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"Global sourcing" von Tonnage

Erstellt am: 31.01.2008 | Stand des Wissens: 26.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Für die Sicherung und den Ausbau ihres Angebots an Tonnage gegenüber den Transportkunden können Reeder entweder
  • eigene Tonnage auf dem stark internationalisierten Schiffbaumarkt (oder dem Second-Hand-Markt) erwerben
  • oder sich mittels Zeitcharter auf dem Chartermarkt eindecken.
Werden Schiffe gechartert, sind die unternehmerischen Aufgaben der Bereitstellung von Tonnage (Finanzierung, Planung und Bau von Schiffen), der Bemannung und Ausrüstung der Schiffe und der Ausführung der Gütertransporte getrennt. Sie werden global, über alle nationalen Grenzen hinweg ausgeführt. Schiffe können dabei sowohl mit als auch ohne Besatzung gechartert werden.

Durch das Chartern von Schiffen versuchen die Containerreedereien Risiken, welche mit eigener Tonnage verbunden sind, zu verringern. Bei den 20 größten Containerreedereien liegt der Anteil gecharterter Tonnage an der Flottenkapazität des Reeders im Jahr 2020 bei durchschnittlich 54,5%. Hieran lässt sich erkennen, dass es signifikante Unterschiede hinsichtlich der Strategie (eigene Tonnage oder Zeitcharter) bei den Containerreedereien gibt. Beispielsweise besitzt der dänischen Container-Zubringerdienstes Unifeeder keine eigenen Schiffe, zählt jedoch trotzdem zu den 20 größten Containerreedereien der Welt [Alph20c].

Abbildung 1 stellt die Welthandelsflotte entsprechend der Eigentümerschaft der fünf Länder mit der größten Schiffsflotte dar und gibt Auskunft über die jeweilige Anzahl an Schiffen, deren Tons Dead Weight (DWT) sowie den Anteil an der Welthandelsflotte entsprechend der DWT. Aktuell befinden sich 4,37 Prozent der Welthandelsflotte gemessen in DWT in deutscher Inhaberschaft [UNCT20].
welthandelsflotte nach eigentuemer.pngAbb. 1: Welthandelsflotte nach Schiffsregistratur (eigene Darstellung nach [UNCT20, S. 44])
Ausdruck der Internationalisierung der Seeschifffahrt ist der nur noch lose Zusammenhang zwischen Flaggenführung und wirtschaftlicher Verfügung über die Schiffe (Eigentümerschaft). Ein Schiff führt eine Flagge, um es zu juristischen und wirtschaftlichen Zwecken zu identifizieren. Hierzu wird es in einem Schiffsregister unter einer Flagge eingetragen.

Schiffsregister lassen sich in Nationale Register, Internationale Register und Offene Register unterscheiden. Die Wahl eines Schiffseigentümers, in welchem Schiffsregister er seine Schiffe registriert, wird beeinflusst durch verschiedene Regelungen hinsichtlich Steuern, Bemannungsvorschriften und Gesellschaftsrecht der Register [Stop09]. Verschiedene Schiffsregister spezialisieren sich heute auf einzelne Marktsegmente, wie bestimmte Schiffstypen, Schiffsgrößen, Eigentümernationalitäten oder Alterssegmente [UNCTAD11].

Abbildung 2 stellt die fünf Flaggen mit der größten Schiffsflotte dar und gibt Auskunft über die jeweilige Anzahl an Schiffen und DWT. Die meisten der Länder mit bedeutenden Schiffsregistern (insbesondere der Offenen Register) haben selber keine signifikanten Schiffsflotten in Eigentümerschaft [UNCTAD11].
welthandelsflotte nach schiffsregistratur.pngAbb. 2: Welthandelsflotte nach Schiffsregistratur (eigene Darstellung nach [UNCT20, S. 44])
Analysen zeigen, dass die Führung einer fremden Flagge einhergeht mit internationaler Beschäftigung und internationaler Tonnagebeschaffung, aber auch mit der Vermeidung von Regulierung im Heimatland [HoSaTa05].

Die Schifffahrt gehört zu den kapitalintensivsten Sektoren der Weltwirtschaft. Traditionelle Kapitalquellen in der Schifffahrt sind eine Finanzierung über Private Equity, Bankkredite, den Kapitalmarkt oder durch Zweckgesellschaften wie das deutsche Kommanditgesellschafts-Modell (KG-Modell) [Stop09]. Ihre anteilsmäßige Verteilung ist in Abbildung 3 dargestellt.
Kapitalquellen Schiffsfinanzierung.PNGAbb. 3: Traditionelle Kapitalquellen in der Schifffahrt (eigene Darstellung nach [KPMG12, S. 19])
Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 geriet das klassische Finanzierungsmodell für Schiffe ins Wanken. Banken und Investoren verlangen zunehmend nach größeren Sicherheiten. Es wird erwartet, dass neben dem klassischen Einschiff-KG-Modell zukünftig andere Finanzierungsmodelle, wie Börsengänge, Anleiheemissionen oder Mezzanine-Kapital, an Bedeutung zunehmen werden. Die Reedereien geraten in einen schwierigen Kreislauf. Privatanleger investieren kaum noch in Schiffe und auch Banken bauen ihr Geschäft mit Schiffskrediten zunehmend ab. Neue Kapitalquellen sind unter anderem Hedge- oder Pensionsfonds, doch hierfür müssen attraktive Geschäftsmodelle und hohe Sicherheiten dargeboten werden [Welt16b].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Seeschifffahrt (Stand des Wissens: 26.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?11155
Literatur
[Alph20c] Alphaliner (Hrsg.) Alphaliner TOP 100 as per 27 Oct 2020, 2020/10/27
[HoSaTa05] Hoffmann, J., Sanchez, R., Talley, W. Determinants of vessel flag, veröffentlicht in Shipping Economics, Elsevier / Oxford, 2005, ISBN/ISSN 0-7623-1177-0
[KPMG12] Axhausen, Michael , Balz, Jörg , Kordt, Roland , Holz, Maike Alternative Schiffsfinanzierung. Rahmenbedingungen der Schiffsfinanzierung im Wandel - auf der Suche nach einem neuen Kurs? , Hamburg, 2012
[Stop09] Stopford, Martin Maritime economics, Ausgabe/Auflage 3. Aufl., Routledge / London, New York, 2009/02/06
[UNCT20] United Nations Conference on Trade and Development Review of Maritime Transport 2020, 2020
[UNCTAD11] United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) Review of Maritime Transport 2011 , New York, Geneva, 2011
[Welt16b] Olaf Preuß Wie die Digitalisierung das Reederei-Geschäft wandelt, 2016/07/26
Glossar
Tragfähigkeit Wasserverdrängung eines voll abgeladenen Schiffes abzüglich der Schiffsmasse. Umfasst die Massen von Besatzung, Passagieren, Ladung, Brennstoffen, Wasser und aller Vorräte.
übliche Abkürzungen:  Tons deadweighttdw), Dead weight tons)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?250416

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 15:12:56