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Effizienter Seeverkehr als Triebkraft der Globalisierung

Erstellt am: 31.01.2008 | Stand des Wissens: 26.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Für den im Zuge der Globalisierung stark wachsenden internationalen Warenaustausch ist ein effizienter und kostengünstiger Transport sowohl Voraussetzung als auch Triebkraft. Der Seeverkehr befördert mehr als 80 Prozent des Welthandels. Im Jahr 2020 wurden in Häfen weltweit 11,5 Milliarden Tonnen verladen. Unter Berücksichtigung des Gewichts der Ladung handelte es sich zu 28,3 Prozent um Rohöl, Ölprodukte und Gas, zu 27,6 Prozent um trockene Massengüter und zu 16,1 Prozent um Container [VSM21  S.129].

Im Vergleich zu 1980 hat sich das weltweite Ladungsaufkommen mehr als verdreifacht. Mit wenigen Ausnahmen steigt der Weltseehandel seit 1990 jährlich um durchschnittlich 3,74 Prozent [UNCT16]. Im Jahr 2017 konnte ein Fünf-Jahres-Hoch mit einem Wachstum von 4 Prozent erreicht werden [UNCTAD18, S. 2]. Damit bildete die Seeschifffahrt ein Fundament für das hohe und bis zur Krise 2009/10 weitgehend stetige Wachstum des Welthandels in den vergangenen Jahrzehnten. Dieses Wachstum wird ermöglicht durch mehrere Faktoren [deMo10]:
  • Zunehmende Liberalisierung des internationalen Handels (Abbau von Handelsbarrieren und Vereinheitlichung des Rechtsrahmens)
  • Fortschreitende internationale Arbeitsteilung und fragmentierte Produktionsprozesse (globale Suche nach komparativen Vorteilen)
  • Verbesserte Kapazität, Konnektivität und Verlässlichkeit des internationalen Transport-systems
  • Verringerte Transaktionskosten aufgrund von Entwicklungen in der Telekommunikations- und Informationstechnologie
  • Vereinfachte internationale Handelstransaktionen durch verbesserten Zugang zu Kapital und Finanzdienstleistungen
Im Jahr 2020 wird der Seeverkehr jedoch stark von den Einflüssen der globalen Corona Pandemie getroffen. Erstmals seit der Weltwirtschaftskrise 2009/10 sinkt der maritime Handel um etwa 4,1 Prozent. Unterbrochene Lieferketten und allgemeine Planungsunsicherheit stellen die Akteure des Seeverkehrs zunehmend unter Druck [UNCT20].
Während der vergangenen Jahrzehnte sind die Frachtraten im maritimen Transport in allen Weltregionen rückläufig, mit einem bisherigen Tiefpunkt im Jahr 2016 [UNCT16]. Verschiedene Faktoren tragen zu diesem Rückgang bei, zu nennen sind insbesondere:
  • der zunehmende Anteil von containerisierten Gütertransporten,
  • der Größenwachstum der Schiffe, mit dem sich Skaleneffekte ausnutzen lassen (zunächst bei Tankern, dann bei Massengutfrachtern und zuletzt im Bereich der Containerschifffahrt),
  • der Überschuss an Transportkapazitäten,
  • die Verbreitung von Technologien, die eine Verringerung der Schiffsbesatzung ermöglichen,
  • Verbesserungen der Umschlagstechnologie,
  • Investitionen in Informations- und Kommunikationstechnologien,
  • die Deregulierung des Hafensektors mit der Folge höherer Produktivität und kürzeren Liegezeiten im Hafen.

Von besonderer Bedeutung für die Globalisierung und die zunehmende internationale Arbeitsteilung war die Einführung des Containers im Seetransport. Der Container wurde in den 1960ern in den USA eingeführt. Ab Ende der 1960er Anfang der 1970er fand der Container auf den Routen USA-Europa und USA-Japan Einzug und verbreitete sich ab Ende der 1970er weltweit. Mit dem Container verbesserte sich die Qualität des internationalen Gütertransports, insbesondere durch deutlich kürzere Transportzeiten. Containerschiffe sind seit ihrer Einführung zusehends schneller und größer geworden, im Hafenumschlag hat eine deutliche Beschleunigung und Kostensenkung stattgefunden [Humm07]. Infolgedessen sind die Kosten pro Frachteinheit auf einem Containerschiff um die Hälfte geringer als auf einem konventionellen Stückgutschiff [BeVe10]. Der Weltcontainerhandel ist in den vergangenen 20 Jahren im Durchschnitt um 5 Prozent pro Jahr angestiegen [UNCT20, S. 13]. Abbildung 1 zeigt sowohl den Anstieg in TEU als auch die jeweiligen Wachstumsraten in den einzelnen Jahren.
global containerized trade2.pngAbb. 1: Entwicklung des globalen Containerhandels in Millionen TEU, sowie die Wachstumrate, von 1996 bis 2020 (eigene Darstellung nach [UNCT20, S. 13]) (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Aus struktureller Sicht basiert das Wachstum der Containertransporte auf der weiter voranschreitenden internationalen Arbeitsteilung und Dezentralisierung der Produktionsprozesse. Dabei wählen die Industrieländer in Europa und Amerika nicht mehr nur benachbarte Niedriglohnländer als Standorte (Osteuropa oder Mexiko), sondern zunehmend auch Asien. China ist bei der Produktion vieler Güter innerhalb weniger Jahre zum Weltmarktführer aufgestiegen (beispielsweise bei Kühlschränken, Klimaanlagen und anderen elektronischen Konsumgütern). In anderen Bereichen hat das Land seine Marktführerschaft ausgebaut (zum Beispiel Bekleidung). Outsourcing und globaler Güterhandel wurden darüber hinaus von der Liberalisierung des Welthandels in den vergangenen Jahren begünstigt [Heym06].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Seeschifffahrt (Stand des Wissens: 26.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?11155
Literatur
[BeVe10] Behar, Alberto , Venables, Anthony J. Transport costs and International Trade , veröffentlicht in Handbook of Transport Economics, 2010/02/04
[deMo10] De Monie, G., Rodrigue, j., Notteboom, T. Economic Cycles in Maritime Shipping and Ports: The Path to the Crisis of 2008, veröffentlicht in Integrating Seaports and Trade Corridors, ASHGATE / Surrey, 2010
[Heym06] Heymann, E. Containerschifffahrt - Überkapazitäten trotz steigender Nachfrage programmiert, veröffentlicht in Aktuelle Themen, Frankfurt/M., 2006/04/06
[Humm07] David Hummels Transportation Costs and International Trade in the Second Era of Globalization , veröffentlicht in Journal of Economic Perspectives, Ausgabe/Auflage Volume 21, Number 3, 2007
[UNCT16] o.A. Review of Maritime Transport 2016, 2016/10/01
[UNCT20] United Nations Conference on Trade and Development Review of Maritime Transport 2020, 2020
[UNCTAD18] United Nations Conference on Trade and Development (Hrsg.) Review of Maritime Transport 2018, United Nations Publications, 2018/10, ISBN/ISSN 978-92-1-112928-1
[VSM21] Verband für Schiffbau und Meerestechnik e. V. (Hrsg.) VSM Jahresbericht 2020/2021, 2021
Weiterführende Literatur
[FeGI07] Sverre Bjørn Svenning, Fearnleys, Oslo, Frédéric Avierinos, Global Insight, Paris, Philip Wareham, Holman Fenwick & Willan, London Legal and Economic Analysis of Tramp Maritime Services, Oslo, 2007/02/22
Glossar
Twenty-foot equivalent unit Zwanzig-Fuß-Äquivalente-Einheit (Twenty-foot Equivalent Unit). Eine statistische Hilfsgröße auf der Basis eines 20-Fuß-ISO-Containers (6,10 m Länge) zur Beschreibung von Verkehrsströmen oder -kapazitäten. Ein genormter 40'-ISO-Container der Reihe 1 entspricht 2 TEUs.
Economies of Scale Economies of Scale treten auf, wenn die Produktionskosten pro hergestellter Einheit mit zunehmender Produktionsmenge abnehmen.
Outsourcing Beim Outsourcing (Fremdvergabe) werden Aufgaben oder Dienstleistungen, die nicht zum Kerngeschäft eines Unternehmens gehören, ausgelagert, das heißt an externe Unternehmen abgegeben. Die Ausgliederung von Logistikaktivitäten ist die häufigste Form des Outsourcings. Das Wort leitet sich von 'outside' und 'resourcing' ab.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?250423

Gedruckt am Donnerstag, 18. April 2024 14:16:14