Friedrich, Dr.-Ing. Leiser Schienennahverkehr, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 5, 2000, ISBN/ISSN 0722-8287
[MoLi00] Griefahn, Barbara, Prof. Dr. med., Liepert, Manfred, Dipl.-Ing., Mehnert, Peter, Dipl.-Math., Möhler, Ulrich, Dipl.-Ing., Schreckenberg, Dirk, Dipl.-Psych., Schuemer, Rudolf, Dr. phil., Schuemer-Kohrs, Anke, Dipl.-Psych. Vergleichende Untersuchung über die Lärmwirkung bei Straßen- und Schienenverkehr, veröffentlicht in Zeitschrift für Lärmbekämpfung, Springer-VDI-Verlag Heinrichstr.24 40239 Düsseldor, 2000/06
[UBA01g] Günther, Michael, Rechtsanwalt, Popp, Christian, Dipl.-Ing., Stoyke, Burkhard Hinweise zum Schutz gegen Schienenlärm, Ausgabe/Auflage 1, 2001/11
[VDEI13] o. A. Lärm: Schienenbonus fällt, Ausgabe/Auflage 2013/06, DVV Media Group GmbH, Hamburg , 2013/06, ISBN/ISSN 0013-2810
Glossar
Schienengüterverkehr
Unter Schienengüterverkehr (SGV) wird der Transport von Gütern mit der Eisenbahn verstanden. Diese werden in Güterzügen unter Verwendung (spezieller) Güterwagen befördert. Diese Verkehre können entweder auf gesonderten Güterverkehrsstrecken oder im Mischverkehr, auf gemeinsam durch den Güter- und Personenverkehr genutzten Strecken, realisiert werden. Leistungen des Schienengüterverkehrs werden häufig als Teil einer Logistikkette in logistische Gesamtkonzepte eingebunden.
dB(A) Messgröße des A-bewerteten Schalldruckpegels zur Bestimmung von Geräuschpegeln. Die dB-Skala ist logarithmisch aufgebaut, d. h. eine Verdoppelung der Lärmintensität führt zu einer Erhöhung um 3 dB. Das menschliche Ohr empfindet eine Erhöhung um 10 dB als Verdoppelung der Lautstärke. Hierzu ist eine Schallintensitätsverzehnfachung erforderlich. Der Zusatz "(A)" gibt an, dass dem betreffenden Messergebnis die standardisierte A-Berwertungskurve zugrunde liegt. Sie berücksichtigt einen nichtlinearen frequenz- und pegelabhängigen Zusammenhang zwischen subjektiv wahrgenommenem Läutstärkepegel und vorliegendem Schalldruckpegel. So empfindet das menschliche Gehör bspw. mittlere Frequenzen im Vergleich zu niedrigen Frequenzgängen als wesentlich lauter, weshalb die Einheit dB(A) entsprechende Tonhöhen stärker gewichtet. Ein gesundes Ohr kann bereits einen Schalldruck von 0 dB (A) wahrnehmen (Hörschwelle), bei Werten über 120 dB (A) wird die Geräuschbelastung unerträglich laut (Schmerzgrenze). Eine Langzeiteinwirkung von über 85 dB(A) zieht u. U. dauerhafte Gehörschäden nach sich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?310326

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