Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Einbeziehung von Nutzern

Erstellt am: 25.03.2010 | Stand des Wissens: 16.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Infrastrukturwirtschaft und -management - Prof. Dr. Thorsten Beckers
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Eine weitere zentrale Ausgestaltungsfrage im Rahmen einer kostenorientierten Anreizregulierung ist, inwieweit die Gruppe der Nutzer in den Regulierungsprozess einbezogen werden soll. Im britischen Flughafensektor erfolgt seit dem Jahr 2005 eine verstärkte Einbeziehung der Fluggesellschaften als Nutzer im Rahmen eines so genannten "Constructive Engagement" [Litt12]. Beim Constructive Engagement finden im Vorfeld der endgültigen beziehungsweise bindenden Entscheidung des (sektorspezifischen) Regulierers, der Civil Aviation Authority (CAA), Diskussionen beziehungsweise Verhandlungen zwischen dem zu regulierenden Flughafen und den Fluggesellschaften statt, die eine Grundlage für die letztendliche Ausgestaltung der Regulierung in der anstehenden Regulierungsperiode bilden (können). Auch die gegenwärtigen Regelungen der EU- und der nationalen Ebene in Deutschland räumen derartigen Verhandlungslösungen zwischen Flughäfen und  Fluggesellschaften den Vorrang ein [ThGr16].  

Durch eine derartige Einbeziehung von Nutzern kann bei der Ausarbeitung der Regulierungsentscheidung die größere Sachnähe der Beteiligten genutzt werden. Beispielsweise kann auf diese Weise unter Umständen schneller auf Umweltänderungen reagiert werden, wobei dieser Aspekt mit zunehmender Dynamik des Sektors an Bedeutung gewinnt. Ferner kann die größere Sachnähe der Marktteilnehmer zu einem angemessenen Grad des Regelumfangs beitragen, wodurch Transaktionskosten eingespart werden. Des Weiteren können gegebenenfalls Transaktionskosten, die im Zusammenhang mit der Ausarbeitung der Regulierungsentscheidung beim Regulierer anfallen, reduziert werden. Demgegenüber fallen zusätzliche Transaktionskosten für den Diskussions- beziehungsweise Verhandlungsprozess zwischen Flughafen und den Fluggesellschaften an. Im Flughafensektor dürften diese jedoch vergleichsweise gering sein, da die Anzahl der Nutzer relativ gering ist.

Eine verstärkte Einbeziehung von Nutzern bietet sich an, wenn eine Tendenz zur Einigung zwischen den Beteiligten besteht beziehungsweise vermutet werden kann. Möglichkeiten für die gemeinsame Identifikation von Optimierungspotenzialen dürften insbesondere bei der Definition des (effizienten) Qualitätsniveaus existieren. In diesem Zusammenhang könnten auch Vereinbarungen zwischen den Parteien über vorzunehmende Kapazitätserweiterungsinvestitionen getroffen werden, beispielsweise den Bau zusätzlicher Fluggastbrücken. Bei umfangreichen Kapazitätserweiterungsinvestitionen, zum Beispiel dem Bau eines neuen Terminals oder einer Start- und Landebahn, ist hingegen nicht unbedingt mehr ein diesbezügliches Einvernehmen zu erwarten, insbesondere wenn derartige Maßnahmen zu einem Großteil durch die gegenwärtigen Nutzer finanziert werden sollen. Ebenso sind Verhandlungen zwischen Flughafen und Fluggesellschaften nicht sinnvoll, wenn das Ergebnis der Verhandlung primär distributive Wirkungen hat und insbesondere ein Resultat der Verteilung von Verhandlungsmacht ist. Ein diesbezügliches Beispiel stellt die Bestimmung der Höhe von Kapitalkosten dar.

Der Regulierer sollte den Prozess strukturieren, moderieren und gegebenenfalls auch eingreifen oder einen Schlichter beauftragen [ThGr16]. Dabei weisen die Erfahrungen auf die besondere Bedeutung der Informationsbereitstellung durch die Flughäfen hin. Insofern sollte der Regulierer von den ihm einzuräumenden Rechten zur Informationsbeschaffung Gebrauch machen und auf eine zeitgerechte Informationsbereitstellung hinwirken. Vor dem Hintergrund der vom Regulierer wahrzunehmenden Aufgaben wird es von hoher Bedeutung sein, dass der Regulierer über Kompetenz und Erfahrungen bei der Vorstrukturierung und Umsetzung einer Einbeziehung von Nutzern verfügt.

Im Übrigen sollte der Regulierer stets prüfen, inwiefern das Verhandlungsergebnis der Parteien mit den definierten Regulierungszielen konform ist. Beispielsweise könnten sich Flughafenunternehmen und die bedeutenden Fluggesellschaften an dem jeweiligen Flughafen, die vorwiegend an den Nutzerkonsultationen teilnehmen werden, zulasten von anderen Fluggesellschaften, zum Beispiel potenziellen Entrants, einigen.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Flughafenregulierung (Stand des Wissens: 16.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?302668
Literatur
[Litt12] Stephen Littlechild Regulation and Customer Engagement, 2012
[ThGr16] Thiessen, Friedrich, Gramlich, Ludwig Flughafenentgelte
Situation - Probleme - Änderungsvorschläge, 2016

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?302287

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 16:31:35