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Lärmzulassungsvorschriften nach Annex 16 der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation

Erstellt am: 15.07.2004 | Stand des Wissens: 21.02.2024
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Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.


Die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) hat im Jahr 1971 mit dem Band I des Anhang 16 (Annex) zum Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt Richtlinien zur Begrenzung der Schallabstrahlung bei zivilen Luftfahrzeugen geschaffen. Nach dieser werden Luftfahrzeuge mit bestimmten Triebwerken festgelegten Kapiteln zugeordnet, die durch Lärmgrenzwerte definiert sind. Die Standards beziehen sich auf die Lärmentwicklung der Luftfahrzeugtriebwerke an festgesetzten Start-, Lande- und Überflugmesspunkten und werden in Dezibel (dB) gemessen.

Mit der Einführung von Großraumluftfahrzeugen, die über neue Turbofantriebwerke verfügten, wurde ein wesentlicher Fortschritt in der Reduktion der Lärmbelastung erreicht, was zeigte, dass bedeutsame technische Verbesserungen realisierbar sind. Aus diesem Grund wurden die Richtlinien im Laufe der Jahre weiter verschärft und als Kapitel 3 des Anhangs 16, Band 1 vorgegeben. Die Fortschritte in der Triebwerksentwicklung führten zu einer kontinuierlichen Minderung der Lärmentwicklung durch Luftfahrzeugtriebwerke. Mit der Entwicklung lärmärmerer Antriebe wurde in vielen Industriestaaten ein Verbot für die Neuzulassung beziehungsweise den Betrieb bestimmter alter Kategorien (Chapter 2) verhängt, sodass sich heutzutage fast ausschließlich lärmarme Luftfahrzeugmodelle im Einsatz befinden.

Chapter 1 & 2
Zu der Kapitel 1-Kategorie zählten die allerersten strahlgetriebenen Verkehrsflugzeuge. Die Kapitel 2-Bestimmungen wurden von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation 1971 festgelegt und betreffen im Wesentlichen Luftfahrzeuge mit Triebwerken mit geringem Nebenstromverhältnis und viele ältere Luftfahrzeuge russischer Entwicklung.

Chapter 3
Mit dem Fortschritt der Triebwerksentwicklung wurden von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation neue Richtlinien verabschiedet, die im Jahr 1979 zu den Kapitel 3-Bestimmungen (Annex 16, Chapter 3) führten. Im Jahr 1990 wurde vereinbart, die nach Kapitel 2 zugelassenen Luftfahrzeuge bis zum Jahr 2002 außer Betrieb zu nehmen. In den USA war die Erfüllung der Bestimmungen bereits zum Ende des Jahres 1999 vorgeschrieben worden. Dieses Ziel konnte für alte Luftfahrzeugmodelle durch die Umrüstung mit so genannten Hushkits erreicht werden. In Europa hat sich diese Maßnahme der nachträglichen Lärmreduzierung nicht durchgesetzt. Hier mussten seit dem Jahr 2002 alle Luftfahrzeuge den Lärmbestimmungen nach Kapitel 3 genügen.

Chapter 4
Seit Januar 2006 mussten alle neu zugelassenen Maschinen diesen Anforderungen entsprechen. Die Einführung der neuen Lärmbestimmung reduziert den Gesamtlärm der Luftfahrzeuge um zehn Dezibel. Da es sich um einen kumulierten Gesamtwert handelt, ist davon auszugehen, dass an jedem der drei vorgeschriebenen Lärmmesspunkte eine Reduzierung von rund drei Dezibel erreicht wird. 
Im Jahr 2014 wurden die Lärmgrenzwerte für zivile strahlgetriebene Flugzeuge und Propellermaschinen seitens der ICAO weiter verschärft. Der neue Grenzwert liegt um 17 Dezibel unterhalb der Anforderungen des Kapitels 3 und um 7 Dezibel unter denen des Kapitels 4. Abhängig sind die Grenzwerte von der zulässigen Startmasse und der Anzahl der Triebwerke, sodass schwere Maschinen lauter sein dürfen als leichte. Für Flugzeuge mit einem maximalen Abfluggewicht von mehr als 55 Tonnen gelten die aktuellen Lärmgrenzwerte bereits seit dem Jahr 2018, für Flugzeuge mit einem geringeren maximalen Abfluggewicht seit 2021. [UBA21ag]
Die Lärmgrenzwerte der jeweiligen Kapitel im Annex 16 wurden bereits bei ihrer Einführung von vielen Luftfahrzeugtypen unterschritten. Das Umweltbundesamt erachtet es daher als notwendig, die aktuellen Grenzwerte, in einem technisch machbaren Bereich, weiter zu senken, um die Emissionen auf ein minimales Niveau zu reduzieren. [UBA21ag]
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maßnahmen zum Schutz vor Fluglärm und Lärmminderung (Stand des Wissens: 13.12.2016)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?97653
Literatur
[Cave01] Caves, Robert, Dr AEROCERT - Work Package 2 Report: Review of current aircraft operating procedures and their consequences for noise in the community relative to certification procedures., 2001/05/01
[UBA21ag] Umweltbundesamt Fluglärm, 2021/02/17
Weiterführende Literatur
[Smit89] Smith, Michael J. T. Aircraft Noise, Cambridge University Press / Cambridge (UK), 1989, ISBN/ISSN ISBN 0-521-33186-2
[ONERA03] Batard, H. Aircraft noise reduction: AIRBUS industrial needs in terms of new materials for nacelle liners, 2003/01/16
[BCAG03a] k.A. Karte-Zeitschiene der Entwicklung der Fluglärmbestimmungen-Timeline of Aircraft Noise Certification and Phaseout Rules, 2003/01
Glossar
dB(A) Messgröße des A-bewerteten Schalldruckpegels zur Bestimmung von Geräuschpegeln. Die dB-Skala ist logarithmisch aufgebaut, d. h. eine Verdoppelung der Lärmintensität führt zu einer Erhöhung um 3 dB. Das menschliche Ohr empfindet eine Erhöhung um 10 dB als Verdoppelung der Lautstärke. Hierzu ist eine Schallintensitätsverzehnfachung erforderlich. Der Zusatz "(A)" gibt an, dass dem betreffenden Messergebnis die standardisierte A-Berwertungskurve zugrunde liegt. Sie berücksichtigt einen nichtlinearen frequenz- und pegelabhängigen Zusammenhang zwischen subjektiv wahrgenommenem Läutstärkepegel und vorliegendem Schalldruckpegel. So empfindet das menschliche Gehör bspw. mittlere Frequenzen im Vergleich zu niedrigen Frequenzgängen als wesentlich lauter, weshalb die Einheit dB(A) entsprechende Tonhöhen stärker gewichtet. Ein gesundes Ohr kann bereits einen Schalldruck von 0 dB (A) wahrnehmen (Hörschwelle), bei Werten über 120 dB (A) wird die Geräuschbelastung unerträglich laut (Schmerzgrenze). Eine Langzeiteinwirkung von über 85 dB(A) zieht u. U. dauerhafte Gehörschäden nach sich.
ICAO
Die International Civil Aviation Organization (ICAO) ist die Internationale Zivilluftfahrtorganisation zur Vereinheitlichung und Regelung der Zivilluftfahrt durch Veröffentlichungen von Richtlinien und Empfehlungen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?96022

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 02:06:50